Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 429
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Eine Widerlegung der Teilwertvermutung für den Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung eines WG bzw den darauf folgenden Bilanzstichtag gelingt in erster Linie für den Fall einer Fehlmaßnahme. Im grundlegenden Beschluss GrS 6/71 (BFH BStBl II 1973, 79) wird die "Fehlmaßnahme" begrifflich noch um die "Fehlkalkulation" erweitert. Danach soll die Teilwertvermutung
Zitat
"auf einen Zeitpunkt, der unmittelbar nach Leistung der Aufwendungen … liegt"
nur unter diesen Voraussetzungen möglich sein. Diese Fehlmaßnahmen beschreibt der BFH: mit "Irrtum unterlaufen" und "von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen".
Anderen Gründen für eine Widerlegung der Teilwertvermutung zu Zeitpunkten unmittelbar nach dem Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang gibt die Rspr keinen Raum.
Zu Fehlmaßnahmen bei Unternehmenserwerb s Rn 626.
Rn. 430
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Aber auch Investitionen (zB), die zunächst die Erwartungen erfüllt haben, können aufgrund veränderter technischer oder ökonomischer Umweltbedingungen sich später als Fehlmaßnahme herausstellen. Die durch die BFH-Rspr weiter ausdifferenzierte Begrifflichkeit hinsichtlich der Fehlmaßnahme umfasst jedenfalls auch eine sich erst im Nachhinein herausstellende Fehlmaßnahme. In den Urt BFH BStBl II 1991, 595; BFH BFH/NV 1998, 1086 ist die Rede von der Anschaffung oder Herstellung eines WG des AV (Firmenwert, s Rn 626), dessen wirtschaftlicher Nutzen hinter dem getätigten Aufwand zurückbleibt und dessen Aufwand ein gedachter Erwerber im Kaufpreis nicht vergüten würde. Dies kann man dann iSd zitierten BFH-Rspr als Irrtum oder als Kalkulationsfehler ansehen. Oder mit dem Zitat von Offerhaus (StBp 1967, 25):
Zitat
"die bei objektiver Betrachtung unwirtschaftlich waren".
S hierzu BFH BStBl II 1988, 488; BFH BStBl II 1989, 269. Eine Fehlmaßnahme idS liegt nach älterer BFH-Rspr auch dann vor, wenn sich die wirtschaftlichen Erwartungen des StPfl iVm der Anschaffung oder Herstellung eines WG nicht erfüllen (BFH BStBl II 1973, 79; BFH BStBl II 1979, 108).
Rn. 431
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Nach diesen Umschreibungen einer Fehlmaßnahme (im Interesse der Widerlegung der Teilwertvermutung) kann eine bewusste Verlustkalkulation nicht zu einer Teilwertabschreibung berechtigen. Begrifflich setzt der "Fehler" ein unbewusstes Handeln voraus. "Absichtliche Fehler" sind eigentlich nicht denkbar.
In aller Regel tätigt ein StPfl solche "Verlustgeschäfte" nur, weil er sich daraus resultierende Vorteile an einer anderen Stelle verspricht. Die Verlustkalkulation hat er also nur im Interesse der anderweitig erwarteten Vorteile realisiert. Jedenfalls hat der BFH dies für den Fall des Einzelhandels mit nicht kostendeckend kalkulierten Verkaufspreisen so ähnlich dargestellt und entschieden (s BFH BStBl II 1999, 681 mit BMF BStBl I 2000, 372).
Rn. 432
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
vorläufig frei
Rn. 433
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Einzelfälle aus der Rspr
Der BFH hat das Vorliegen einer Fehlmaßnahme bestätigt (zum Geschäftswert oder Firmenwert s Rn 620):
Baukostenindex |
BFH BStBl III 1956, 102 |
Gebäudeherstellung mit überhöhten Kosten, weil der Baukostenindex nachhaltig und erheblich gesunken ist. |
Beteiligung an KapGes |
BFH BStBl II 1979, 108 |
Errichtung einer KapGes, für die sich später herausstellt, dass sie nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann. Hintergrund dieser Fehleinschätzung war die Tatsache, dass bestimmte Großhändler aus Konkurrenzgründen bei der neu ins Leben gerufenen GmbH nicht eingekauft haben. |
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BFH BStBl II 1977, 515 |
Die Teilwertvermutung "gilt nicht ohne weiteres für zusätzliche AK in Gestalt verdeckter Einlagen". Hintergrund dieser Entscheidung (zitiert ist aus dem Leitsatz) war das Bestreben der Konkursabwendung für die Beteiligungsgesellschaft durch Verzicht auf Pachtzinsen. |
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BFH BFH/NV 1987, 298 |
Ähnliche Problematik wie vorstehend. |
Fundamentierungskosten |
BFH HFR 1965, 425 |
Unerwartet hohe Fundamentierungskosten, wenn die Möglichkeit zum Bau an anderer Stelle nicht mehr wahrgenommen werden konnte. |
Kostenüberschreitung |
RFH RStBl 1939, 195 |
Bei nicht vorhersehbaren Umständen ohne Erhöhung des Wertes eines Umbaus. |
Maschinenanlage, Überdimensionierung |
BFH BStBl II 1988, 488 |
Überdimensionierung einer Maschinenanlage (hier Turmdrehkran eines Bauunternehmers) wegen Branchenrezession. |
Ölkrise |
BFH BStBl II 1988, 430 |
Bestellung eines Tankers kurz vor der Ölkrise. |
Tanker |
BFH BStBl II 1988, 430 |
s Ölkrise |
Verlustübernahme |
BFH BStBl II 1990, 797 |
Verlustübernahmen bei missglückter Organschaft sind auf die Beteiligung zu aktivieren und "können Gegenstand einer Teilwertabschreibung … sein". |
Versteckte Mängel |
RFH RStBl 1939, 630 |
Erwerb eines Gebäudes mit versteckten Mängeln. |
Keine Fehlmaßnahme liegt nach BFH-Rspr vor:
Arrondierungskäufe |
RFH RStBl 1934, 1138 |
Überhöhter Preis |
Baumängel |
BFH BStBl II 1987, 694; BFH BStBl II 1992, 805; BFH BStBl II 1995, 306 |
Baumängel vor Fertigstellung eines Gebäudes, auch wenn deswegen in der Bauzeit Gebäudeteile wieder abgebrochen werden. |
Beteiligungen ... |