a) Entstehen eines neuen WG
Rn. 55
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Mit Einführung der Milchquotenregelung mit Wirkung vom 02.04.1984 entstand ein selbstständiges immaterielles WG des AV, nämlich das Milchlieferrecht (BFH vom 24.08.1993, BFH/NV 1994, 172; BFH vom 17.03.1994, BStBl II 1994, 538; BFH vom 05.03.1998, BStBl II 2003, 54). Entsprechendes gilt für ein an den Betrieb (aktiengebundenes) bzw an den Grund und Boden gebundenes Zuckerrübenlieferrecht (ländereinheitlicher Erlass des FM Nds vom 18.12.1989, S 2230–156–31 1, ESt-Kartei Nds, § 13, Nr 1.32; BFH vom 24.06.1999, BStBl II 2003, 58; BFH vom 16.10.2008, BStBl II 2010, 28 unter II.16.).
Wurden die Lieferrechte durch hoheitliche Maßnahmen zugeteilt, wie dies zB bei der Milch durch die mit Wirkung vom 02.04.1984 geltende Milchgarantiemengen-VO der Fall war, so sollte nach Auffassung der FinVerw hierfür gem § 5 Abs 2 EStG mangels entgeltlicher Anschaffung ein Aktivposten nicht gebildet werden können; Entsprechendes galt entsprechend R 5.5 Abs 2 S 1 und Abs 3 S 3 EStR 2012 auch für aus dem PV eingelegte Milchlieferrechte. Diese Rechtsauffassung führte in Veräußerungs- und Entnahmefällen zu dem (für die StPfl unzuträglichen) Ergebnis, dass der Gewinn aus der Veräußerung/Entnahme des Milchlieferrechts in vollem Umfang zu versteuern war, während sich ein Verlust aus der Veräußerung/Entnahme des Grund und Bodens wegen § 55 Abs 6 EStG nicht auswirkte. Um dies zu vermeiden, hat der BFH einen Buchwert für das Milchlieferrecht mittels Buchwert-Abspaltung aus dem Grund und Boden geschaffen (s Rn 56ff).
Die vorstehend für die Milchlieferrechte angestellten rechtlichen Überlegungen hat der BFH nunmehr (im dritten Rechtsgang!) auch auf nicht an Aktien gebundene Zuckerrübenlieferrechte übertragen (BFH vom 11.09.2003, BStBl II 2010, 184; BFH vom 09.09.2010, BStBl II 2011, 171); er sah sich hierzu trotz rechtlicher Bedenken veranlasst, weil er an die rechtliche Beurteilung gebunden sei, die seinen Urt in den vorhergehenden Rechtsgängen zu Grunde liegt. Bei der Veräußerung oder Entnahme derartiger Zuckerrübenlieferrechte ist dem Veräußerungserlös bzw dem Entnahmewert ebenfalls ein vom Grund und Boden abgespaltener Buchwert gegenüberzustellen.
b) Von der Einheitsbetrachtung zur Abspaltungsthese
Rn. 56
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Mit Urt vom 05.03.1998 (BFH BStBl II 2003, 54; BFH BStBl II 2003, 56) hat der BFH entschieden, dass bei Betriebsveräußerung oder -aufgabe die gemeinen Werte des Grund und Bodens und der Milchreferenzmenge zur Ermittlung des Veräußerungs- bzw Aufgabegewinns dem nach § 55 Abs 1 EStG pauschalierten Wert des Grund und Bodens gegenüberzustellen seien und in diesem Fall die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs 6 EStG nicht isoliert auf den Grund und Boden anzuwenden sei (sog Einheitsbetrachtung).
In Fortentwicklung dieser Rspr (BFH vom 24.06.1999, BStBl II 2003, 58; BFH vom 25.11.1999, BStBl II 2003, 61) hat der BFH unter Bezugnahme auf seine Rspr zu Aktienbezugsrechten entschieden, dass das infolge der Einführung der Milchreferenzmenge entstandene neue WG "Milchreferenzmenge" dem LuF nicht unentgeltlich zugegangen sei. Der Vorgang der Verselbstständigung zu einem eigenständigen WG ist vielmehr des dem Begriff der AK immanenten Surrogationsgedankens folgend in der Weise zu behandeln, dass sich die auf den ursprünglich angeschafften Grund und Boden entfallenden AK/HK in einem davon abgespaltenen Vermögensgegenstand, nämlich der Milchreferenzmenge, fortsetzen (Abspaltungsthese).
Das Aktivierungsverbot des § 5 Abs 2 EStG stehe dem nicht entgegen, weil die Zuweisung einer Milchreferenzmenge gerade keine unentgeltliche Zuwendung eines bis dahin im Betrieb nicht vorhandenen WG durch den Gesetzgeber oder die Verwaltungsbehörde darstelle, sondern der LuF vielmehr durch Einführung der MilchgarantiemengenVO (MGV) einen (wenn auch im Einzelnen nicht näher bezifferbaren) Wertverlust im Grund und Boden erlitten habe. § 55 Abs 6 EStG aF enthalte insoweit eine Gesetzeslücke, als danach der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Vorschrift keine Vorsorge dafür getroffen hat, dass der Wert des Grund und Bodens nachträglich durch die (im Jahre 1984 erfolgte) Zuteilung von Milchreferenzmengen gemindert worden ist und sich demzufolge (bei Bekanntsein dieses Umstands bereits in 1970) auch ein geringerer Ausgangsbetrag ergeben hätte.
Rn. 57
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Um die sich aus der vorstehend in s Rn 56 angeführten Rspr ergebenden, vom Gesetzgeber nicht gewollten Auswirkungen abzuwenden, wurde durch das StEntlG 1999/2000/2002 in § 55 Abs 1 EStG ein zweiter Satz eingefügt, der (mit Rückwirkung, § 52 Abs 60 EStG idF StEntlG) klarstellen sollte, dass zu dem nach § 55 Abs 1 S 1 EStG bewerteten Grund und Boden nicht die mit ihm in Zusammenhang stehenden WG und Nutzungsbefugnisse gehören; gleichzeitig wurde § 55 Abs 6 S 1 EStG insoweit ergänzt, als danach nur der auf den nackten Grund und Boden entfallende Verlust vom Berücksichtigungsverbot des § 55 Abs 6 EStG betroffen ist. Damit sollte die Rechtslage, wie sie der Verwaltungsauffassung vor Ergehen der BFH-Urt vom 05.03.19...