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Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Das Unternehmen bzw der Unternehmer muss eine hinreichende, tatsächliche eigene Verfügungsmacht über die genutzte Einrichtung haben, wobei nicht erforderlich ist, dass die Einrichtung dem Unternehmen gehört (BFH BStBl II 1974, 327). Vorausgesetzt wird aber eine Rechtsposition, die ohne eigene Mitwirkung nicht ohne weiteres entzogen oder verändert werden kann (BFH BStBl II 1993, 462). Eine alleinige Verfügungsmacht über die Einrichtung ist nicht erforderlich; ein Anspruch auf Mitbenutzung reicht aus (BFH vom 05.04.2016, I B 99/15 nv). Vor Betreten der Einrichtung durchzuführende Kontrollmaßnahmen sind unschädlich (BFH BFH/NV 2005, 154). Allerdings reicht das bloße Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners nicht aus (BFH BStBl II 2008, 922). Die Verfügungsmacht muss nicht ausdrücklich vereinbart, rechtlich abgesichert oder lokal festgelegt sein (FG Bremen 1 K 68/12: nachfolgend im Ergebnis hinsichtlich Betriebsstätte zustimmend BFH BFHE 280,209).
Verfügungsmacht kann auch von Dritten abgeleitet werden (BFH BStBl II 1992, 937; 1993, 577), auf der Identität der handelnden Organe von überlassender und nutzender Gesellschaften (BFH BFHE 260, 209) oder der fortlaufenden nachhaltigen Überwachung in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers (BFH vom 23.03.2022, III R 35/20, BStBl II 2022, 844) beruhen. Ausreichend ist, wenn aufgrund allgemein rechtlicher Absicherung die Geschäftseinrichtung dem StPfl aus tatsächlichen Gründen jederzeit zur Nutzung zur Verfügung steht (BFH BFH/NV 2005, 154). Die bloße Mitbenutzungsmöglichkeit eines Raumes im Interesse eines anderen oder das bloße Tätigwerden in Räumlichkeiten des Vertragspartners reichen nicht aus (BFH BStBl II 1990, 166; 1993, 462). Bei einer unterbrochenen Tätigkeit müssen die Geschäftsräume jederzeit zur Verfügung stehen (BFH BStBl II 2007, 100).
Daher werden idR auch ausländische selbstständige Pflegekräfte, die im Haushalt der Pflegeperson untergebracht sind, dort keine Betriebsstätte unterhalten (Verfügungsmacht bleibt beim Auftraggeber).
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Einzelfälle
- Business-Center und sog Pool-Arbeitsplätze begründen keine Verfügungsmacht, wenn das Nutzungsrecht der geteilten Büroräume jeweils neu verschafft werden muss (vgl Ebert, IStR 2005, 534, 539).
- Kundenräume, die dem Unternehmen zur ständigen Nutzung während der Vertragslaufzeit für seine Tätigkeit zur Verfügung gestellt werden und bezüglich derer eine tatsächliche dauerhafte Mitbenutzungsmöglichkeit besteht, können auch dann eine Betriebsstätte begründen, wenn die Mitarbeiter des Unternehmens das Gelände erst nach vorheriger Kontrolle betreten dürfen und die Tätigkeit in einem ständig wechselnden Raum durchgeführt wird (BFH BFH/NV 2005, 154; vgl BFH BStBl II 1993, 462).
- Forschungseinrichtungen werden regelmäßig schon allein zur Know-how-Sicherung der alleinigen Verfügungsmacht unterstellt sein.
- Über ein Hotelzimmer besteht regelmäßig auch bei mehrmaliger Buchung keine Verfügungsmacht iSv § 12 AO (BFH BStBl II 1961, 317). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn dasselbe Hotelzimmer über einen Zeitraum von über sechs Monaten ununterbrochen gebucht wird.
- Hinreichende Verfügungsmacht über einen Server kann dann bestehen, wenn es sich um eine eigene Serverfarm oder einen sog dedizierten Server handelt.
- Solar- und Windkraftanlagen unterliegen regelmäßig der Verfügungsmacht des betreibenden Unternehmens und können somit Betriebsstätten darstellen (vgl IWB 2008, Fach 10 Gr 2, 2033, 2038f).
- Über eine verpachtete Tankstelle übt der Tankstellenwart und nicht das verpachtende Mineralölunternehmen die Verfügungsmacht aus (BFH BStBl II 2006, 84).
- Telearbeitsplätze unterliegen der Verfügungsmacht des Unternehmens und können bei dafür auf Dauer angemieteten Büroräumen eine Betriebsstätte begründen (Pasch/Utescher, BB 2001, 1660).
- Eine inländische Tochter-KapGes begründet keine Betriebsstätte, kann aber ständiger Vertreter sein (s Rn 66).
- Ein Warenlager unterliegt regelmäßig der Verfügungsmacht des ausländischen Unternehmens; eine Ausnahme besteht beim Betrieb durch einen externen Lagerhalter, der die Verfügungsmacht über die Waren ausübt.
- Die Beauftragung einer Management- oder Betriebsführungsgesellschaft kann eine Betriebsstätte begründen, wenn durch Personenidentität eine fortlaufende Überwachung ermöglicht wird oder in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers eine fortlaufende nachhaltige Überwachung erfolge (BFH vom 23.03.2022, III R 35/20, BStBl II 2022, 844 zur Gewerbesteuerpflicht einer Immobilien-GmbH bei Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft)