Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 486
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Teilwertabschreibung und ihre möglicherweise später anstehende Rückgängigmachung durch Zuschreibung ist in besonderem Maße der Problematik des Spannungsverhältnisses zwischen Stichtagsprinzip und dem Wertaufhellungsgedanken ausgeliefert (s §§ 4,5 Rn 21ff (Briesemeister)). Es gilt, dass werterhellende Erkenntnisse bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der HB zu berücksichtigen sind. Sollte der StPfl keine HB aufstellen, ist der Zeitpunkt der Aufstellung der StB maßgeblich. Davon abzugrenzen sind wertbegründende Ereignisse. Sofern diese nach dem Bilanzstichtag eintreten, finden diese keine Berücksichtigung
Rn. 487
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Bezeichnenderweise hat sich der RFH bereits im ersten Band seiner veröffentlichten Entscheidungen mit dem Urt RFH v 31.10.1919, RFHE I 1919, 272 zum Fall einer erforderlichen Teilwertabschreibung auf ein Beteiligungsunternehmen (s Rn 732ff) zu befassen gehabt. Dem RFH zufolge ist die Bilanz bezüglich der Werthaltigkeitsfeststellung dieses Beteiligungsunternehmens mit dem Kenntnisstand zu erstellen, als ob sie am letzten Tag des betreffenden Geschäftsjahres aufgestellt worden wäre. Damit ist das eigentliche Problem aber noch nicht angesprochen, nämlich die Ermittlung des Kenntnisstandes aufgrund ordentlicher Geschäftstätigkeit des Bilanzerstellers an diesem Stichtag. In einem Urt aus 1925 (StuW 1925 II Nr 773, Sp 2227) wird entsprechend hilfsweise von Indizwirkungen später eintretender Tatsachen gesprochen. Abgewandelt auf den Fall des Beteiligungsunternehmens: Ist dieses bis zum Bilanzerstellungstag insolvent geworden, wird niemand an dem Erfordernis einer Teilwertabschreibung zum Bilanzstichtag zweifeln. Der Insolvenzeintritt bis zur Bilanzerstellung gilt also als wertaufhellend und nicht als wertbegründend.
Rn. 488
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Speziell für die steuerliche Bilanzierung kommt noch ein weiteres erschwerendes Faktum zur Definition der Wertaufhellung hinzu. "An sich" ist in der Rspr klargestellt, dass es bei wertaufhellenden Ereignissen fristmäßig immer auf die Zeit bis zur Bilanzerstellung ankommt. Die endgültige Steuerfestsetzung wird jedoch häufig, insb bei Großbetrieben, erst im Rahmen einer Bp etwa fünf Jahre später erfolgen. Und dann ist der Erkenntnisstand über solche zukunftsbezogenen Bilanzpositionen immer erheblich besser als drei oder sechs Monate nach dem Bilanzstichtag.
Beispiel:
Der StPfl nimmt im Hinblick auf die unsichere politische Entwicklung in China eine Abschreibung auf die ungesicherte Forderung an den dortigen Maschinenimporteur vor. Anlass für diese Abschreibung war ua die in der Wirtschaftspresse verlautbarte Pleite eines halbstaatlichen Importfinanzierungsinstituts mit der Folge von Forderungsausfällen europäischer und US-amerikanischer Lieferanten in Höhe von EUR 200/300 Mio. Tatsächlich wird diese Forderung auch bis zur Bilanzerstellung nicht bedient, entsprechender Schriftwechsel belegt dies. Im Einvernehmen mit dem Abschlussprüfer wird die Forderung um die Hälfte abgeschrieben (wertberichtigt).
Drei Jahre später wird sie nach längeren Verhandlungen mit dem Kunden und dessen Abnehmern einschließlich Verzugszinsen doch bedient, weil offensichtlich in China ein Bedarf an der Lieferung weiterer Maschinen dieser Art besteht.
In diesem Fall wird man in der Auseinandersetzung mit der Bp seine Schwierigkeiten haben, die entsprechende Teilwertabschreibung glaubhaft zu machen. Denn die tatsächliche Bedienung der Forderung einschließlich der Zinsen liefert ja ein Indiz für die Werthaltigkeit auch am fraglichen Bilanzstichtag.
Allerdings bestätigt BFH BStBl II 1975, 294 die Unmaßgeblichkeit des Kenntnisstandes der FinVerw, die ihr im Rahmen einer später durchgeführten Außenprüfung zur Verfügung steht.
Rn. 489
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen wertbegründenden und werterhellenden Erkenntnissen verdeutlicht folgendes Bsp (Meyering/Brodersen/Gröne, DStR 2017, 1176):
Beispiel: Abgrenzung werterhellende und wertbegründende Tatsache
Der StPfl bilanziert zum 31.12. eine Forderung gegenüber einem seiner Kunden.
Die Bilanz wird zum 31.03. des folgenden Jahres erstellt. Innerhalb des Zeitraumes zwischen Bilanzstichtag und -aufstellung meldet der betreffende Kunde Insolvenz an. Mit einem Forderungseingang ist daher nicht mehr zu rechnen.
Offen ist, ob diese Insolvenzanmeldung als werterhellende Tatsache oder als wertbegründende Tatsache zu werten ist. Dies hängt davon ab, ob die Tatsache als bilanzierungsrelevanter Sachverhalt vor oder nach dem Bilanzstichtag entstanden ist. Beide Argumentationen erscheinen möglich. Denn zum einen könnte argumentiert werden, dass die Insolvenz selbst als wertbegründende Tatsache erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten ist, zum anderen könnte auch argumentiert werden, dass aufgrund der drohenden Insolvenz die Forderung bereits zum Bilanzstichtag nicht mehr werthaltig war, also eine werterhellende Tatsache vorliegt.
Das Insolvenzdatum bezeichnet idR nur das Ende ...