Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
1. Anzeigepflicht (§ 4g Abs 5 S 1 EStG)
Rn. 120
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Der StPfl wird mit § 4g Abs 5 S 1 EStG unabhängig von der Gewinnermittlungsart verpflichtet, der zuständigen FinBeh Entnahmen sowie schädliche Ereignisse iS des § 4g Abs 2 EStG unverzüglich mitzuteilen.
Anzeigepflichtige Entnahme ist ungeachtet des undifferenzierten Wortlauts der Norm nicht jede Entnahme iS des § 4 Abs 1 S 2, 3 EStG. Anzeigepflichtig sind entsprechend des systematischen Zusammenhangs, der Normüberschrift sowie des Sinn und Zwecks der Vorschrift lediglich qualifizierte fiktive Entnahmen iS § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw § 12 Abs 1 KStG (s Rn 23ff), für die das Ausgleichspostenwahlrecht in Anspruch genommen wird (ebenso Wied in Blümich, § 4g EStG Rz 25 (März 2021); Endert in Frotscher/Geurts, § 4 g EStG Rz 40 (Oktober 2020); aA Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz 45 (Februar 2021): alle Entnahmen iS § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw § 12 Abs 1 KStG). Die Beschränkung auf solchermaßen qualifizierte Entnahmen ergibt sich sachlogisch auch aus der Sanktionierung des Anzeigepflichtverstoßes (sofortige Auflösung des Ausgleichspostens, s Rn 124). Erfolgt die Anzeige nicht oder nicht rechtzeitig, scheidet mit Anordnung der sofortigen Auflösung praktisch bereits die wirksame Bildung des Ausgleichspostens aus.
Anzeigepflichtige schädliche Ereignisse sind alle Ereignisse, die § 4g Abs 2 S 2 Hs 1 EStG mit Verweis auf § 36 Abs 5 S 4 EStG in Bezug nimmt (s Rn 76ff), nicht aber die zum Sicherheitenanspruch der Finbeh führende Gefährdung des Steueranspruchs aus der Auflösung des Ausgleichspostens iS § 4g Abs 2 S 2 Hs 2 EStG, da die Beweislast insoweit beim FA liegt (s Rn 97). Hintergründe der besonderen, über die nach § 90 AO hinausgehenden Mitwirkungspflichten bzgl schädlicher Ereignisse iS § 4g Abs 2 S 2 Hs 1 EStG iVm § 36 Abs 5 S 4 EStG sind die fehlende sachliche Zuständigkeit sowie die mangelnden Überwachungsmöglichkeiten der deutschen FinVerw auch im EU-/EWR-Ausland. Der weitere Werdegang der überführten WG, für die ein Ausgleichsposten beansprucht wurde, ist durch den StPfl transparent zu machen. Im Übrigen treffen den StPfl die allg Mitwirkungspflichten des § 90 AO, demgemäß sämtliche für die Besteuerung erheblichen Tatbestände offenzulegen und bekannte Beweismittel anzugeben sind.
WG-Bezug der Anzeigepflicht: Die Pflicht zur Anzeige von Entnahme sowie schädlicher Ereignisse besteht – ebenso wie der Sanktionsmechanismus (s Rn 124) – WG-bezogen.
Unverzügliche Anzeige: Die Anzeigepflichten sind gemäß § 4g Abs 5 S 1 EStG grds unverzüglich zu erfüllen. Unverzüglich meint "ohne schuldhaftes Zögern" (vgl § 121 Abs 1 S 1 BGB), spätestens aber im Grundsatz zwei Wochen nach qualifizierter fiktiver Entnahme bzw Eintritt eines schädlichen Ereignisses, wenn keine besonderen Umstände vorliegen (vgl Armbrüster in MüKo BGB, § 121 BGB Rz 7 (8. Aufl 2018)). Die Beweislast für die Frage, ob die Anzeige unverzüglich erfolgte, trägt der StPfl. Erklärungspflichtigen StPfl wird mit ATADUmsG durch Verweis auf § 36 Abs 5 S 8 EStG in § 4g Abs 5 S 3 EStG die vereinfachende Möglichkeit eingeräumt, ein Ereignis, das die sofortige Auflösung des Ausgleichspostens auslöst, anstatt "unverzüglich" (§ 4g Abs 5 S 1 EStG) erst iRd nächsten Steuererklärung anzuzeigen (BT-Drucks 19/28652, 34).
Rn. 121–123
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
vorläufig frei
2. Sanktionen bei Verstoß gegen Anzeige-/Aufzeichnungs-/Mitwirkungspflichten (§ 4g Abs 5 S 2 EStG)
Rn. 124
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Gewinnerhöhende Auflösung des Ausgleichspostens: § 4g Abs 5 S 2 EStG ordnet die gewinnerhöhende Auflösung des Ausgleichspostens an, wenn der StPfl
- gegen die Anzeigepflicht nach § 4g Abs 5 S 1 EStG verstößt (s Rn 120),
- gegen die besonderen Aufzeichnungspflichten in Fällen der Gewinnermittlung durch EÜR gemäß § 4g Abs 4 S 2–4 EStG verstößt (s Rn 107ff) oder
- den Mitwirkungspflichten gemäß § 90 AO im Zusammenhang mit einem qualifizierten fiktiven Entnahmevorgang nicht nach nachkommt.
WG-bezogener Sanktionsmechanismus: Die Sanktionierung greift nach Wortlaut und Logik des § 4g Abs 5 S 2 EStG nur WG, für die ein Ausgleichsposten gebildet wurde und für die eine Pflichtverletzung vorliegt ("Ausgleichsposten dieses WG gewinnerhöhend aufzulösen"). Verstößt der StPfl in anderem Zusammenhang gegen Mitwirkungspflichten iS des § 90 AO, dh sind Sachverhalte/WG betroffen, für die ein Ausgleichsposten nicht gebildet werden durfte/nicht gebildet wurde, bleiben die Ausgleichsposten unberührt.
Auflösungszeitpunkt: Zum Auflösungszeitpunkt trifft das Gesetz keine Aussage. Aus dem Gesamtzusammenhang ist zu schließen, dass die Auflösung nicht rückwirkend zu erfolgen hat, sondern der Ausgleichsposten im VZ des Pflichtverstoßes aufzulösen ist (vgl Endert in Frotscher/Geurts, § 4g EStG Rz 42). Mit den Auflösungsanordnung des § 4g Abs 2 S 2 u Abs 5 S 2 EStG liegt bzgl schädlicher Ereignisse iS § 36 Abs 4 S 4 EStG eine unschöne Doppelregelung vor:
wird eine Auflösungspflicht statuiert.
Mit der Nichterfüllung de...