Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
Rn. 52
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Nach überwiegend vertretener Auffassung im Schrifttum erfasst der Tatbestand der "Übertragung" einer Verpflichtung iS des § 4f Abs 1 EStG nur Vorgänge, in denen der Originärschuldner seine Schuldnerstellung zivilrechtlich verliert (zB Benz/Placke, DStR 2013, 2655; Korn/Strahl, KÖSDI 2014, 18 747; Förster/Staaden, Ubg 2014, 5; Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz 10 (Oktober 2018); Schober in H/H/R, § 4f EStG Rz 11 (August 2019)); die "wirtschaftlich Übertragung" einer Verpflichtung sei dagegen tatbestandlich erst durch § 4f Abs 2 EStG erfasst.
Diesem rein zivilrechtlichen Verständnis des steuerlichen Tatbestands der "Übertragung" ist nicht zu folgen. Wie regelmäßig, wenn steuerrechtliche Vorschiften tatbestandlich auf eine "Übertragung" abstellen, Bsp
- § 6 Abs 3 EStG: unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils
- § 6 Abs 4 EStG: unentgeltliche Übertragung von WG in das BV eines anderen StPfl
- § 6 Abs 5 S 3 EStG: Übertragung eines WG bei Mitunternehmerschaften
- § 6 Abs 6 EStG: Übertragung eines WG im Wege des Tauschs
- § 16 Abs 3 S 2 EStG: Übertragung von Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen, Einzel-WG im Zuge der Realteilung,
ist auch im Fall der Übertragung einer Verpflichtung iS des § 4f Abs 1 EStG nicht die Änderung der zivilrechtlichen Rechtszuständigkeit an einem (positiven/negativen) WG adressiert, sondern der Wechsel der personellen steuerlichen Zurechnung (zB zu § 6 Abs 5 EStG BFH v 18.06.2015, IV R 5/12, BStBl II 2015, 935: Übertragung setzt einen Wechsel des Rechtsträgers/Zurechnungswechsel voraus). Dieses Verständnis des Tatbestandsmerkmals der "Übertragung" ist auch vor dem Hintergrund sachgerecht, dass Ziel des § 4f EStG die (haushaltsschonende) Streckung realisierter stiller Lasten ist (s Rn 9), sich die Problematik der Aufwandsverteilung aber nur bei einem personellen Zurechnungswechsel der Schuld stellt.
Das Tatbestandsmerkmal der "Übertragung" zielt auch im Fall des § 4f EStG auf die Aufhebung der steuerlichen Subjektbindung stiller Lasten. Korrespondierend setzt § 5 Abs 7 EStG ("übernommene Verpflichtungen […] so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren gewesen wären") auf der Prämisse auf, dass ein Zurechnungswechsel der Schuld auf den Übernehmenden erfolgt ist. Ein vom allg Begriffsinhalt der "Übertragung" im Ertragsteuerrecht im Fall der Übertragung iS des § 4f EStG abweichendes, rein zivilrechtliches Verständnis des Tatbestandsmerkmals der Übertragung ist auch dem in § 4f Abs 1 EStG verwendeten Terminus der Schuldübernahme nicht zu entnehmen. Diesem ist vielmehr die Qualität eines Regelbeispiels für eine (Zurechnungswechsel auslösende) Übertragung beizumessen.
Ein Wechsel in der Zurechnung einer Verpflichtung erfolgt nicht nur im Fall der befreienden Schuldübernahme (s Rn 24), sondern desgleichen im Fall des gesamtschuldbegründenden Schuldbeitritts, soweit hier die interne Erfüllungsübernahme reicht (s Rn 27f). Der zum bilanziellen Übergang der Schuld auf den Übernehmer führende Schuldbeitritt ist vom Tatbestand der "Übertragung der Verpflichtung" miterfasst. Die bloße interne Erfüllungsübernahme ist mangels Zurechnungswechsel der Schuld (s Rn 22ff) dagegen tatbestandlich von § 4f Abs 1 EStG nicht erfasst. Da durch die Erfüllungsübernahme stille Lasten gerade nicht aufwandswirksam realisiert werden, dh kein verteilungsfähiger Aufwand vorhanden ist, kann die Erfüllungsübernahme (auch über § 4f Abs 2 EStG) die Rechtsfolge des § 4f EStG nicht auslösen (keine Aufwandsverteilung, s Rn 34, 90).
Rn. 53–56
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
vorläufig frei