Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
1. Abgrenzung
Rn. 30
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Der Erfüllungsübernahme liegt ein Vertrag zwischen Schuldner und (Erfüllungs-)Übernehmer zugrunde, durch den sich Letzterer verpflichtet, eine Verpflichtung des Schuldners zu erfüllen, ohne sie zu übernehmen. Im Gegensatz zur Schuldübernahme (s Rn 20) und zum Schuldbeitritt (s Rn 26) erwirbt der Gläubiger durch die Erfüllungsübernahme keine Rechte (zB Gottwald in MüKo BGB, § 329 Rz 1 (8. Aufl 2019)), der (Erfüllungs-)Übernehmer wird gegenüber dem Gläubiger nicht unmittelbar verpflichtet. Pflichtverletzungen des (Erfüllungs-)Übernehmers berechtigen nur den Originärschuldner als seinen Vertragspartner, nicht den Gläubiger zu Ersatzansprüchen. Die Erfüllungsübernahme ist ein sog unechter Vertrag zugunsten Dritter. Die Rechtswirkungen der Erfüllungsübernahme bleiben auf das Innenverhältnis zwischen Originärschuldner und (Erfüllungs-)Übernehmer beschränkt, das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Originärschuldner bleibt unberührt. Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 329 BGB ist bei Übernahme der Erfüllung einer Verpflichtung für einen Dritten im Zweifel nicht anzunehmen, dass dem Gläubiger ein Recht zusteht, vom Dritten Befriedigung der Verbindlichkeit zu verlangen. Der Gläubiger muss (zwingend) den Originärschuldner in Anspruch nehmen, er wird idR keine Kenntnis von der internen Erfüllungsübernahmevereinbarung haben.
Freistellungsanspruch des Originärschuldners: Die Erfüllungsübernahme begründet für den Originärschuldner im Innenverhältnis einen Freistellungsanspruch gegen den (Erfüllungs-)Übernehmer. Ist nichts Abweichendes vereinbart, erstreckt sich dieser Freistellungsanspruch inhaltlich nur auf den Umfang und die Höhe der Schuld zum Zeitpunkt der Erfüllungsübernahme, spätere Erweiterungen der Schuld wirken im Zweifel nicht zum Nachteil des Übernehmers (Gottwald in MüKo BGB, § 329 Rz 6 (8. Aufl 2019)). Die Freistellungsverpflichtung des (Erfüllungs-)Übernehmers tritt als eigenständige Verpflichtung neben die originäre Verpflichtung des Schuldners.
Verpflichtungsstruktur bei Erfüllungsübernahme
Rn. 31
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Fehlgeschlagene Schuldübernahme: Ist eine befreiende Schuldübernahme iSd §§ 414ff BGB beabsichtigt, steht die insoweit gemäß § 415 Abs 1 BGB erforderliche Zustimmung des Gläubigers aber noch aus oder verweigert der Gläubiger die Zustimmung, gilt die Schuldübernahme gemäß § 415 Abs 3 BGB iVm § 329 BGB als Erfüllungsübernahme (s Rn 21). Ohne Genehmigung durch den Gläubiger liegt (noch) keine Schuldübernahme, sondern lediglich ein Vorvertrag zu einer Schuldübernahme vor (Larenz, Schuldrecht, Bd 1, § 35 Ia (14. Aufl 1987)). Die Verpflichtung zur Erfüllungsübernahme entsteht unmittelbar mit Vertragsschluss; sie gilt, bis der Gläubiger die Schuldübernahme genehmigt, und bleibt auch bei Versagung der Genehmigung wirksam.
2. Schuldzurechnung
Rn. 32
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Die Frage der Schuldzurechnung im Fall der bloßen Erfüllungsübernahme ist streitig, die Beantwortung der Zurechnungsfrage aber entscheidend für die Anwendung des § 4f EStG (ebenso wie des § 5 Abs 7 EStG).
In der Beurteilung der Schuldzurechnung bei interner Erfüllungsübernahme hat die FinVerw eine drastische Kehrtwende vollzogen: Nachdem zunächst vertreten wurde, dass bei Vereinbarung einer (entgeltlichen) Erfüllungsübernahme iS § 329 BGB kein Zurechnungswechsel der Schuld vorliegt, sondern die Verpflichtung unverändert beim Originärschuldner auszuweisen ist, dieser mangels Übertragung keine stillen Lasten realisiert, sondern neben der Originärschuld eine Freistellungsforderung zu aktivieren ist und eine Saldierung auf Ansatz- ebenso wie auf Bewertungsebene ausgeschlossen ist (BMF v 24.6.2011, BStBl I 2001, 627, Rz 6, 8), legt die FinVerw (in Übereinstimmung mit der Abbildung der befreienden Schuldübernahme und des Schuldbeitritts) nunmehr auch der steuerlichen Beurteilung der Erfüllungsübernahme die Annahme eines Zurechnungswechsels der Schuld zugrunde. Der Originärschuldner realisiere folglich stille Lasten und habe weder die Originärschuld noch einen Freistellungsanspruch auszuweisen (BMF v 30.11.2017, BStBl 2017 I, 1619 Rz 24f). Auch im Schrifttum wird teilweise vertreten, die Vereinbarung einer Erfüllungsübernahme habe beim (Originär-)Schuldner und Freistellungsgläubiger den Wegfall der Verpflichtung zur Folge, die Aktivierung der Freistellungsforderung scheide zugleich aus (Hoffmann, StuB 2010, 166; Rätke, StuB 2011, 653: sonst "Aufblähung" der Bilanz; Hoffmann, StuB 2012, 1; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, § 246 HGB Rz 379 (12. Aufl 2021)). Die Ablehnung des Ausweises von Verpflichtung und Freistellungsforderung wird mit einer an das wirtschaftliche Eigentum auf der Aktivseite angelehnten wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf der Passivseite begründet, derzufolge die Last (Verbindlichkeit/Rückstellung) nur bei dem tatsächlich wirtschaftlich Verpflichteten bilanziell auszuweisen ist; parallel zur Behandlung einer Bürgschaft habe der Originärschuldner und Freistellungsberechtigte –...