Dr. Carl Ulrich Hildesheim
Rn. 14
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Subjektiv setzten die Tatbestände des § 50f Abs 1 EStG (bzw bis zum 25.11.2019 § 50f Abs 1 Nr 1 und 2 EStG) vorsätzliches oder leichtfertiges Handeln des Täters voraus. Die Norm selbst regelt nicht, wann ein derartiges Handeln vorliegt. Die Tatbestandsmerkmale "Vorsatz" und "Leichtfertigkeit" stammen aus dem Bereich der Straf- und Ordnungswidrigkeiten und finden sich im Übrigen auch in §§ 370, 378 AO (Hamacher in H/H/R, § 50f EStG Rz 7 (Juni 2022)).
Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestands (vgl § 377 Abs 2 AO, § 10 OWiG). Er setzt somit die Kenntnis sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 22a Abs 1 S 1 und 2 EStG bzw des § 22a Abs 2 S 8 EStG einschließlich der Zweckbindung der Verwendung der ID-Nr voraus (vgl § 377 Abs 2 AO, § 11 Abs 1 S 1 OWiG). Ein vorsätzliches Handeln liegt auch dann vor, wenn der Mitteilungspflichtige die Tatbestandsverwirklichung lediglich für möglich hält, eine solche aber billigend in Kauf nimmt (sog bedingter Vorsatz – dolus eventualis).
Irrt der Täter über den Umfang der Pflichten nach § 22a Abs 1 EStG, kann ein Tatbestandsirrtum vorliegen, der Vorsatz ausschließt (§ 377 Abs 2 AO, § 11 Abs 1 OWiG). Glaubt er, dass eine anderweitige Verwendung der ID-Nr nicht verboten sei, weil er beispielsweise die Vorschrift des § 22a Abs 2 S 8 EStG nicht genau kennt, handelt er in einem Verbotsirrtum. Ein solcher führt allerdings nur dann zur Nichtvorwerfbarkeit seines Verhaltens, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte (vgl § 377 Abs 2 AO, § 11 Abs 2 OWiG).
Rn. 15
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad von Fahrlässigkeit. Der Begriff ist mit dem in § 378 Abs 1 AO enthaltenen identisch. Er entspricht in etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts, stellt aber im Gegensatz dazu auf die individuellen Fähigkeiten des Täters ab. Leichtfertigkeit handelt, wer bei seinem Handeln diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm die Pflichtwidrigkeit seines Handelns hätte aufdrängen müssen. Um dies zu beurteilen, bedarf es einer Gesamtwürdigung des Täterverhaltens (BFH vom 17.11.2011, IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309; BFH vom 17.03.2000, VII B 39/99, BFH/NV 2000, 1180; zum Ganzen s auch BGH vom 17.12.2014, 1 StR 324/14, wistra 2015, 191).
Bezogen auf § 50f EStG liegt demnach eine leichtfertige Begehungsweise vor, wenn es sich dem Betroffenen hätte aufdrängen müssen, dass
- er seine Mitteilungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 22a Abs 1 S 1 EStG verletzt (Nr 1) oder
- die Verwendung der ID-Nr nicht für die Erfüllung der Mitwirkungsverpflichtung erforderlich war (Nr 2).
Rn. 16
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
vorläufig frei