Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1476
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 3 EStG unterfallen dem Anwendungsbereich ausschließlich unentgeltliche Übertragungen durch Rechtsgeschäft, dh Schenkungen, unentgeltliche Übertragungen iRd vorweggenommenen Erbfolge, Herausgabe an einen Vermächtnisnehmer, sowie nach Rspr des BFH auch Übertragungen durch Erbfall (vgl Uhl-Ludäscher in H/H/R, § 6 EStG Rz 1206 (08/2021)). Diese unentgeltlichen Übertragungen erfüllen aus ertragsteuerlicher Sicht weder die Voraussetzungen einer Veräußerung, Entnahme oder Betriebsaufgabe. Die unentgeltliche Übertragung ist insb von den gesellschaftsrechtlichen Einbringungsvorgängen abzugrenzen, die aus steuerlicher Sicht als entgeltliche Übertragung betrachtet werden (s Rn 1387), sowie von der Veräußerung.
Die Beurteilung, ob ein entgeltlicher oder unentgeltlicher Vorgang vorliegt, erfolgt bei der Übertragung von Sachgesamtheiten nach der Einheitstheorie. Teilentgeltliche Übertragungen werden danach entweder als voll entgeltlicher oder als voll unentgeltlicher Vorgang behandelt. Die Entscheidung ist davon abhängig, ob das (Teil-)Entgelt den Buchwert/Kapitalkonto (Aktiva abzüglich negativer WG) der übertragenen Sachgesamtheit übersteigt, dann entgeltlich, ansonsten unentgeltlich.
Rn. 1477
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Übernahme der in der Sachgesamtheit Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil enthaltenen Verbindlichkeiten stellt keinen entgeltlichen Vorgang dar (GrS BFH BStBl II 1990, 847/54). Die Übernahme der Verbindlichkeiten steht der Unentgeltlichkeit nicht entgegen (FG BaWü v 17.01.2019, 3 K 1425/17).
Bei Übertragungen unter nahen Verwandten besteht eine widerlegbare Vermutung der Unentgeltlichkeit. Wünschen solche Vertragspartner umgekehrt die Darstellung eines entgeltlichen Leistungsaustausches, muss dies in den getroffenen Vereinbarungen und in den entsprechenden Berechnungsgrundlagen eindeutig zum Ausdruck kommen (BFH BFH/NV 1992, 168; BFH BFH/NV 2000, 385).
Rn. 1478
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Ein (Teil-)Entgelt kann also in diesem Zusammenhang allenfalls bei Übernahme eines negativen Kapitalkontos vorliegen. Bei diesem "allenfalls" handelt es sich allerdings um den Ausnahmefall, der hinsichtlich der Entgeltlichkeit aus besonderen Umständen abzuleiten ist. Ansonsten gilt auch bei einem negativen Kapitalkonto die Vermutung der Unentgeltlichkeit (so auch Korn/Strahl in Korn, § 6 EStG Rz 106 (12/2016) unter Hinweis auf BFH BStBl II 1999, 269; BFH BStBl II 1971, 686; BFH BStBl II 1971, 662 sowie das BMF v 13.11.1993, BStBl I 1993, 80 Rz 30 "vorweggenommene Erbfolge").
Ein negatives Kapital der übertragenen Einheit steht der Unentgeltlichkeit jedenfalls dann nicht entgegen, wenn noch stille Reserven und Gewinnchancen bestehen (BFH BStBl II 1999, 269; so auch Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 434 (29. Aufl 2010) sowie Happe/Mutscher in Frotscher/Geurts, § 6 EStG Rz 477 (08/2022). AA Paus, StBp 2004, 358 für Kommanditanteil: Buchgewinn in Höhe des negativen Kapitalkontos, soweit kein Ausgleich durch stille Reserven besteht.
Unentgeltlichkeit liegt dagegen vor bei Übertragung gegen private Versorgungsleistungen (BMF v 13.01.1993, BStBl I 1993, 80 Rz 4–6).
Rn. 1479
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Eine teilentgeltliche Veräußerung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteils gilt ebenfalls als unentgeltlich iSd § 6 Abs 3 EStG, sofern der Veräußerungspreis den Buchwert des BV bzw das Kapitalkonto des Mitunternehmeranteils nicht übersteigt und hierfür keine betrieblichen Gründe ersichtlich sind (BFH v 07.11.2000, BFH/NV 2001, 262). Der Grund liegt in der sog Einheitstheorie, die in der gemischten oder Auflagenschenkung einen einheitlichen Vorgang sieht, der nicht in ein Anschaffungsgeschäft und eine Schenkung aufzuteilen ist (BFH BStBl II 1995, 770).
Nach der Einheitsbetrachtung ist der Buchwert insgesamt dem entgeltlichen Teil des Geschäftes zuzuordnen. Der (verbleibende) unentgeltliche Teil ist als Entnahme zu werten, die seit 2001 nach § 6 Abs 5 S 3 EStG (s Rn 1514) zum Buchwert zu bewerten ist (BFH v 19.09.2012, IV R 11/12, DStR 2012, 2051 mit Anm "Wit"; ebenso BFH v 21.06.2012, IV R 1/08, DStR 2012, 1500 mit Anm "Wit", wobei das Entgelt den Teilwert des übertragenen WG nicht überteigen darf. (Teil-)Entgeltlichkeit liegt insb auch in der Begründung einer Darlehensverbindlichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger (Mitunternehmerschaft) gegenüber dem Einbringenden (s Rn 1562) vor.
Liegt das Entgelt über dem Buchwert, gilt die Übertragung als voll entgeltlich (Förster/Brinkmann, BB 2003, 659; BFH BStBl II 1998, 105). Unklar ist die Art der Auflösung der stillen Reserven aus Sicht des Erwerbers: Stufentheorie oder gleichmäßige Verteilung. Vorzugswürdig ist die modifizierte Stufentheorie (Förster/Brinkmann, BB 2003, 659).
Entgeltlichen Charakter haben Abstandszahlungen und Gleichstellungsgelder an Dritte oder Sachleistungen aus dem Vermögen des Übernehmers (BMF v 13.01.1993, BStBl I 1993, 80 Rz 7 und 24). Umgekehrt gelten Sachleistungen aus dem übernommen...