Jürgen Dräger, Tobias Müller
a) Wertaufholungsgebot – Zuschreibungspflicht
Rn. 505
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Steuerlich gilt ein Wertaufholungsgebot. Im Gegensatz zur Teilwertabschreibung hat der StPfl kein Wahlrecht. Vielmehr hat zu jedem Bilanzstichtag aufgrund des Wertaufholungsgebots ein Vergleich der um die zulässigen Abzüge geminderten AK oder HK (Buchwert) oder des an deren Stelle tretenden Werts als der Bewertungsobergrenze und dem niedrigeren Teilwert als der Bewertungsuntergrenze zu erfolgen. Sollte der Teilwert den Buchwert überschreiten und dieser aufgrund einer Teilwertabschreibung gemindert worden sein, ist eine Wertaufholung zwangsläufig. Aus steuerlicher Sicht ist eine Teilwertzuschreibung notwendig. Zur Wertobergrenze s Rn 502. Die Gründe für die Erhöhung des Teilwerts sind, wie im Handelsrecht auch, unbeachtlich.
Eine Zuschreibungspflicht besteht,
- wenn die konkreten Gründe für die vorherige Teilwertabschreibung weggefallen sind,
- aber auch dann, wenn sich der Teilwert aus anderen Gründen erhöht. Auch letztgenannte Gründe führen zwangsläufig zu einer Korrektur des Bilanzansatzes.
- Diese Notwendigkeit kann sich auch dann ergeben, wenn der StPfl eine dauernde Wertminderung nicht nachweisen kann oder will (vgl BMF v 02.09.2016, BStBl I 2016, 995 Rz 27, dazu Farwick, StuB 2018, 315).
Rn. 506
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Das handelsrechtliche Wertaufholungsgebot in § 253 Abs 5 S 1 HGB spricht v Wegfall der Gründe für eine frühere außerplanmäßige Abschreibung. Daraus wird mitunter abgeleitet, dass ganz konkret die betreffenden früheren Abschreibungsgründe weggefallen sein müssen und eine aus anderen Gründen eingetretene Werterhöhung unberücksichtigt zu bleiben hat.
Beispiel:
Ein Grundstück ist wegen Verkehrsbelästigung abgeschrieben worden. Später wird es aufgrund des Baus einer Umgehungsstraße wieder werthaltig.
Bei wörtlicher Auslegung könnte das Erfordernis der Wertaufholungszuschreibung bestritten werden.
Die hM in der handelsrechtlichen Literatur lehnt diese Gesetzesinterpretation zu Recht ab. Es genügt für das Erfordernis einer Wertaufholungszuschreibung die wiedergewonnene Werthaltigkeit generell, korrespondierende Sachverhalte werden anerkannt (Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung 2009, § 253 Tz 166).
b) Gesetzesregel
Rn. 507
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die gesetzliche Regelung zur Wertaufholung bzw Teilwertzuschreibung enthalten § 6 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG für abnutzbare WG des AV und § 6 Abs 1 Nr 2 S 3 EStG, der § 6 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG für entsprechend anwendbar erklärt, für nicht abnutzbare WG. Aus dem Wortlaut selbst geht hervor, dass steuerlich über eine entsprechende Auslegung des Gesetzeswortlautes nicht spekuliert werden muss. Die Gesetzestechnik zur Wertaufholungszuschreibung für steuerliche Zwecke ist nämlich ganz anders aufgezogen als diejenige nach § 253 Abs 5 S 1 HGB. § 6 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG schreibt vor, dass zu jedem Bilanzstichtag die fortgeführten AK/HK anzusetzen sind, nimmt also keinerlei Rücksicht auf eine irgendwann einmal vorgenommene Teilwertabschreibung.
In einem primären Bewertungsschritt ist in systematischer Betrachtung immer der fortgeführte Buchwert festzulegen, um im Anschluss daran das Erfordernis bzw die Möglichkeit einer Teilwertabschreibung zu prüfen.
Die einmal vorgenommene Teilwertabschreibung steht also alle Jahre wieder zur Disposition. Die genannte Gesetzestechnik erklärt sich vermutlich vor dem Hintergrund der Beweisregeln, die entgegen der sonstigen einschlägigen Dogmatik für steuererhöhende Tatbestände (hier Teilwertzuschreibung) die Beweislast nicht dem FA, sondern dem StPfl aufbürdet (s Rn 426).
Daraus folgt auch: Zu einer Wertaufholungszuschreibung kann es nur kommen, wenn vorgängig zu irgendeinem Bilanzstichtag einmal eine Teilwertabschreibung vorgenommen worden ist.
c) Wertaufholungshöchstwert ("Deckel" der Teilwertzuschreibung)
Rn. 508
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Aus der eben genannten Gesetzesnorm ergibt sich auch die Obergrenze der Teilwertzuschreibung, nämlich die im Rahmen einer Schattenanlagenbuchführung fiktiv (s Rn 503) fortgeführten AK/HK. Vgl hierzu das Rechenschema in s Rn 36 sowie das Bsp für abschreibbare Anlagegüter nach Maßgabe des Anlagespiegels bei Hoffmann, GStB 1999, 271.
Beispiel: Obergrenze der Teilwertzuschreibung
Ein abnutzbares WG des AV wurde zunächst mit den AK von 100 TEUR bilanziert. Die planmäßige Abschreibung betrug jährlich 10 TEUR. Zwei Jahre nach Anschaffung wurde das WG zutreffend auf den Teilwert von 38 TEUR abgeschrieben.
Überraschenderweise hat sich der Teilwert nach weiteren 3 Jahren auf 52 TEUR erhöht. Aus Vereinfachungsgründen wird der Erwerb am 31.12. unterstellt.
Lösung:
Für die Ermittlung der Obergrenze der Teilwertzuschreibung ist eine Schattenrechnung durchzuführen. Die fortgeführten AK würden nach Ablauf von 5 Jahren nach der Anschaffung bei einer planmäßigen Nutzungsdauer von 10 Jahren 50 TEUR betragen. Dieser Wert entspricht dem Bilanzwert, den das WG ohne die Teilwertabschreibung hätte (fiktiver Buchwert).
Aufgrund der durchgeführten Teilwertabschreibung würde der Buchwert zum Ende des Jahres 05 (38 TEUR – 2 x (38 TEUR: 8) = 28,5 TEUR) betragen. Da der Teilwer...