Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 716
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
§ 6 Abs 6 S 2 EStG betrifft die Besteuerungsebene des Gesellschafters im BV, die Entscheidung des GrS BFH BStBl II 1998, 307 befasst sich mit der Gesellschaftsebene. Daraus kann man uU die Intention des Gesetzgebers (den Materialien lässt sich das nicht entnehmen) zur Erreichung einer korrespondierenden Bilanzierung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft – für Weber-Grellet eine "zwangsweise Beurteilung" (Stbg 2001, 64) – erkennen. Diese würde bedeuten:
- steuerneutrale Umbuchung beim Gesellschafter auf Beteiligungskonto – ergebnisneutralisierende Einlage bei der Gesellschaft bei (unterstellter s Rn 719) Vollwertigkeit (Barzuschuss oder Verlustübernahmeverpflichtung);
- steuermindernder Aufwand beim Gesellschafter – gewinnerhöhende BE bei der Gesellschaft im Falle des Verzichts auf wertlose Forderung.
Im Fall des Verzichtes auf seine wertlose Forderung durch den Gesellschafter (bzw auf den nicht werthaltigen Teil) entstehen dem Gesellschafter keine AK auf die Beteiligung, sondern sofort abzugsfähiger Aufwand (insoweit identisch mit BFH BStBl II 1984, 422; s Rn 695); bei der Gesellschaft entsteht ein entsprechender Gewinn. So auch Weber-Grellet (BB 2002, 40 anhand des BFH v 16.05.2001, I B 143/00, BStBl II 2002, 436).
Ergänzung: War die Forderung bereits abgeschrieben, so entsteht kein (zusätzlicher) Verlust mehr, das Konto "Beteiligung" ist dann nicht mehr anzusprechen (s hierzu Neu, GmbH-StB 2000, 41, 45). Diese Auffassung entspricht der wohl hM, wird allerdings von Vertretern der FinVerw bestritten (van Lishaut, FR 2001, 1140; Wochinger, FR 2001, 1270 f unter Bezugnahme auf ein verwaltungsinternes Seminar; s Rn 695). Im Schrifttum haben die beiden Angehörigen der FinVerw Buchna/Sombrowski eine entsprechende These veröffentlicht (DB 2004, 1956), von anderen Autoren sind dagegen Einwände erhoben worden (DB 2004, 2715 sowie Hoffmann, StuB 2005, 2715ff). Gleichwohl hat der Gesetzgeber ab 2008 die Rechtsauffassung der Vertreter der FinVerw bestätigt, soweit sich die Forderung des Gesellschafters im körperschaftlichen BV befindet (s Rn 728).
Zu den VZ bis 2008 hat allerdings der BFH im Urt BFH v 14.01.2009, I R 52/08, BStBl II 2009, 674 eine andere Auffassung als die FinVerw vertreten. Die Forderung und die Beteiligung sind je verschiedene WG, die selbstständig zu bilanzieren sind. Für Forderungsverluste gilt das Halb-/Teileinkünfteverfahren nicht; bestätigt durch das Urt BFH v 18.04.2012, X R 5/10, BFH/NV 2012, 1358.
Rn. 717
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Für den ESt-Bereich – Forderung in einem einkommensteuerlichen BV – soll nach Auffassung der FinVerw in dem Schreiben des BMF v 08.11.2010, BStBl I 2010, 1292 das Gleiche gelten wie für die aktuelle Rechtslage im KSt-Bereich, obwohl der einschlägige Gesetzesinhalt in § 3c Abs 2 EStG nicht an die parallel zu sehende Erweiterung des § 8b Abs 3 S 4–8 KStG angepasst worden ist (s Rn 728). Die Zielrichtung bei den steuerlichen Auswirkungen des BMF-Schreibens geht nicht nur bei Forderungsverlusten, sondern auch bei Teilwertsabschreibungen auf Forderungen des Mehrheitsgesellschafters (im ESt-Bereich) in die gleiche Richtung. Nur 60 % dieser Vermögensminderungen sollen einkommensteuerlich abzugsfähig, 40 % dagegen "außerhalb der Bilanz" zuzurechnen sein.
Die Berechtigung für diese Auffassung sieht das BMF im sog Veranlassungszusammenhang, der wie folgt interpretiert wird: Wenn zB im Rahmen einer Betriebsaufspaltung das Gebäude von der Verpachtungsgesellschaft der Betriebsgesellschaft unentgeltlich oder zu einem unüblich niedrigen Pachtzins überlassen wird, können auch nur 60 % oder anteilig 60 % je nach der Quote der Unentgeltlichkeit als BA in Form von AfA, Refinanzierungskosten uÄ (v Verpachtungsunternehmen) abgezogen werden. Bezüglich der Gesellschafterdarlehen weitet das BMF seinen Anwendungsbereich über die Betriebsaufspaltung hinaus auf jede einschlägige Gestaltung, also Darlehensforderung gegen eine KapGes im BV des Gesellschafters aus. Danach ist eine Abschreibung auf die wertlose Forderung nur zu 60 % wirksam, Entsprechendes gilt für den ausgesprochenen Forderungsverzicht.
Diese von der FinVerw entwickelte Rechtsdogmatik ist v BFH für den KSt-Bereich im Urt BFH v 14.01.2009, I R 52/08, BStBl II 2009, 674 gerade nicht bestätigt worden. Der BFH hat expressis verbis die gesellschaftliche Veranlassung einer solchen Darlehensgewährung bestätigt ("unbeschadet ihrer gesellschaftlichen Veranlassung") und wegen des Vorliegens zweier unterschiedlicher WG – Beteiligung einerseits und Forderung andererseits – die gesellschaftliche Veranlassung nicht auf die Forderung des Gesellschafters, auch nicht auf eine kapitalersetzende, angewandt. Das BMF lehnt die Ausstrahlung des BFH-Urt auf die ESt-Situation nach § 3c Abs 2 EStG ab, weil sich der BFH nur für den KSt-Bereich geäußert habe. Dieses Argument ist aber nicht zwingend, weil der Veranlassungszusammenhang, den das BMF-Schreiben als Rechtfertigung heranzieht, im ESt- und im KSt-Bereich derselbe ist.