Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
1. Tatbestände
Rn. 42
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
§ 4f Abs 1 S 1 EStG spricht zunächst das Transfersubstrat an, nämlich infolge eines Ansatzverbots, einer Ansatzbeschränkungen und/oder eines Bewertungsvorbehalts nicht oder nicht zum "vollen Wert" ausgewiesene Verpflichtungen (s Rn 43ff). Weiteres Tatbestandsmerkmal ist die Übertragung solcher Verpflichtungen unter Realisation stiller Lasten (s Rn 52ff).
a) Verpflichtungen
aa) Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterliegende Verpflichtungen
Rn. 43
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
§ 4f EStG adressiert Verpflichtungen (nur) dann, wenn diese einem Ansatzverbot, einer Ansatzbeschränkungen und/oder einem Bewertungsvorbehalt unterliegen. Tatbestandlich erfasst sind damit insb Verpflichtungen, die (mindestens) einer der folgenden Passivierungsbeschränkung unterliegen:
Ansatzverbote
Ansatzbeschränkungen
Bewertungsvorbehalte, zB
Rn. 44
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Handelsrechtliche versus rein steuerrechtliche Passivierungsbeschränkungen: Eine Passivierungsbeschränkung iS der Norm liegt nach BMF v 30.11.2017, BStBl I 2017, 1619 Rz 2 vor, wenn Verpflichtungen nach den Vorschriften des EStG/KStG nicht oder niedriger anzusetzen und zu bewerten sind als die für die Übernahme der Verpflichtung erhaltene Gegenleistung. Demnach sind alle im Steuerrecht eingreifenden Passivierungsbeschränkungen erfasst – neben solchen, die nur im Steuerrecht gelten auch solche, die im Handels- und Steuerrecht parallel gelten, einschließlich derer, die über den Grundsatz der Maßgeblichkeit handelsrechtlicher GoB gemäß § 5 Abs 1 EStG in das Steuerrecht transportiert werden. Die Gesetzesbegründung rekurriert allg auf Verbindlichkeiten, die "auf Grund einkommensteuerlicher Passvierungsbeschränkungen" nicht ausgewiesen werden oder mit geringeren Werten anzusetzen sind als in der HB (BT-Drucks 18/68, 73; BT-Drucks 17/13562, 9).
Im Gesetzeswortlaut hat sich keine Differenzierung der Passvierungsbeschränkungen nach deren Herkunft niedergeschlagen. Die Norm stellt allg darauf ab, dass Verpflichtungen (steuerlich) einer Passvierungsbeschränkung unterlegen haben, was auch der Fall ist, wenn insoweit ein Gleichlauf zwischen HB und StB besteht. Ausgehend vom Wortlaut und dem Ziel der Norm, die unmittelbare Steuerwirksamkeit der Aufdeckung steuerbilanzieller stiller Lasten (als Differenz zwischen Verkehrswert und Steuerbilanzwert der Verpflichtung) zu verhindern, sind alle Passivierungsbeschränkungen, dh auch solche ohne Abweichung zwischen HB und StB erfasst (vgl auch Prinz, Ubg 2013, 61 f; aA Dannecker/Rudolf, BB 2014, 2543; Förster/Staaden, Ubg 2014, 4; Schindler, GmbHR 2014, 561: vom Gesetzeswortlaut, nicht aber vom Zweck der Norm umfasst; ebenso Adrian/Fey, StuB 2018, 86 f; Weimer, die Hebung stiller Lasten in der Steuerbilanz, 2017, 171; Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz 11 (Oktober 2018); Krumm in Blümich, § 4f EStG Rz 21; Schober in H/H/R, § 4f EStG Rz 10 (August 2019)).
ab) Ursprünglich Verpflichteter
Rn. 45
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Ursprünglich Verpflichteter ist derjenige, in dessen Person eine passvierungsbeschränkte Verpflichtung erstmalig entstanden ist und der durch die Übertragung von der Verpflichtung befreit wird (Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz 14 (Oktober 2018)) in dem Sinne, dass die Verpflichtung nicht mehr bei ihm auszuweisen, Passvierungsbeschränkungen folglich nicht mehr bei ihm zu beachten sind. Nur bei Zurechnungswechsel der Schuld ist ein "ursprünglich Verpflichteter" vorhanden.
Rn. 46
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Mehrfachübertragungen: Wird eine Verpflichtung mehrfach übertragen, ist ebenfalls derjenige der "ursprünglich Verpflichtete", der die Schuld erstmalig begründet hat (BMF v 30.11.207, BStBl I 2017, 1619 Rz 9), nicht derjenige, dem als Zwischenerwerber die Schuld zwischenzeitlich zuzurechnen war. Wenngleich bei Mehrfachübertragungen unter fremden Dritten Informationsdefizite bzgl des Umfangs vormaliger Passivierungsbeschränkungen (insb bei Übernahme von Pensionsverpflichtungen) nicht ausgeschlossen sind (vgl Adrian/Fey, StuB 2018, 89), entspricht das Abstellen auf die erstmalige Begründung dem Zweck der Regelung, Passivierungsbeschränkungen bei Übertragung von Verpflichtungen zu erhalten (vgl Weber-Grellet, DB 2018, 665). Auch durch Mehrfachübertragungen ändert sich der Inhalt der Verpflichtung nicht. Da eine Informationspflicht des ursprünglich Verpflichteten nicht statuiert wird, werden Übernehmer idR Schattenwerte ermitteln müssen.
ac) Bestand der Verpflichtung am vorangegangenen Bilanzstichtag
Rn. 47
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Die Anwendbarkeit des § 4f EStG beim Übertragenden setzt nach Wertung der FinVerw voraus, dass die Verpflichtung bereits an dem der Übertragung vorangegangenen Bilanzstich...