Prof. Dr. Lutz Richter, Dr. Magdalena Kruczynski
Rn. 43
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Der Mindestumfang der E-Bilanz geht weit über die Vorschriften der §§ 266 u 275 HGB hinaus und schafft faktisch eine neue "umgekehrte Maßgeblichkeit" (s Herzig, DStR 2010, 1907; Hoffmann, DB 2010, Heft 38, M1; Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, Stellungnahme v 05.10.2010, Anlage, 15f), wobei sich diese ausschließlich auf die Ausweisvorschriften niederschlägt und somit nicht der vor dem BilMoG geltenden umgekehrten Maßgeblichkeit gem § 5 Abs 1 S 2 EStG aF entspricht. Derartige Änderungen der handelsrechtlichen Gliederungen lassen sich uE weder aus § 5b EStG noch aus der Ermächtigungsnorm des § 51 Abs 4 Nr 1b EStG ableiten und bedürfen einer gesetzlichen Verankerung (s auch Heinsen/Adrian, DStR 2010, 2594; Müller in H/H/R, § 5b EStG Rz 8; Schindler in Kirchhof, § 5b EStG Rz 1, 18. Aufl).
Auch wenn die FinVerw die Erweiterung der handelsrechtlichen Gliederungsschemata mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme steuerlicher Regelungen begründet (s Klein/Wissborn, BBK 2010, Beilage 2, 5), stellt das primäre Ziel solch ausdifferenzierter Gliederungen die Optimierung des Risikomanagements der FinVerw dar. Der Mindestumfang gem § 5b EStG iVm § 51 Abs 4 Nr 1b EStG spiegelt die Kriterien wider, die für das Risikomanagement der FinVerw von Bedeutung sind (zur Befürchtung eines "gläsernen Steuerbürgers" s Kussmaul/Weiler, BBK 2010, 770), dh die übermittelten Daten bilden die Grundlage für eine risikoorientierte Prüfungsauswahl (s Seer, DStR 2008, 1555; Herzig/Briesemeister, DB 2010, Heft 36, Standpunkte, 58; Herzig/Schäperclaus, DB 2013, 3f). Anhand sachgerechter Kriterien lassen sich aus dem Gesamtfallbestand diejenigen Fälle identifizieren, die kontrollbedürftig sind (s Nagel/Waza, DStZ 2008, 322; ebenso Risse, DB 2011, Heft 36, Standpunkte, 62; zu den potentiellen Risikofaktoren in der Taxonomie s Henselmann/Haller, DStR 2018, 1033).
Um das Ziel der risikoorientierten Fallauswahl zu erreichen, werden iRd Bund-Länder-Vorhabens KONSENS (s Rn 1) einheitliche IT-gestützte Risikomanagementsysteme (RMS) durch die Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen entwickelt (s Monatsbericht des BMF v Juni 2011, 49; zum Status Quo s Rn 48). Diese Systeme sollen im hohen Maße zur Steuergerechtigkeit beitragen, denn die Risikoregeln werden zentral erstellt und auf diese Weise von jedem Bundesland einheitlich angewendet. Zudem geht es um das Fraud Management, dh um die Aufdeckung von Betrugsfällen (s König in KONSENS, 7). Die Digitalisierung verändert jedoch nicht nur die Arbeitsweise der FinVerw, sondern auch die der steuerberatenden Berufe, deren Ziel es künftig sein wird, den StPfl zur eigenmotivierten Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten zwecks Zuordnung zu einer niedrigen Risikostufe zu bewegen (s Seer, DStR 2008, 1555).