Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 970
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Üblicherweise passen sich die vereinbarten Nutzungsvergütungen dem Abrechnungszeitraum (Wj) in Gestalt von monatlich zu zahlenden Mieten oder Jahreszinsen an. Es lassen sich in der Praxis allerdings auch progressive Nutzungsvergütungen über die Abrechnungsperiode (Gewinnermittlungszeitraum) hinaus feststellen.
Beispiel 1 (BFH v 15.07.1998, I R 24/96, BStBl II 1998, 728):
Die Verpflichtung einer Bank zur Leistung einer Sparprämie, die am Ende der Laufzeit eines Sparvertrages gutgeschrieben wird (sog Bonussparen), ist als zusätzliche Verzinsung für das angesparte Kapital anzusehen, für das die Bank am "früheren" Bilanzstichtag eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden hat.
Beispiel 2 (BFH v 05.02.1987, IV R 81/84, BStBl II 1987, 845):
Ein Unternehmer verpflichtet sich zur Zahlung von Sondervergütungen an ArbN anlässlich deren 10- oder 25-jährigen Dienstjubiläen.
Nach Auffassung des BFH sind kontinuierlich aufzubauende Rückstellungen über die Dienstzeit hinweg anzusetzen, obwohl die Fälligkeit der Zahlung erst im Zeitpunkt des Jubiläums gegeben ist. Bis dahin hat der ArbN schon Vorleistungen auf dieses Entgelt erbracht, wofür eine Verbindlichkeitsrückstellung wegen Erfüllungsrückstandes anzusetzen ist.
Beispiel 3 (BFH v 12.08.1982, IV R 184/79, BStBl II 1982, 696):
In einen 30-jährigen Leasingvertrag über ein Gebäude waren in den ersten fünf Nutzungsjahren höhere Raten zu bezahlen als im Folgezeitraum. Die Leistung des Leasinggebers war demgegenüber im gesamten Vertragszeitraum unverändert und bestand in der Überlassung des Gebäudes zur Nutzung. Der Leasingnehmer musste den Mehrbetrag in den ersten fünf Jahren aktiv abgrenzen.
Beispiel 4 (BFH v 05.04.2006, I R 43/05, BStBl II 2006, 593):
Ein Mieter hatte nach einem mietfreien ersten Jahr anschließend die marktübliche Miete zu zahlen. Deshalb war kein Erfüllungsrückstand des Mieters festzustellen.
Der BFH spricht für die "Anlaufzeit" von einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung. Dagegen spricht aber die alte Erfahrung, wonach im Wirtschaftsleben unter Fremden nichts verschenkt wird. Der BFH sieht sich offensichtlich an die Feststellung der Vorinstanz gebunden, wonach die nachfolgenden Nutzungsperioden marktgerecht vergütet worden sind.
Beispiel 5 (nach Lüdenbach, StuB 2011, 227):
U schließt am 01.01.01 einen fünfjährigen Vertrag über die Anmietung eines Verwaltungsgebäudes ab. Die Miete ist jährlich vorschüssig zu zahlen. Marktkonform wäre eine Jahresmiete von 100 TEUR.
Vereinbart wurden dagegen:
01 |
70 TEUR |
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02 |
85 TEUR |
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03 |
100 TEUR |
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04 |
115 TEUR |
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05 |
130 TEUR |
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Im Durchschnitt ergibt sich hieraus die marktübliche Jahresmiete von 100 TEUR.
In schuldrechtlicher Sicht ergibt sich am 31.12.01 keine Restschuld. Dagegen liegt in wirtschaftlicher Hinsicht – periodenübergreifend – ein Erfüllungsrückstand vor, da in 01 und 02 weniger Miete bezahlt wird als das Marktübliche. Dieses "Weniger" wird eingeholt in 04 und 05 durch eine Mehrzahlung gegenüber dem Marktüblichen. Die dann zu zahlende "Mehrvergütung" knüpft an Vergangenes an und gilt Vergangenes ab. In überperiodischer Betrachtung liegt in den Perioden 01 und 02 ein Erfüllungsrückstand vor. Die sich daraus ergebende Rückstellung wird in 04 und 05 abgebaut.
Anders lautet die BFH-Rspr für den Sachverhalt des Zuwachssparens.
Beispiel (BFH v 20.01.1993, I R 115/91, BStBl II 1993, 373):
Gewährt ein Kreditinstitut bei kündbaren Sparverträgen mit steigendem Zinssatz (sog Zuwachssparen) am Ende eines jeden Vertragsjahres eine Verzinsung, die der marktüblichen Gesamtverzinsung für Kapitalüberlassungen der bis dahin erreichten Laufzeit entspricht, so kann es wegen künftig noch steigender Zinsen keine Rückstellung bilden. Dies gilt zumindest dann, wenn während der Laufzeit jederzeit die ordentliche Kündigung durch den Sparer bzw den Darlehensgeber zulässig ist.
Der BFH hatte in einem weiteren Urt Gelegenheit, über die Rechtsdogmatik zu periodenübergreifenden Geschäftsmodellen und deren Abbildung im jeweiligen JA zu befinden (BFH v 25.05.2016, I R 17/15, BStBl II 2016, 930). Es kommt dabei zu einer Auseinandersetzung zwischen einer mehr schuldrechtlichen und mehr wirtschaftlichen Betrachtung. Der streitige Sachverhalt betraf einen neunjährigen Darlehensvertrag mit einem Zinssatz in den ersten Jahren von 1,8–1,5 %, der bis zum Vertragsende auf 10,9263 % anstieg. Über die Laufzeit hinweg ergab sich einvernehmlich ein Zins von 5,2 %. Der Streit ging nun letztlich dahin, ob dieser Durchschnittssatz im jeweiligen Geschäftsjahr dem Aufwand zu belasten war.
- Die Vorinstanz hatte rein schuldrechtlich argumentiert und entsprechend keinen Erfüllungsrückstand für die ersten Vertragsjahre mit den für diese Zeiträume vereinbarten niedrigen Zinsen festgestellt.
- Der BFH stellt demgegenüber eine wirtschaftliche Betrachtung an und belastete dem Geschäftsjahr den durchschnittlichen Zins von 5,2 %. Aus bilanzieller Sicht stellte er deshalb eine Zinsverbindlichkeit in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarte...