Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
A. Verpflichtungsstruktur
Rn. 17
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Die Übernahme betrieblicher Schulden im Wege von Unternehmensverkäufen, Umstrukturierungen oder einzelvertraglichen Vereinbarungen gehört zu den Standardfällen betrieblicher Praxis. Eine befreiende Schuldübernahme iSd § 414 BGB, dh ein Schuldnerwechsel, ist (im Gegensatz zu einem Gläubigerwechsel) durch die mögliche Benachteiligung des Gläubigers rechtlich wirksam nicht ohne dessen Mitwirkung möglich. Lehnt der Gläubiger eine Mitwirkung ab oder ist eine Außenhaftung/Außenwahrnehmung des Übernehmers unerwünscht, kann eine Schuldentlastung auch durch Vereinbarung einer (internen) Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB) erreicht werden. Als hybrides Bindeglied zwischen den gesetzlich geregelten Instrumenten Schuldübernahme und Erfüllungsübernahme fungiert der gesetzlich nicht geregelte Schuldbeitritt (auch Schuldmitübernahme, kumulative Schuldübernahme), durch den im Außenverhältnis ein Gesamtschuldverhältnis begründet wird, das im Innenverhältnis gleichwohl variable Vereinbarungen bzgl der Lastentragung zulässt (erstmals RG v 14.11.1904, VI 12/04, RGZ 59, 232). Zur Schuldbefreiung wird der Schuldbeitritt typischerweise mit einer internen Erfüllungsübernahme kombiniert.
Rn. 18
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Nachfolgende Abbildung verdeutlicht die Verpflichtungsstruktur, dh jeweils die rechtliche Verpflichtung im Außenverhältnis sowie die partiell oder vollständig davon abweichende wirtschaftliche Verpflichtung im Innenverhältnis. Insb die bilanzielle Behandlung der Erfüllungsübernahme und deren Konsequenzen iRd § 4f EStG sind strittig (s Rn 33 f, 85, 90). Insoweit bestehen wesentliche Parallelen zur Verpflichtungsstruktur bei treuhänderischer Begründung von Schulden; zum Vergleich sind Treuhandschulden mit abgebildet.
Verpflichtungsstruktur wesentlicher Schuldbefreiungs-/Schuldentlastungsinstrumente im Vergleich zu Treuhandschulden
Rn. 19
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
vorläufig frei
B. (Befreiende) Schuldübernahme (§§ 414ff BGB)
1. Abgrenzung
a) Grundfall
Rn. 20
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Eine Schuld kann von einem Dritten
- durch Vertrag des Dritten (Übernehmer) mit dem Gläubiger (§ 414 BGB) oder
- unter Zustimmungsvorbehalt des Gläubigers durch Vertrag des Dritten (Übernehmer) mit dem Schuldner (§ 415 BGB)
in der Weise übernommen werden, dass der Übernehmer an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt. Verpflichtungen können einzeln, im Rahmen einer entgeltlichen Betriebsübertragung (§ 613a BGB) oder durch Ankauf aller Aktiva und Passiva eines Unternehmens (Asset Deal) übertragen werden.
Die befreiende Schuldübernahme ist das Gegenstück zur Abtretung, eine wirksame Schuldübernahme führt zu einem Schuldnerwechsel. Der bisherige Schuldner wird endgültig befreit. Dies hat gleichwohl nicht zur Folge, dass – wie im Falle der Novation – die ursprüngliche Forderung/Schuld erlischt und eine neue gegen den Übernehmer an deren Stelle tritt, sondern die(selbe) Forderung, die bisher gegen den Altschuldner gerichtet war, ist nunmehr gegen den Übernehmer gerichtet. Die Forderung ändert nicht ihren Inhalt, nur die Richtung (Larenz, Schuldrecht Bd I, § 35 Ia (14. Aufl. 1987)).
Rn. 21
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Ausstehende Gläubigergenehmigung: Solange der Gläubiger die Schuldübernahme (bei einem Schuldübernahmevertrag zwischen Übernehmer und Schuldner) nicht genehmigt hat bzw die Genehmigung verweigert, ist in der damit fehlgeschlagenen Schuldübernahme jedenfalls eine Erfüllungsübernahme (s Rn 31) zu sehen (§ 415 Abs 3 BGB). Der (Erfüllungs-)Übernehmer ist dem Schuldner gegenüber auch dann zur Befriedigung des Gläubigers verpflichtet, wenn dieser die Genehmigung verweigert, der Gläubiger selbst erwirbt keine Rechte.
b) Vertragsübernahme
Rn. 22
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Gesetzlich geregelt ist die Abtretung einzelner Forderungen (§§ 398ff BGB) sowie die Übernahme einzelner Schulden (§§ 414ff BGB), nicht hingegen die rechtgeschäftliche Übertragung eines Schuldverhältnisses im Ganzen, dh der Eintritt in ein inhaltlich unverändertes Vertragsverhältnis an die Stelle eines bisherigen Vertragspartners. Die Zulässigkeit der Vertragsübernahme ist gleichwohl unstreitig (zB BGH v 20.06.1985, IX ZR 173/84, NJW 1985, 252), ein praktisches Bedürfnis hierfür ist insb bei Unternehmensübernahmen offenkundig. Die Vertragsübernahme ist ein einheitliches Rechtsgeschäft, keine Kombination aus Abtretung und Schuldübernahme (BGH v 20.04.2005, XII ZR 29/02, NJW-RR 2005, 958). Mit der Vertragsübernahme gehen (neben Forderungen) aus dem Vertragsverhältnis resultierende Schulden umfänglich sowie inhaltlich unverändert auf den Übernehmer über. Als Verfügung über ein Schuldverhältnis bedarf sie der Zustimmung aller Beteiligten (dreiseitiger Vertrag oder Vertrag zwischen ausscheidender und eintretender Partei unter Zustimmung des anderen Teils, BGH v 27.11.1985, VIII ZR 316/84, NJW 1986, 918; BGH v 20.04.2005, XII ZR 29/02, NJW-RR 2005, 958; BGH v 20.01.2010, VIII ZR 84/09, NJW-RR 2010, 1095). Die Vorschriften zur Abtretung (§§ 398ff BGB) und Schuldübernahme (§§ 414ff BGB) sind entsprechend anzuwenden. Abweichend zur (temporär/dauerhaft)...