Rn. 50
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Die EU-Kommission war der Meinung, es bestehe aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, auch bei einer Beteiligung von unter 10 % eine Verpflichtung zur Freistellung ausländischer Muttergesellschaften. Anders als etwa das französische Steuerrecht diskriminiere das deutsche Steuerrecht zwar nicht beim Quellensteuerabzug auf von Körperschaften bezogenen Dividenden, denn es würde ja gemäß § 43 Abs 1 S 3 unabhängig von § 8b KStG die KapSt erhoben. Allerdings war der KapSt-Abzug für den beschränkt StPfl definitiv.
Der EuGH vom 20.10.2011, C-284/09, BFH/NV 2011, 2219 hat schließlich deutlich gemacht, dass ein Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers nicht mehr zu umgehen war. Grundsätzlich war eine europarechtskonforme Neugestaltung auf zwei Wegen möglich,
- entweder durch eine steuerliche Freistellung wie bei unbeschränkt StPfl mit Streubesitz
- oder durch eine Besteuerung der inländischen Streubesitzdividenden.
Trotz der damit verbundenen steuersystematisch fraglichen Durchbrechung des Prinzips der Steuerfreistellung von Bezügen einer Körperschaft aus Beteiligungen (vgl Streck/Binnewies, § 8b KStG Rz 212 (10. Aufl 2022); Intemann, BB 2013, 1239) hat sich der Gesetzgeber für die Besteuerungslösung beim Streubesitz entschieden (§ 8b Abs 4 idF des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rs C-284/09 vom 21.03.2013, BGBl I 2013, 561). Vor dem Hintergrund der sog Schuldenbremse sahen die Länderfinanzminister keine Möglichkeit, die erwarteten Steuerausfälle bei einer Steuerfreistellung von Streubesitzdividenden für EU-Ausländer zu tragen. Die Neuregelung gilt für alle Bezüge, die nach dem 28.02.2013 zugeflossen sind (vgl § 34 Abs 7a KStG idF vom 21.03.2013, BGBl I 2013, 561).
Rn. 51
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Für die Streubesitzdividenden in Inbound-Fällen limitieren die DBA die Besteuerung durch den Quellenstaat auf einen festgelegten Prozentsatz der Bruttodividenden (vgl zB Art 10 DBA Schweiz). Die Berücksichtigung von BA oder WK ist daher ein vom Sitzstaat der Muttergesellschaft zu lösendes Problem. Der Quellenstaat dürfte allerhöchstens verpflichtet sein, nicht durch die Höhe des Quellensteuersatzes im Vergleich zum regulären Steuersatz offensichtlich einen Anrechnungsüberhang zu schaffen.
Dem entspricht das deutsche Recht, weil für natürliche Personen der Quellensteuersatz dem normalen Steuersatz für die Schedulen-Einkünfte aus KapVerm gemäß § 32d Abs 1 EStG entspricht. Bei Körperschaften bewirkt § 44a Abs 9 EStG eine nachträgliche Milderung auf 15 %, den Tarifsatz für die deutsche KSt.