Jürgen Dräger, Tobias Müller
fca) Tatbestandliche Voraussetzungen
Rn. 130
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Das Lifo-Verfahren setzt zur Anwendung im EStG folgende Tatbestandsmerkmale voraus:
- Gewinnermittlung nach § 5 Abs 1 EStG,
- WG des Vorratsvermögens,
- Gleichartigkeit der einbezogenen Vermögensgegenstände,
- GoB-Entsprechung.
Das Lifo-Verfahren ist optional (Wahlrecht). Das Wahlrecht kann unabhängig vom Wertansatz in der HB (s §§ 4, 5 Rn 326b (Briesemeister/Hoffmann)) ausgeübt werden (BMF v 12.05.2015, BStBl 2015, 462 Tz 17; R 6.9 Abs 1 EStR 2012). Die Rechtsfolge ist die Bewertung nach einer unterstellten Verbrauchsfolge (Fiktion). Wesensgemäß muss also die tatsächliche Verbrauchsfolge nicht mit der der Bilanzbewertung zugrunde liegenden Reihenfolge übereinstimmen.
fcb) Subjektiver Anwendungsbereich
Rn. 131
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Nach dem Gesetzeswortlaut ("StPfl, die den Gewinn nach § 5 EStG ermitteln") können alle Gewerbetreibende, die nach gesetzlichen Vorschriften zur Buchführung nach deutschem Recht verpflichtet sind, die Option zur Lifo-Bewertung ausüben. Berechtigte sind auch diejenigen, die freiwillig Bücher führen und entsprechende Abschlüsse erstellen.
Außerdem besteht das Wahlrecht bei Buchführungspflicht nach § 141 Abs 1 AO wegen des dort enthaltenen Verweises auf die in §§ 238, 240, 241, 242 Abs 1 und 243 bis 256 HBG enthaltenen Vorschriften zur Buchführung.
Buchführende Land- und Forstwirte und Selbstständige nach § 18 Abs 1 Nr 1 EStG fallen nicht unter die Berechtigten zum Lifo-Verfahren, da sie ihren Gewinn nach § 4 Abs 1 EStG ermitteln. Die bis zur EL 133 vertretene Auffassung wird insoweit aufgegeben (gleicher Auffassung auch BMF v 12.05.2015, BStBl I 2015, 462 Rz 130) und Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz 411 (42. Aufl 2023)).
Nach Sinn und Zweck der Regelung sollten auch beschränkt StPfl mit einer (zB) Nicht-DBA-Betriebsstätte in Deutschland zur Anwendung des Lifo-Verfahrens berechtigt sein.
Für die sog Überschussermittler nach § 4 Abs 3 EStG hat dagegen das Lifo-Verfahren keine Bedeutung, da hier ein Ansatz und eine Bewertung von Vorratsvermögen ohnehin nicht in Betracht kommt.
fcc) Objektiver Anwendungsbereich
Rn. 132
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Entgegen der weiten Fassung des § 256 S 1 HGB beschränkt § 6 Abs 1 Nr 2a den Anwendungsbereich der Lifo-Option nur auf WG des Vorratsvermögens. Hierfür ist die Gliederung in § 266 HGB und die Definition (Umkehrschluss aus § 247 Abs 2 HGB) maßgeblich. Anwendbar ist – positiv ausgedrückt – also das Lifo-Verfahren auf Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und fertige und unfertige Erzeugnisse sowie (Handels-)Waren. Dabei ist eine Beschränkung auf vertretbare (§ 91 BGB) und verbrauchbare Sachen (§ 92 BGB), also die industrielle Massenproduktion erforderlich. Die Anwendung auf individuelle Auftragserzeugnisse scheidet aus (Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung § 256 HGB Tz 15).
Die Option zum Lifo-Verfahren erfordert nicht die Einbeziehung des gesamten Vorratsvermögens. R 6.9 Abs 3 EStR 2012 erlaubt die Zusammenfassung der dem Lifo-Verfahren unterliegenden Vorräte zu Gruppen. Dadurch wird das Lifo-Verfahren im Übrigen auch erst sinnvoll anwendbar (s Rn 118). Außerhalb des Vorratsvermögens kommt eine Lifo-Bewertung nur dann in Betracht, wenn die tatsächliche Verbrauchsfolge entsprechend der Lifo-Fiktion gestaltet ist.
Rn. 133
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Nicht oder nur in Ausnahmefällen zulässig ist die Zerlegung des betreffenden WG in Bewertungskomponenten und mit der sich anschließenden Anwendung des Lifo-Verfahrens auf eine oder mehrere dieser Komponenten (die letztlich insgesamt die Bewertung des betreffenden WG ausmachen). Als Bsp hierfür sei der Fall von fertigen und unfertigen Erzeugnissen genannt, für welche nicht etwa der Lohnbestandteil nach dem Lifo- und die Materialkomponente nach dem gewogenen Durchschnittsverfahren bewertet werden kann. In der Literatur werden gegenteilige Auffassungen vertreten (Treptow/Weismüller, WPg 1991, 581; Bäuerle, BB 1990, 1732). Rspr hierzu liegt nicht vor.
Die FinVerw verlangt, dass bei im eigenen Betrieb bearbeiteten Erzeugnissen die Fertigungseinzelkosten in die Ermittlung der HK einbezogen werden (BMF v 12.05.2015, BStBl I 2015, 462).
fcd) Gleichartigkeit
Rn. 134
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
§ 6 Abs 1 Nr 2a EStG ist bis in den Wortlaut hinein auf § 256 S 1 HGB ausgerichtet. Beide Normen verlangen für die Anwendung der Verbrauchsfolgeverfahren bzw (im EStG) für das Lifo-Verfahren die Gleichartigkeit der einbezogenen WG. Das Lifo-Verfahren gewinnt seine Bedeutung – also die Vermeidung von Scheingewinnen bei steigenden Preisen – umso mehr, je weiter gefächert die Gruppenbildung erfolgt. Nach Empfehlung des Gesetzgebers soll in der Praxis hinsichtlich der Gruppenbildung nicht "kleinlich" verfahren werden. Zur Verwaltungsauffassung und zur BFH-Rspr betreffend "gleichartig" s Rn 118 f und 121.
fce) GoB-Konformität
Rn. 135
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Auch hinsichtlich der GoB-Konformität ist der Wortlaut des Handelsrechts mit dem des Steuerrechts gleichlautend (s § 256 S 1 HGB und § 6 Abs 1 Nr 2a EStG). Die GoB-Konformität muss deshalb in einen Auslegungskonnex mit anderen normierten und nicht normierten G...