Jürgen Dräger, Tobias Müller
A. Überblick über den Regelungsinhalt
Rn. 144
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Für die Bewertung des BV unterscheidet § 6 Abs 1 EStG hinsichtlich der Bewertungsgegenstände zwischen
- WG des abnutzbaren AV (Nr 1) sowie
- des nicht abnutzbaren AV und UV (Nr 2),
- Verbindlichkeiten (Nr 3) sowie Rückstellungen (Nr 3a).
- Darüber hinaus enthält die Regelung Einzelheiten über die Bewertung von Entnahmen (Nr 4) und Einlagen (Nr 5, 5a) sowie
- klarstellende Vorschriften über die Bewertung bei Eröffnung (Nr 6) und entgeltlichem Erwerb eines Betriebs (Nr 7).
Die Bewertung dieser WG erfolgt zum Zeitpunkt ihres Zugangs (Zugangsbewertung) und während ihrer Zugehörigkeit zum BV (Folgebewertung). Für die Zugangsbewertung sieht die Regelung als Bewertungsmaßstäbe die AK (s Rn 145ff), die HK (s Rn 255ff) sowie den an deren Stelle tretenden Wert vor. Als letztgenannter Wert kommt insb der Teilwert in Betracht.
Die Folgebewertung richtet sich bei abnutzbaren WG des AV grundsätzlich nach den fortgeschriebenen AK/HK, dh historischen AK/HK abzüglich AfA (s § 7 EStG). Für alle WG kann bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung der niedrigere Teilwert angesetzt werden, wenn der StPfl die Voraussetzungen nachweist. Sollte sich der Wert des WG bis zum nächsten Bilanzstichtag erholen, ist dann eine Teilwertzuschreibung notwendig. Zu den Einzelheiten s Rn 400ff.
B. Bewertungsmaßstäbe der Zugangsbewertung
1. Inhalt und Stellung der Zugangsbewertung im Bewertungssystem
Rn. 145
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Unmittelbar nach der Entscheidung für eine Einstellung eines (positiven oder negativen) WG in die Bilanz dem Grunde nach (Bilanzansatz, s §§ 4,5 Rn 594ff (Briesemeister)) stellt sich die Frage nach dem ersten Bewertungsschritt, der Ausgangsbewertung (s Rn 36) oder Zugangsbewertung. Folgerichtig nennt der Bewertungsparagraph gleich einleitend (§ 6 Abs 1 Nr 1 und 2 EStG) diese Ausgangsgrößen (ohne sie allerdings zu definieren):
Diese Wertermittlung ist "historisch", dh muss nicht für das laufende Geschäftsjahr bzw die aktuelle Bilanz erfolgen. Sie kann schon viele Jahre zuvor – eben mit dem bilanzmäßigen Zugang – erfolgt sein. Das Anlagegitter gem § 268 Abs 2 HGB zeigt diese Rechengröße dementsprechend als erste Kolonne mit Bezugnahme auf die Bilanz des Vorjahres.
Rn. 146
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Der systematische Aufbau des Bewertungsschemas entspricht materiell demjenigen des HGB (§ 253 Abs 1 S 1 HGB) und wird so auch von den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen bestätigt. Deshalb lassen sich auch die entsprechenden handelsrechtlichen Darstellungstechniken (insb das Anlagegitter gem § 268 Abs 2 HGB aF bzw § 284 Abs 3 HGB) ohne Probleme als Rechenhilfe für die steuerliche Gewinnermittlung verwenden. Wegen der Besonderheit des "an deren Stelle tretenden Wertes" s Rn 350ff.
Der konkrete Wertansatz in der jeweiligen Bilanz blickt also bis zum Abgang des WG auf diese "historischen" Ausgangsgrößen. Sie stellen einen Höchstwert (s § 253 Abs 1 S 1 HGB: "höchstens") dar, der nicht überschritten werden darf.
Rn. 147
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die IFRS bestimmen diese Bewertungsregel ("historical cost") als Regel, wenn auch nicht in der abstrakten Form des HGB und des EStG. Vielmehr werden iRd verschiedenen Standards und des IAS-Frameworks zu den betroffenen Bilanzpositionen "individuelle" Bewertungsvorgaben gemacht. Neben den "historical cost" kennen die IFRS noch folgende Bewertungs-Ausgangsgrößen (nach Lüdenbach, 6. Aufl IFRS 9)
- historical cost – AK/HK
- current cost – Wiederbeschaffungskosten/Stichtagswert,
- realisable value/settlement value – Veräußerungswert bzw Rückzahlungsbetrag,
- present value – Gegenwartswert.
Diese Begriffe sind nicht systematisch voneinander abgetrennt, überschneiden sich vielmehr. Wichtig ist aus Sicht des deutschen Rechnungslegungsrechtes die in verschiedenen Fällen mögliche, nicht zwingende Neubewertung (revaluation) zu dem die AK/HK übersteigenden fair value. ZB:
Die Bewertung über die AK/HK hinaus zum Zeitwert (fair value) ist auch zulässig oder geboten
- für "Investitionsvermögen" (zB Vermietungsobjekte) nach IAS 40.27ff,
- für Finanzinstrumente (Derivate uä) nach IAS 39.
Stellungnahme: Das tradierte Bewertungskonzept der fortgeführten "historischen" Kosten hat den Vorteil der höchstmöglichen Objektivierung der Rechnungslegung, da diese Werte überwiegend durch Markttransaktionen bestätigt sind. Der fair value oder present value ist demgegenüber – abgesehen von börsenbestimmten Preisen – weitgehend ein Ausfluss von Schätzungen. Andererseits sind insb für die Werte des AV die historischen Kosten kein Maßstab für den aktuellen Wert (Zeitwert). Der Informationsgehalt der fortgeführten AK/HK ist daher bei älteren WG nur sehr gering.
Rn. 148
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Eine wesentliche Funktion der AK iRd Bilanzierung bildet die Bestimmung des Veräußerungsgewinns bzw -verlustes beim Abgang eines WG oder der Gesamtheit von WG (Betriebsveräußerung bzw Teilbetriebsveräußerung). Der Gewinn errechnet sich aus der Gegenüberstellung des Buch...