Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
1. Ausnahmetatbestände
a) Veräußerung/Aufgabe ganzer Betriebe oder gesamter Mitunternehmeranteile (§ 4f Abs 1 S 3 EStG Alt 1)
Rn. 71
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Grundfall: Ausgenommen von der Aufwandsverteilung sind die im Zuge der Veräußerung bzw Aufgabe eines ganzen Betriebs oder eines gesamten Mitunternehmeranteils (einschließlich des gesamten Sonder-BV) realisierten stillen Lasten, da Gestaltungsmissbrauch bei Beendigung des unternehmerischen Engagements grds nicht im Raum steht.
Da die Übertragung von Mitunternehmeranteilen die zivilrechtliche Verpflichtung der Gesamthand unberührt lässt, wird zT vertreten, § 4f EStG komme für den Gesamthandsbereich insgesamt nicht zur Anwendung, sondern beschränke sich auf den Bereich des Sonder-BV (Schindler, GmbHR 2014, 564 f; Schindler in Kirchhof, § 4f EStG Rz 12 (19. Aufl 2020)). Bei Übertragung von Mitunternehmeranteilen kommt es aufgrund der transparenten Besteuerung zur Aufdeckung stiller Reserven und Lasten dem Mitunternehmer gemäß § 39 Abs 2 Nr 2 AO anteilig zuzurechnender (positiver und negativer) WG. Wenngleich der Erwerber zivilrechtlich nicht die Verpflichtung der Mitunternehmerschaft übernimmt, wechselt die anteilige steuerliche Zurechnung, so dass entsprechend des Transparenzprinzips auch die Anwendung des § 4f EStG einschließlich Anwendung der Ausnahmevorschrift sowohl für den Gesamthands- als auch für den Sonderbereich geboten ist (vgl auch Förster/Staaden, Ubg 2014, 5; Krumm in Blümich, § 4f EStG Rz 22 (Juli 2019)); da die PersGes zivilrechtlich verpflichtet bleibt, kommt eine Abbildung nur in der Ergänzungsbilanz des Übernehmenden, nicht in der Gesamthandsbilanz in Betracht (vgl Benz/Placke, DStR 2013, 2659; s § 15 EStG Rn 64 (Bitz)).
Übertragung von Teilmitunternehmeranteilen: Werden nur Teilmitunternehmeranteile übertragen, greift die Ausnahme nach § 4f Abs 1 S 3 EStG Alt 1 nicht ein (BMF v 30.11.2017, BStBl I 2017, 1619 Rz 20).
Rn. 72
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Erfolgswirksamkeit nicht verbrauchter § 4f EStG-Hinzurechnungen aus früheren VZ: Bestehen im Veräußerungs-/Aufgabezeitpunkt noch nicht zur Verrechnung gekommene Aufwendungen aus der Anwendung des § 4f EStG, ist dem Sinngehalt des § 4f Abs 1 S 3 EStG folgend bei Veräußerung/Aufgabe der noch nicht ausgeschöpfte Abzugsbetrag als Einmalaufwand außerbilanziell abzusetzen (Korn/Strahl, KÖSDI 2014, 18 749; Förster/Staaden, Ubg 2014, 7; Riedel Ubg 2014, 424; Weimer, Die Hebung stiller Lasten in der Steuerbilanz, 2017, 224 f).
Beispiel:
Der bilanzierende StPfl A überträgt in 01 eine passivierungsbeschränkte Verpflichtung entgeltlich auf die B GmbH AG. Bei A entsteht iH der Differenz aus Entgelt (TEUR 100) und wegfallendem Passivposten (TEUR 85) ein verteilungspflichtiger Aufwand (TEUR 15; zur Saldierung s Rn 66f). Dieser wirkt sich bei A in 01 lediglich zu 1/15 (TEUR 1) aus. In 02 veräußert A seinen Betrieb, die bisher nicht verbrauchten 14/15 (TEUR 14) werden in 02 vollständig steuerwirksam.
Dies ist sachgerecht, da eine Aufwandsstreckung insgesamt unterblieben wäre, wenn A unmittelbar in 01 veräußert hätte.
Rn. 73
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Umwandlungsvorgänge sind als Übertragungsvorgänge von § 4f EStG erfasst. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Ausnahmeregelung § 4f Abs 1 S 3 EStG Alt 1 gleichwohl in Umwandlungsfällen generell nicht zur Anwendung kommen. Die Gesetzesbegründung führt dazu aus,
Zitat
"Die Ausnahmeregelung gilt nicht, wenn die unternehmerische Tätigkeit aufgrund von Umwandlungsvorgängen nach dem UmwStG in anderer Rechtsform oder durch einen anderen Rechtsträger fortgesetzt wird" (BR-Drucks 740/13, 116).
Die FinVerw schweigt aktuell zu dieser Frage. Dem Gesetz selbst ist ein entsprechender Regelungswille nicht zu entnehmen. Tauschähnliche Umwandlungsvorgänge, die zu einem Rechtsträgerwechsel unter Aufdeckung stiller Reserven/Lasten führen, sind als rechtsgeschäftliche Veräußerungen zu beurteilen (BFH v 15.10.1997, I R 22/96, BStBl II 1998, 168; BMF v 11.11.2011, BStBl I 2011, 1313, Rz 00.02 sowie zB Horst, FR 2015, 825). Sie sind damit vom Grundtatbestand des § 4f Abs 1 S 1 EStG ebenso wie vom Ausnahmetatbestand des § 4f Abs 1 S 3 EStG erfasst (vgl Förster/Staaden, Ubg 2014, 7; Prinz/Otto, GmbHR 2018, 504; Kahle/Braun, FR 2018, 210; Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz 31ff (Oktober 2018); Krumm in Blümich, § 4f EStG Rz 34 (Juli 2019); Schober in H/H/R, § 4f EStG Rz 16 (August 2019); aA Merlan/Wecke, Ubg 2017, 256 f; Dommermuth in Kraft/Kanzler/Bäuml, § 4f EStG Rz 33 (6. Aufl 2021)).
Rn. 74–75
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
vorläufig frei
b) ArbG-Wechsel unter Mitnahme von Pensionsansprüchen (§ 4f Abs 1 S 2 EStG Alt 2)
Rn. 76
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Wechselt ein ArbN unter Mitnahme von Pensionsansprüchen zu einem anderen ArbG, wird also die Pensionsverpflichtung vom alten auf den neuen ArbG übertragen, kehrt § 4f EStG ebenfalls zur Grundsystematik zurück: unmittelbare Aufwandswirksamkeit realisierter stiller Lasten.
Da die Ausnahmeregel an den Vorgang des Wechsels zu einem neuen ArbG unter Mitnahme von Pensionsansprüchen anknüpft (nicht aber bestimmte übergehende ArbG-Verpflichtungen abschließend konkretisiert), greift die Ausnahme auch für (mit)übergehende weitere Verpflichtungen aus ...