Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
Rn. 23
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
§ 4 Abs 1 S 2–4 EStG, § 12 Abs 1 KStG: Die Anwendung des § 4g EStG setzt tatbestandlich die Beschränkung oder den Ausschluss des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 4 Abs 1 S 3 EStG (einschließlich dessen Ergänzung durch das Regelbeispiel in § 4 Abs 1 S 4 EStG) hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines WG voraus und kommt desgleichen zur Anwendung bei Eingreifen der Veräußerungsfiktion gemäß § 12 Abs 1 S 1 Hs 1 KStG. Nicht erfasst ist der Gewinn aus der Nutzungsüberlassung eines WG, die gemäß § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw § 12 Abs 1 S 1 Hs 1 KStG als fiktive Nutzungsentnahme besteuert wird (dazu s §§ 4, 5 Rn 263ff (Briesemeister)). § 4g Abs 1 S 1 EStG adressiert nur die fiktive Sachentnahme, nicht die fiktive Nutzungsentnahme, es bleibt damit bei der Sofortversteuerung von Nutzungsentnahmen (vgl Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 1133, 134; Hallerbach in Kraft/Kanzler, § 4g EStG Rz 15 (Januar 2021)). Die Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG scheidet desgleichen aus bei tatsächlichen Entnahmen nach § 4 Abs 1 S 2 EStG.
§ 6 Abs 5 EStG: Bei Buchwertfortführung nach § 6 Abs 5 EStG (Überführung eines Einzel-WG in ein "anderes BV desselben StPfl") besteht für eine Ausgleichspostenbildung nach § 4g EStG kein Bedarf. Eine steuerneutrale Buchwertfortführung nach § 6 Abs 5 EStG scheidet allerdings aus, wenn das WG in eine ausländische Betriebsstätte desselben StPfl überführt wird, wie der Verweis auf § 4 Abs 1 S 4 EStG in § 6 Abs 5 S 1 EStG klarstellt. Bei der Betriebsstätte handelt es sich um einen Bestandteil des(selben) BV des StPfl, nicht um ein "anderes BV des StPfl", das § 6 Abs 5 EStG tatbestandlich voraussetzt. Wird Sonder-BV eines Gesellschafters einer PersGes in eine ausländische EU-/EWR-Betriebsstätte der PersGes überführt und behält dort den Status als Sonder-BV, liegt noch immer "dasselbe BV" vor. Mit der eingreifenden Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs 1 S 3, 4 EStG ist auch der Anwendungsbereich des § 4g EStG eröffnet (Reddig in Kirchhof/Seer, § 4g EStG Rz 7, 14 (21. Aufl 2021); Kolbe in H/H/R, § 4g Rz 19 (Februar 2021)). Zur Anwendung des § 4g EStG bei PersGes s Rn 11.
§ 16 Abs 3 S 2 Hs 2 EStG: § 16 Abs 3 S 2 HS 2 EStG erklärt § 4 Abs 1 S 4 EStG für entsprechend anwendbar. Werden im Rahmen einer Realteilung einer Mitunternehmerschaft WG in eine EU-/EWR-Betriebsstätte überführt, hat dies entsprechend des Verweises auf § 4 Abs 1 S 4 EStG insoweit eine Zwangsentstrickung, dh die Aufdeckung stiller Reserven zur Konsequenz. § 4g EStG ist hier WG-bezogen zur Anwendung zu bringen (Scheunemann/Dennisen, BB 2011, 220, 222; Geissler in H/H/R, § 16 Rz 20 (Januar 2019); Kulosa in H/H/R, § 16 EStG Rz 551 (August 2021); Bodden in Korn, § 4g EStG Rz 11 (September 2019); hiervon ist insb nach Streichung des § 4g EStG-Tatbestandsmerkmals "Zuordnung des WG zu einer Betriebsstätte desselben StPfl" im Zuge des ATADUmsG auszugehen.
§ 16 Abs 3a EStG: Bzgl des fiktiven Aufgabegewinns aus (Teil-)Betriebsverlegungen, für die § 4 Abs 1 S 4 EStG ebenfalls für anwendbar erklärt wird, trifft § 16 Abs 3a EStG iVm § 36 Abs 5 EStG angelehnt an die auf Einzel-WG bezogene Regelung des § 4g EStG, technisch aber als Stundungsregel ausgestaltet, die Sonderregel, dass die durch die grenzüberschreitende (Teil-)Betriebsverlegung ausgelöste Steuer unter den in § 35 Abs 5 EStG bezeichneten Voraussetzungen auf Antrag in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden kann (zinslose Stundung).
§ 1 Abs 5 AStG: § 4g EStG kann auch iRd Einkünftekorrektur nach § 1 Abs 5 AStG zur Anwendung kommen, gilt hier aber nicht entsprechend, sondern greift nur ein, wenn die Voraussetzungen des § 4g EStG iVm der Entstrickungsnorm § 4 Abs 1 S 3 EStG oder § 12 Abs 1 KStG vorliegen (Nientimp in Fuhrmann, § 1 AStG Rz 560 (2. Aufl 2017)). Die neben § 4 Abs 1 S 3 EStG parallele Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs 5 AStG schränkt die Möglichkeit zur Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG nicht ein (§ 1 Abs 5 S 6 AStG).
UmwStG: Die Steuerbelastungswirkung durch Realisationstatbestände iS des UmwStG ausgelöste Gewinne ist gemäß § 4g Abs 1 S 5 EStG nicht durch Bildung und ratierliche Auflösung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG streckbar. Die Vorschriften § 4 Abs 1 S 3 EStG, § 12 Abs 1 KStG erfassen Vorgänge ohne Rechtsträgerwechsel, die Vorschriften des UmwStG knüpfen dagegen an einen Rechtsträgerwechsel in Bezug auf bestimmte betriebliche Einheiten an, so dass ein Konkurrenzverhältnis grds nicht besteht (vgl Kahle/Eichholz, FR 2015, 7, 10; Bodden in Korn, § 4g EStG Rz 12 (September 2019); Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz 8 (Februar 2021)). Die jüngste Rspr des EuGH zur Einbringung einer Anrechnungsbetriebsstätte in eine ausländische KapGes (EuGH v 23.11.2017, C-292/16, A Oy, IStR 2018, 32) macht gleichwohl insb für Fälle des § 20 Abs 2 S 2 Nr 3 UmwStG eine europarechtskonforme Rechtsfortbildung, dh Anpassung des UmwStG analog zu § 4g EStG respektive eine Erweiterung des § 4g EStG erforderl...