Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 180
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Der durch das JStG 2009 erstmals eingeführte und 2013 durch das AmtshilfeRLUmsG revidierte § 50d Abs 10 EStG betrifft die abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen bei grenzüberschreitenden Mitunternehmerschaften und stellt ein weiteres Bsp für eine rechtsprechungsbrechende Regelung dar, mit der der Gesetzgeber auf missliebige Rspr des BFH reagiert. In beiden gesetzlichen Versionen geht es im Kern um die Frage, inwieweit die das deutsche Mitunternehmerkonzept bei der Anwendung abkommensrechtlicher Regelungen Beachtung zu finden hat.
Im deutschen Steuerrecht ist die PersGes als solche trotz zivilrechtlicher (Teil-)Rechtsfähigkeit weder estpfl noch kstpfl, vielmehr wird das von einer PersGes erzielte Ergebnis den einzelnen Mitunternehmern als originär eigene Einkünfte zugerechnet und bei diesen der ESt oder KSt unterworfen. Nach § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG zählen zu den gewerblichen Einkünften eines Mitunternehmers nicht nur der eigentliche Gewinnanteil, sondern auch Vergütungen, die der Gesellschafter von der PersGes für seine Tätigkeit, für die Darlehenshingabe oder für die Überlassung von WG bezogen hat. Die Hinzurechnung dieser Sondervergütungen zum gewerblichen Gewinn bzw die Erfassung der zugrundeliegenden WG als Sonder-BV bildet den tragenden Grundsatz des deutschen Mitunternehmerkonzepts und stellt den Mitunternehmer steuerlich dem Einzelunternehmer weitgehend gleich.
Der BFH hat in st Rspr dieses Konzept allerdings nicht spiegelbildlich auf die Abkommensebene übertragen. Während die FinVerw davon ausging, dass aufgrund des Fehlens einer abkommensrechtlichen Definition von Unternehmensgewinnen die Behandlung der Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte nach innerstaatlichem Steuerrecht über Art 3 Abs 2 OECD MA auch für die Anwendung des DBA Geltung erlangt, hat der BFH die Einkünftequalifikation der Sondervergütungen auf Basis einer abkommensautonomen Auslegung vorgenommen. Da das deutsche Mitunterkonzept (mit wenigen Ausnahmen zB Österreich) international nicht gebräuchlich ist, vermeidet diese Auslegung Qualifikationskonflikte und führt im Ergebnis dazu, dass Sondervergütungen ihrer Art nach als Zins-, Lizenz- oder Arbeitseinkünfte nach Maßgabe der speziellen abkommensrechtlichen Verteilungsnormen zu behandeln sind. Im Falle von Outbound-Konstellationen, in denen ein in Deutschland ansässiger Mitunternehmer Sondervergütungen von einer ausländischen PersGes bezieht, führte die Interpretation des BFH regelmäßig zu einem Besteuerungsrecht Deutschlands für die Sondervergütungen, so dass sich in diesem Bereich für die FinVerw bzw den Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf ergab. Demgegenüber waren im umgekehrten Fall des ausländischen Mitunternehmers einer inländischen PersGes (sog Inbound-Konstellation) die Sondervergütungen nach der Rspr grundsätzlich nicht Teil des inländischen Betriebsstättenergebnisses und konnten daher nicht in Deutschland steuerlich erfasst werden.
Nachdem der BFH vom 17.10.2007, I R 5/06, BStBl II 2009, 356 sein Auslegungskonzept erstmals auf eine Inbound-Situation anwendete und konsequenterweise ein Besteuerungsrecht Deutschlands für Zinsen auf ein Darlehen des ausländischen Mitunternehmers an die inländische PersGes ablehnte, reagierte der Gesetzgeber mit dem Erlass des § 50d Abs 10 EStG idF JStG 2009. Dieser schrieb die Behandlung der Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte auch für Abkommenszwecke gesetzlich fest und war gem § 52 Abs 59a S 8 EStG idF JStG 2009 auf alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle anwendbar. Erklärtes Ziel war die Wahrung der Einheitlichkeit der Besteuerung inländischer und ausländischer Gesellschafter, welches durch die innerstaatlich verbindliche Auslegung des DBA-Ausdrucks "Unternehmensgewinne" auch hinsichtlich der Sondervergütungen erreicht werden sollte (BT-Drs 16/11 108, 23).
Allerdings kehrte mit dieser gesetzlichen Regelung keine Ruhe in das umstrittene Gebiet der abkommensrechtlichen Einordnung von Sondervergütungen ein. Da die Vorschrift lediglich Sondervergütungen als Unternehmensgewinne im abkommensrechtlichen Sinne definierte, jedoch keine Regelung zu deren Betriebsstättenzuordnung traf, wurde die Neuregelung in der Literatur umgehend als unzulänglich abgelehnt (zB Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 – "zahnloser Tiger"; Günkel/Lieber, Ubg 2009, 301; Hils, DStR 2009, S 888; Meretzki, IStR 2009, 217; Salzmann, IWB 2009, 156 – "fiskalischer Blindgänger"; aA finanzverwaltungsnahe Autoren zB Mitschke, FR 2011, S 132; Kammeter, IStR 2011, 35; Frotscher, IStR 2009, 593/595).
Nachdem auch die Rspr der Norm ihre Wirkkraft absprach ("tatbestandlich zu kurz" BFH vom 08.09.2010, I R 74/09, BStBl II 2014, 788; keine Anwendbarkeit auf nachträgliche Sondervergütungen BFH vom 07.12.2011, I R 5/11, BFH/NV 2012, 556), wurde § 50d Abs 10 EStG durch das AmtshilfeRLUmsG 2013 (BGBl I 2013, 1809) umfangreich neugefasst und damit zahlreiche Kritikpunkte, wie insb die fehlende Zuordnungsregelung, ausgeräumt....