Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
A. Struktur der Vorschrift
Rn. 1
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
§ 4f EStG ist eine Gewinnermittlungsvorschrift, durch die maßgeblichkeitsbrechend bei Übertragung von Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Passivierungsbeschränkungen (Ansatzverboten, -beschränkungen, Bewertungsvorbehalten) unterlegen haben, die Aufwandswirkung der Realisation stiller Lasten zeitlich gestreckt wird. Die Vorschrift ist nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip aufgebaut. Beim Übertragenden ist der Aufwand aus der entgeltlichen Übertragung einer Verpflichtung, die aufgrund eines Ansatzverbots nicht ausgewiesen bzw aufgrund einer Ansatzbeschränkung oder eines Bewertungsvorbehalts nicht zum vollen Wert ausgewiesen wird, im Grundsatz nur gleichmäßig verteilt über 15 Jahre als BA abziehbar (§ 4f Abs 1 S 1 EStG). Ist aufgrund des Wegfalls einer Verpflichtung ein Passivposten aufzulösen, konkretisiert § 4f Abs 1 S 2 EStG die Höhe des verteilungspflichtigen Aufwands (s Rn 66ff). Für folgende Ausnahmefälle (§ 4f Abs 1 S 3–6 EStG) sieht die Vorschrift die sofortige Abzugsfähigkeit realisierter stiller Lasten vor:
- Veräußerung oder Aufgabe des ganzen Betriebs oder des gesamten Mitunternehmeranteils (s Rn 71ff),
- ArbG-Wechsel unter Mitnahme der Pensionsanwartschaft einschließlich eines zugehörigen Deckungsvermögens (s Rn 76),
- Schuldübertragungen durch kleine und mittlere Unternehmen, die die Größenmerkmale des § 7g EStG nicht überschreiten (s Rn 77),
- Teilbetriebsveräußerung oder -aufgabe, wenn insgesamt ein Verlust entsteht (s Rn 78).
S 7 ordnet die Fortgeltung der Aufwandsverteilung nach S 1–6 auch für Rechtsnachfolger des ursprünglich Verpflichteten an (s Rn 84).
§ 4f Abs 1 EStG adressiert allg die "Übertragung von Verpflichtungen" (s Rn 43ff) unter Benennung der Schuldübernahme (s Rn 20ff). Abs 2 sieht die entsprechende Geltung der Vorschriften § 4f Abs 1 S 1, 2 u 7 EStG auch für den Schuldbeitritt (s Rn 26ff) und die Erfüllungsübernahme (s Rn 30ff) vor, ein Verweis auf die Ausnahmen nach S 3–6 erfolgt nicht (zu den Konsequenzen für Schuldbeitritt und Erfüllungsübernahme s Rn 85).
Rn. 2
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
§ 4f EStG für die Ebene des Übertragenden ist im Zusammenhang mit der Komplementärregelung § 5 Abs 7 EStG für die Ebene des Übernehmenden zu sehen. Im Übertragungszeitpunkt sind Aufwandsverteilung beim Übertragenden nach § 4f EStG und Ertragsverteilung beim Übernehmenden nach § 5 Abs 7 EStG zur Prolongation von Passivierungsverboten/-beschränkungen miteinander gekoppelt (zu § 5 Abs 7 EStG s §§ 4, 5 Rn 1480ff (Hoffmann)).
B. Rechtsentwicklung
Rn. 3
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
§ 4f EStG ist (in Verbindung mit § 5 Abs 7 EStG) eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rspr zur bilanziellen Abbildung einer entgeltlichen Übertragung/Übernahme bisher nicht bzw nicht zum vollen Wert passivierter Verpflichtungen. Die Regelung wurde iRd AIFM-StAnpG v 18.12.2013 (BGBl I 2013, 4318) in das EStG eingefügt.
Rn. 4
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Der BFH hat zT entgegen der Auffassung der FinVerw (vgl BMF v 24.06.2011, BStBl I 2011, 627) in mehreren Urteilen entschieden, dass
- mit der entgeltlichen Übertragung einer passivierungsbeschränkten Verpflichtung beim Übertragenden stille Lasten aufwandswirksam realisiert werden (BFH v 17.10.2007, I R 61/06, BStBl II 2008, 555 zu Verpflichtungen für Jubiläumszuwendungen und drohenden Verlusten aus schwebenden Geschäften bei Betriebsveräußerung; BFH v 26.04.2012, IV R 43/09, BFH/NV 2012, 1248 zur Übertragung von Pensionsverpflichtungen im Wege des Schuldbeitritts) und
- beim Übernehmenden das Gebot der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen gilt, dh erworbene Verpflichtungen zu "AK" zu bewerten sind und infolge eingetretener Realisation stiller Lasten für Ansatz- und Bewertungsbeschränkungen, die auf Ebene des Übertragenden zur Anwendung kamen, beim Übernehmenden kein Raum mehr ist (BFH v 16.12.2009, I R 102/08, BStBl II 201, 566 zu "angeschafften" Drohverlusten; BFH v 14.12.2011, I R 72/10, BFH/NV 2012, 635 zur befreienden Schuldübernahme von Jubiläumsverpflichtungen; BFH v 12.12.2012, I R 69/11, BStBl II 2017, 1232 zu im Wege entgeltlicher Vertragsübernahme "angeschaffter" Pensionsrückstellungen).
§ 4f EStG richtet sich gegen die Entscheidung des BFH v 26.04.2012, IV R 43/09, BStBl I 2017, 1228 folgenden Inhalts:
Beispiel:
Eine KG (Streitpartei vor dem BFH) hatte eine Pensionsrückstellung nach § 6a EStG in Höhe von TEUR 234 gebildet. Sie übertrug diese Verpflichtung an eine konzerneigene GmbH und bezahlte hierfür an diese einen "Übernahmepreis" iH von TEUR 310. Dieser Betrag entsprach dem Barwert der Verpflichtung. Die KG löste die Pensionsrückstellung gewinnerhöhend auf und verbuchte die Gegenleistung TEUR 310 TEUR im Aufwand.
Der Saldo aus Gegenleistung und Bilanzansatz spiegelt die Unterbewertung der Pensionsverpflichtung nach § 6a EStG wider. Durch die Übertragung wurde die stille Last in Höhe von TEUR 76 sofort realisiert. Diese Aufwandsrealisation ist nach § 4f EStG auf 15 Jahre zu verteilen.
Rn. 5
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Im Ursprung war eine Beschrän...