Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
ba) Veräußerung/Entnahme, Verlagerung in Nicht-EU-/EWR-Ausland, verdeckte Einlage in KapGes (§ 36 Abs 5 S 4 Nr 1 EStG)
Rn. 76
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Veräußerung von WG: Der Ausgleichsposten ist (korrespondierend mit Art 4 Abs 4 Buchst a ATAD) aufzulösen bei Veräußerung eines WG. Mit einer (unbedingten) Veräußerung wird ein (echter) Realisationstatbestand ausgelöst. Mit tatsächlicher Realisation der stillen Reserven durch einen Veräußerungsvorgang ist der wesentliche Zweck des Ausgleichspostens, dem Liquiditätsnachteil des StPfl infolge der zuvor lediglich fingierten Realisation Rechnung zu tragen (s Rn 6), entfallen. Die Bestimmung des Veräußerungs-/Realisationszeitpunkts und damit der Beendigung der Streckung der Besteuerung zuvor bereits entstrickter stiller Reserven richtet sich im Veräußerungsfall grds danach, wann das wirtschaftliche Eigentum gegen Entgelt auf den Erwerber übergeht, dh die personelle Zurechnung wechselt (zB BFH v 25.01.1996, IV R 114/94, BStBl II 1997, 382; BFH v 10.03.1988, IV R 226/85, BStBl II 1988, 832 mwN; BFH v 15.03.20054, X R 2/02, BFH/NV 2005, 1292; zum Zurechnungswechsel s §§ 4, 5 Rn 39 ff, 170 ff zu Immobilien, 187 ff zu Forderungen, 189b ff zu beweglichen WG (Briesemeister)).
Entnahme von WG: Folgt der fiktiven Entnahme iS 4 Abs 1 S 3 EStG, die zur Entstrickung und Ausgleichspostenbildung nach § 4g Abs 1 EStG geführt hat, eine tatsächliche Entnahme des WG nach, dh scheidet das WG durch einen Entnahmevorgang aus dem BV des StPfl aus (s §§ 4, 5 Rn 204ff (Briesemeister)), besteht für eine fortgesetzte Streckung der Besteuerung aufgedeckter stiller Reserven ebenfalls kein Anlass mehr. Die steuerliche Erfassung von Sachentnahmen (§ 4 Abs 1 EStG) zum Teilwert (§ 6 Abs 1 Nr 4 S 1 EStG) als gesetzlich angeordneter unechter – nicht auf einem Verwertungsakt beruhender – Realisationsvorgang verhindert grds eine steuerneutrale Entstrickung in der betrieblichen Sphäre gebildeter stiller Reserven/Lasten (BFH v 07.10.1974, GrS 1/73, BStBl II 1975, 168; BFH v 10.11.2004, XI R 31/03, BStBl II 2005, 334; BFH v 16.06.2004, BStBl II 2005, 378), sie führt bei vorausgegangener Entstrickung wegen fiktiver Entnahme folgerichtig zur sofortigen gewinnerhöhenden Auflösung eines (Rest-)Ausgleichspostens.
Verlagerung von WG in Nicht-EU-/EWR-Ausland: Mit dem Ausscheiden eines WG aus der Besteuerungshoheit der EU/des EWR infolge Verlagerung in einen Drittstaat können europarechtliche Bedenken gegen die Sofortbesteuerung stiller Reserven (s Rn 6) nicht mehr eingreifen. Konsequenterweise ist der Ausgleichsposten in diesem Fall aufzulösen (bspw im Fall der Verlagerung eines WG von einer spanischen in eine US-Betriebsstätte). Im Gegensatz zu § 4g Abs S 2 Nr 1 EStG aF, der lediglich auf das "Ausscheiden aus der Besteuerungshoheit aus der EU" abstellte (was zur Diskussion führte, ob auch ein passives Ausscheiden ohne Zutun des StPfl tatbestandserfüllend war), verlangt § 4g Abs 2 S 2 EStG iVm § 36 Abs 5 S 4 Nr 1 EStG, dass
Zitat
"ein Wirtschaftsgut […] verlagert […] wird",
dh ein aktives Handels des StPfl. Nicht tatbestandauslösend ist ferner, wenn ein WG nach Überführung in eine EU-/EWR-Betriebsstätte in eine andere Betriebsstätte innerhalb der EU/des EWR weiterüberführt wird. Dies wäre nur dann schädlich, wenn bei direkter Überführung mangels qualifizierter Betriebsstätte (s Rn 32) kein Ausgleichsposten gebildet werden könnte.
Beispiel:
Der inländische Tunnelbauer T überführt in 01 eine Tunnelbaumaschine (mit stillen Reserven) vom inländischen Stammhaus für ein umfangreiches Bohrungsprojekt nach Tirol (Österreich). Nach Beendigung dieses Projektes in 03 verbringt T die Maschine zu einer anderen Tunnelbohrung nach Südtirol (Italien). Der Ausgleichsposten ist planmäßig weiterzuführen.
Verdeckte Einlage von WG in KapGes: Schädlich ist vor dem Hintergrund des damit bewirkten Rechtsträgerwechsels auch die zum Teilwert zu bewertende verdeckte Einlage in eine KapGes (R 8.9 KStR 2015).
Die planmäßige ebenso wie außerplanmäßige Abnutzung des Anlagegutes zieht keine vorzeitige Auflösung des Ausgleichspostens nach sich.
Rn. 77–79
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
vorläufig frei
bb) Einstellung, Veräußerung oder Verlagerung von (Teil-)Betrieben in Nicht-EU-/EWR-Ausland (§ 36 Abs 5 S 4 Nr 2 EStG)
Rn. 80
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
§ 36 Abs 5 S 4 Nr 2 EStG weist die Veräußerung von Betrieben oder Teilbetrieben ebenso wie deren (aktive) Verlagerung in einen Nicht-EU-/EWR-Staat iS § 36 Abs 5 S 1 EStG als schädliche Ereignisse aus. Dies gilt gleichermaßen bei Beendigung des unternehmerischen Engagements durch Einstellung von Betrieben/Teilbetrieben. § 16 Abs 3a EStG iVm § 36 Abs 5 Nr 2 EStG (Widerruf der Stundung) gehen hier § 4g EStG vor (vgl Wied in Blümich, § 4g EStG Rz 6 (März 2021)).
Rn. 81–85
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
vorläufig frei
bc) Ausscheiden aus der unbeschränkten StPfl im Inland/EU-/EWR-Ausland, Begründung der Ansässigkeit in Nicht-EU-/EWR-Staat (§ 36 Abs 5 S 4 Nr 3 EStG)
Rn. 86
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Korrespondierend zu Art 5 Abs 4 Buchs c ATAD führt die Verlagerung der Ansässigkeit des StPfl in einen Staat außerhalb der EU/des EWR, der mit der Verlagerung der WG einhergeht, zur sofortigen gewinnwirksamen Auflösung des Ausgleichspostens. Ebenso wie die Sitzverlegung in einen Drittstaat a priori nicht zur Bildung eines Ausgleichspostens berechtigt (s Rn 33), führt diese während der fünfjährigen Regelauf...