Rn. 57
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Das Erstattungsverfahren gemäß § 48c Abs 2 EStG greift ein, wenn das Anrechnungsverfahren gemäß § 48c Abs 1 EStG nicht anwendbar ist. Das Verfahren gemäß § 48c Abs 2 EStG richtet sich an Leistende, die im Inland nicht ansässig sind. Hat der im Ausland ansässige Leistende im Inland keine Steuern zu entrichten, läuft das Anrechnungsverfahren nach § 48c Abs 1 EStG leer. Der Steuerabzugsbetrag ist an den Leistenden zu erstatten, weil mit dem Abzugsbetrag keine inländischen Steuerforderungen abgesichert werden.
Der Leistende hat bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch auf die Erstattung. Die Erstattung kann bereits während des laufenden VZ – und damit früher als nach den Regelungen des Anrechnungsverfahrens – erfolgen. Damit soll vermieden werden, dass (ausländische) Bauunternehmer durch den Steuerabzug in Liquiditätsschwierigkeiten geraten (eingefügt durch den Finanzausschuss: vgl BT-Drucks 14/6071, 9 und 15f).
Rn. 58
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Da § 48 Abs 1 S 4 EStG fingiert, dass Leistender auch derjenige ist, der über eine Leistung abrechnet, ohne sie erbracht zu haben, besteht die Gefahr, dass auch zwischengeschaltete Briefkastenfirmen als formal Leistende die Erstattung beantragen können (vgl Gosch, StBp 2001, 332). Das Gesetz stellt nicht auf den wirtschaftlich Leistenden, sondern auf den zivilrechtlichen Vertragspartner des Leistungsempfängers ab.
Hierin liegt ein strukturelles Defizit des Gesetzes. Im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung in § 48 Abs 1 S 4 EStG könnte eine Erstattung des Steuerabzugsbetrags auch dann nicht abgelehnt werden, wenn feststehen würde, dass der Antrag von einer inaktiven Gesellschaft gestellt wurde, die lediglich den wirtschaftlich Leistenden verschleiern soll. Dieses unbefriedigende Ergebnis sollte der Gesetzgeber schnellstmöglich korrigieren.
Rn. 59
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
vorläufig frei
A. Die Voraussetzungen für eine Erstattung
Rn. 60
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Das Erstattungsverfahren erfolgt gemäß § 48c Abs 2 S 1 EStG nur auf Antrag. Der Antrag kann auch durch eine vertretungsberechtigte Person gestellt werden (Ebling, DStR 2001, Beihefter zu Heft 51/52).
Rn. 61
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Der Antrag ist an das nach § 20a Abs 1 AO zuständige FA zu richten. Zur Bestimmung des zuständigen FA s § 48a Rn 29ff (Wienbergen) und s § 48b Rn 18 (Wienbergen).
Da § 20a Abs 1 AO nur eingreift, wenn der Unternehmer seinen Wohnsitz bzw das Unternehmen seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz außerhalb des Geltungsbereichs der AO hat, ergibt sich aus dieser Formulierung, dass das Erstattungsverfahren für Leistende gedacht ist, die nicht im Inland ansässig sind (vgl Tz 91 BMF BStBl I 2022, 1229; Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13 093; aA Bruschke, StB 2002, 130).
Diese Begrenzung stellt eine Inländerdiskriminierung dar. Während der im Ausland ansässige Leistende das vereinfachte Erstattungsverfahren gemäß § 48c Abs 2 EStG in Anspruch nehmen kann, um den Steuerabzugsbetrag zeitnah erstattet zu erhalten, wird der inländische Leistende auf die Durchführung des zeitlich langwierigen Anrechnungsverfahrens gemäß § 48c Abs 1 EStG verwiesen (Liquiditätsnachteil).
Rn. 62
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu stellen (§ 48c Abs 2 S 3 Hs 1 EStG). Da es sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung handelt, ist der Antrag bei Nichtbeachtung abzulehnen. Das Formular ist im Internet unter www.formulare-bfinv.de abrufbar.
Rn. 63
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Die Antragsfrist endet mit Ablauf des zweiten Kj, das auf das Jahr folgt, in dem der Abzugsbetrag angemeldet worden ist (§ 48c Abs 2 S 3 Hs 1 EStG). Die gesetzliche Frist ist nicht verlängerbar (Umkehrschluss aus § 109 Abs 1 S 1 AO). Bei Versäumung der Frist ist nur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich (§ 110 Abs 1 AO).
Rn. 64
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Wird in einem DBA eine längere Frist für die Antragstellung eingeräumt, ist die längere Frist maßgeblich (§ 48c Abs 2 S 3 Hs 2 EStG). Dies dient der Vermeidung von abkommensrechtlichen Vertragsverletzungen (BT-Drucks 14/6071, 16).
Beispiele:
Land |
Regelung |
Inhalt |
Bulgarien |
Art 27 Abs 2 DBA |
Antrag muss vor dem Ende des vierten, auf das Kj der Festsetzung der Abzugsteuer folgenden Jahres eingereicht werden |
Dänemark |
Art 46 Abs 3 DBA |
Frist beträgt vier Jahre nach Ablauf des Kj, in dem die Einkünfte bezogen wurden |
Frankreich |
Art 25b Abs 2 DBA |
Antrag muss vor dem Ende des vierten, auf das Kj der Zahlung der Einkünfte folgenden Jahres eingereicht werden |
Großbritannien |
Art 29 Abs 2 DBA |
Antrag muss vor dem Ende des vierten, auf das Steuerjahr der Festsetzung der Abzugsteuer folgenden Jahres eingereicht werden |
Irland |
Art 28 Abs 2 DBA |
Antrag muss vor dem Ende des vierten, auf das Kj der Festsetzung der Abzugsteuer folgenden Jahres eingereicht werden |
Norwegen |
Art 28 Abs 3 DBA |
Frist beträgt vier Jahre nach Ablauf des Kj, in dem die Einkünfte bezogen wurden |
Österreich |
Art 27 Abs 2 DBA |
Antrag muss vor dem Ende des vierten, auf das Kj der Festsetzung der Abzugsteuer folgenden Jahres e... |