Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
a) Grundfall
Rn. 20
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Eine Schuld kann von einem Dritten
- durch Vertrag des Dritten (Übernehmer) mit dem Gläubiger (§ 414 BGB) oder
- unter Zustimmungsvorbehalt des Gläubigers durch Vertrag des Dritten (Übernehmer) mit dem Schuldner (§ 415 BGB)
in der Weise übernommen werden, dass der Übernehmer an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt. Verpflichtungen können einzeln, im Rahmen einer entgeltlichen Betriebsübertragung (§ 613a BGB) oder durch Ankauf aller Aktiva und Passiva eines Unternehmens (Asset Deal) übertragen werden.
Die befreiende Schuldübernahme ist das Gegenstück zur Abtretung, eine wirksame Schuldübernahme führt zu einem Schuldnerwechsel. Der bisherige Schuldner wird endgültig befreit. Dies hat gleichwohl nicht zur Folge, dass – wie im Falle der Novation – die ursprüngliche Forderung/Schuld erlischt und eine neue gegen den Übernehmer an deren Stelle tritt, sondern die(selbe) Forderung, die bisher gegen den Altschuldner gerichtet war, ist nunmehr gegen den Übernehmer gerichtet. Die Forderung ändert nicht ihren Inhalt, nur die Richtung (Larenz, Schuldrecht Bd I, § 35 Ia (14. Aufl. 1987)).
Rn. 21
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Ausstehende Gläubigergenehmigung: Solange der Gläubiger die Schuldübernahme (bei einem Schuldübernahmevertrag zwischen Übernehmer und Schuldner) nicht genehmigt hat bzw die Genehmigung verweigert, ist in der damit fehlgeschlagenen Schuldübernahme jedenfalls eine Erfüllungsübernahme (s Rn 31) zu sehen (§ 415 Abs 3 BGB). Der (Erfüllungs-)Übernehmer ist dem Schuldner gegenüber auch dann zur Befriedigung des Gläubigers verpflichtet, wenn dieser die Genehmigung verweigert, der Gläubiger selbst erwirbt keine Rechte.
b) Vertragsübernahme
Rn. 22
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Gesetzlich geregelt ist die Abtretung einzelner Forderungen (§§ 398ff BGB) sowie die Übernahme einzelner Schulden (§§ 414ff BGB), nicht hingegen die rechtgeschäftliche Übertragung eines Schuldverhältnisses im Ganzen, dh der Eintritt in ein inhaltlich unverändertes Vertragsverhältnis an die Stelle eines bisherigen Vertragspartners. Die Zulässigkeit der Vertragsübernahme ist gleichwohl unstreitig (zB BGH v 20.06.1985, IX ZR 173/84, NJW 1985, 252), ein praktisches Bedürfnis hierfür ist insb bei Unternehmensübernahmen offenkundig. Die Vertragsübernahme ist ein einheitliches Rechtsgeschäft, keine Kombination aus Abtretung und Schuldübernahme (BGH v 20.04.2005, XII ZR 29/02, NJW-RR 2005, 958). Mit der Vertragsübernahme gehen (neben Forderungen) aus dem Vertragsverhältnis resultierende Schulden umfänglich sowie inhaltlich unverändert auf den Übernehmer über. Als Verfügung über ein Schuldverhältnis bedarf sie der Zustimmung aller Beteiligten (dreiseitiger Vertrag oder Vertrag zwischen ausscheidender und eintretender Partei unter Zustimmung des anderen Teils, BGH v 27.11.1985, VIII ZR 316/84, NJW 1986, 918; BGH v 20.04.2005, XII ZR 29/02, NJW-RR 2005, 958; BGH v 20.01.2010, VIII ZR 84/09, NJW-RR 2010, 1095). Die Vorschriften zur Abtretung (§§ 398ff BGB) und Schuldübernahme (§§ 414ff BGB) sind entsprechend anzuwenden. Abweichend zur (temporär/dauerhaft) fehlgeschlagenen Schuldübernahme iS § 415 Abs 3 BGB (s Rn 21) ist in der (zB mangels Zustimmung der Gläubigerseite) fehlgeschlagenen Vertragsübernahme nicht zugleich eine Erfüllungsübernahme zu sehen, da der Übernehmer (zB eines Leasingvertrages) gerade nicht lediglich die Schulden erfüllen, sondern sich hierzu lediglich dann verpflichten will, wenn auch die Rechte aus dem Vertrag auf ihn übergehen (Larenz, Schuldrecht, Bd I, 14. Aufl 1987, § 35 III).
c) In-substance-defeasance-Gestaltungen: Schuldübernahme gegen Übertragung von Vermögenswerten
Rn. 23
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Sog "In-substance-defeasance"-Gestaltungen umfassen die unwiderrufliche Übernahme der Verpflichtung(en) eines Schuldners durch einen Dritten (idR eine Bank), der seinerseits dem Schuldner die frist- und betragsgerechte Bedienung fälliger Tilgungs- und Zinszahlungsforderungen garantiert. Zu diesem Zweck erhält der Dritte unwiderruflich entsprechende Aktiva (zB Bankguthaben/Wertpapiere) vom Originärschuldner, die die betrags- und fristenkongruente Bedienung der Tilgungs- und Zinszahlungen durch den Dritten gewährleisten (daneben eine Vergütung für dessen Sicherungsfunktion, im Einzelnen Küting/Pfuhl, DB 1989, 1245). Gestaltungen dieser Art zielen auf eine vorzeitige bilanzielle Schuldeneliminierung (zB aus Anleihen).
Nach deutschem Handels- und Steuerrecht wird dieses Ziel erreicht, wenn "In-substance-defeasance"-Gestaltungen als befreiende Schuldübernahme (§ 415 BGB) ausgestaltet sind und eine Gläubigergenehmigung vorliegt (IDW, HFA WPg 1989, 626; Winnefeld, Bilanzhandbuch, D 1571 (5. Aufl 2015)) oder ein Schuldbeitritt mit interner Erfüllungsübernahme vereinbart wird (BFH v 26.04.2012, IV R 43/09, BStBl II 2017, 1228). Werden in diesem Zuge sowohl Passiva mit stillen Lasten als auch Aktiva mit stillen Reserven übertragen, führt § 4f EStG zu asymmetrischen Besteuerungsfolgen: Mangels Saldierungsmöglichkeit (BMF v 30.11.2017, BStBl I 2017, 1619 Rz 17; im Einzelnen s Rn 66f) greift für die aufgedeckten stillen Lasten di...