Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
Rn. 9
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Den Regelungszweck konkretisiert die Gesetzesbegründung wie folgt (BT-Drucks 17/13562, 9): Die im Wege entgeltlicher Übertragung von Verpflichtungen mögliche steuerwirksame Realisation stiller Lasten (vgl BFH v 17.10.2007, I R 61/06, BStBl II 2008, 555; BFH v 26.04.2012, IV R 43/09, BStBl II 2017, 1228) führt zu "Steuerausfallrisiken in Milliardenhöhe", die es zu verhindern gilt. Zudem sollen durch die Rspr eröffnete, gleichwohl als missbräuchlich eingeordnete "steuergünstige Verschiebung von Verpflichtungen" zwischen verbundenen Unternehmen unterbunden werden. Die Regelung zielt darauf ab, dem "erheblichen Gestaltungspotenzial" entgegenzuwirken und die Rspr "in haushaltsverträglicher Weise" umzusetzen.
Rn. 10
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Der Gesetzgeber negiert die Realisationswertungen des BFH damit zwar nicht, setzt diese unter Hinnahme erheblicher Systembrüche aber nur ratierlich über einen Zeitraum von jeweils 15 Jahren um. Fiskalische Beweggründe tragen für sich genommen als rechtfertigender Sachgrund für eine solchermaßen systembrechende Norm nicht (vgl BVerfG v 09.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, HFR 2009, 74). Grundsätzlich tragend ist dagegen das (Lenkungs-)Ziel der Verhinderung steuerlicher Umgehungsstrategien (Missbrauchsabwehr, vgl BVerfG v 10.04.2018, 1 BvR 1236/11, BStBl II 2018, 303 zu § 7 S 2 Nr 2 GewStG). Die Konzeption der Norm ist gleichwohl nicht auf die zielgenaue Erfassung als missbräuchlich empfundener Gestaltungen ausgerichtet, sondern auch unter Berücksichtigung der Ausnahmetatbestände (s Rn 71ff) in ihrer Wirkung zielungenau. Missbrauchsgeleitete Tatbestandsmerkmale sind trotz erklärten Missbrauchsabwehrziels nicht vorhanden; gestaltungsvorbeugend wurde die Norm tatbestandlich vielmehr so weit gefasst, dass auch Fälle ohne jegliche Missbrauchsvermutung erfasst werden.
Die profiskalisch asymmetrische steuerliche Behandlung der Realisation (ua bereits zum Schutz des Steueraufkommens vom StPfl zwangsweise zu bildender) stiller Lasten (grds volle Sofortbesteuerung) und der Realisation stiller Reserven (grds keine Sofortberücksichtigung) zur Prolongation des Steueraufkommensschutzes ergänzt um die Aufgabe des Grundsatzes der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen auf Erwerberseite sind denkbar tiefste Einschnitte in die Systematik des Bilanzsteuerrechts und ein Höhepunkt maßgeblichkeits- und rechtsprechungsbrechender Gesetzgebung. Problematisch ist, dass die Leistungsfähigkeitsmessung durch die steuerliche Gewinnermittlung nicht mehr nur während des Bestehens passivierungsbeschränkter Verpflichtungen Schwächen aufweist, sondern diese auf VZ ausgedehnt werden, in denen die Verpflichtungen nicht mehr bestehen, sondern die finanzielle Leistungsfähigkeit als Folge der entgeltlichen Übertragung endgültig gemindert ist. Während dies in Fällen des Fortbestands einer Verpflichtung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl zu Jubiläumsrückstellungen BVerfG v 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BStBl II 2009, 685), wird dies für deren Prolongation für die Dauer von 15 Jahren über den Zeitpunkt des Wegfalls der Verpflichtung hinaus trotz eingetretener definitiver Belastungswirkung noch zu klären sein.
Rn. 11
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
vorläufig frei