Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 223
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Ein wertloser Gegenstand kann bei einem symbolischen Preis von 1 EUR entgeltlich erworben werden (FG Köln EFG 1997, 1508 zu einem Anteil an KapGes iSd § 17 EStG; BFH BStBl II 1995, 770 zu einem Kommanditanteil; BFH BStBl II 1993, 34; BFH BStBl II 1991, 630 zu Anteilen nach § 17 EStG; BFH v 26.04.2006, I R 50/04, BB 2006, 1957 zu KapGes-Anteil in einem BV). Zum unentgeltlichen Ausscheiden von Kommanditisten s § 15a Rn 51 (Bitz) sowie zu unentgeltlichen Anschaffungen bei Nahestehenden s Rn 228ff.
Solche Erwerbsvorgänge mit einem symbolischen Kaufpreis kommen insb beim Erwerb von ganzen Unternehmen oder Anteilen an solchen in Betracht. In diesen Fällen kann durchaus auch ein "negativer" Kaufpreis idS vereinbart werden, dass der erzielte Preis das EK des Unternehmens bzw -anteils nicht erreicht. Nach der BFH-Rspr soll in solchen Fällen (betreffend PersGes) kein "Verkaufsgewinn" durch den Veräußerer realisiert werden, vielmehr sind die Buchwerte der übertragenen WG nach dem Verhältnis der Teilwerte abzustocken mit der Folge entsprechend niedrigerer AK.
Reicht dieser Abstockungsbetrag nicht aus, so soll nach BFH BStBl II 1998, 180 und BFH BStBl II 2006, 656 ein "Ausgleichsposten" gebildet werden. Der bilanzrechtliche Charakter dieses Sonderpostens ist fraglich und heftig umstritten. Man kann auch von einem negativen Geschäftswert (s Rn 231) sprechen und eine Analogie zur Kapitalkonsolidierung gem § 309 Abs 2 HGB ziehen. S aus dem Schrifttum ua Siegel/Bareis, BB 1993, 1477; Ossadnik, BB 1995, 1527; Bachem, BB 1995, 350; Heurung, DB 1995, 385; Mujkanovic, WPg 1994, 522; Ernsting, WPg 1998, 405. Jedenfalls führt die oben genannte BFH-Rspr im Ergebnis erst beim Verbrauch der abgestockten WG oder bei deren Veräußerung zu einer Gewinnrealisierung.
Rn. 224
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Eine ähnliche Rechtsauffassung wie in BFH BStBl II 1998, 180 äußert der BFH v 26.04.2006, I R 49, 50/04, BStBl II 2006, 656 zu einem Verkauf von Anteilen an einer KapGes. Der Erwerber erhielt v Veräußerer eine Zuzahlung. Zur bilanzrechtlichen Abbildung muss zunächst der wirtschaftliche Gehalt dieser Zuzahlung des Verkäufers analysiert werden: Es kann sich um ein eigenständiges Leistungselement handeln, das v eigentlichen Beteiligungserwerb trennbar, wenn auch ohne es nicht erklärbar ist (vgl Lüdenbach/Völkner, BB 2006, 1435). Der BFH hat dies im letztgenannten Urt genauso gesehen und die v Erwerber übernommene Bürgschaft des Verkäufers für Bankschulden des Verkaufsobjektes (KapGes) als möglichen Zahlungsgrund angesehen.
Die Zugabe des Veräußerers kann auch mit nicht bilanzierbaren künftigen Aufwendungen erklärt werden, etwa im Hinblick auf erforderliche Restrukturierungsmaßnahmen. Oder diese Zugabe reflektiert (wie im BFH-Fall) das negative EK des Kaufobjektes (der KapGes).
In den beiden letztgenannten Fällen geht es dann weiter um die Frage des Bilanzausweises der "Zugabe" beim Erwerber. Dabei lehnt der BFH zunächst im Hinblick auf das Realisationsprinzip einen Anschaffungsgewinn (day-one-profit) ab. Also bleibt nur die erfolgsneutralisierende Passivierung, doch unter welchem Bilanzposten? Der BFH erörtert deren zwei: Einen "negativen Geschäftswert" und einen "passiven Ausgleichsposten". Der BFH muss sich nicht für einen der beiden Posten entscheiden, da in beiden Fällen im Streitjahr Ergebnisneutralität hergestellt wird. Er favorisiert allerdings in seiner Argumentation eindeutig den passiven Ausgleichposten – und zwar unter Bezugnahme auf das Realisationsprinzip.
Der BFH musste verfahrensrechtlich die Weiterbehandlung des passiven Ausgleichspostens nach dem im Streit befindlichen Bilanzstichtag nicht entscheiden. Es sind eine Anzahl von Lösungen diskutabel (vgl Hoffmann, DStR 2006, 1315; Schulze-Osterloh, BB 2006, 1955; Ernsting, GmbHR 2007, 135; Schiffers, WPg 2006, 1279; Roser/Haupt, GmbHR 2007, 78):
- Wenn inhaltlich ein negativer Firmenwert anzunehmen ist, bietet sich die Auflösung des Passivpostens als Analogie im 15-jährigen Jahreszeitraum an.
- Eine andere Analogie richtet sich nach der Vorgabe im Konzernabschluss gem § 309 Abs 2 HGB: Auflösung bei Vorliegen eines dem negativen Unterschiedsbetrag zuzuordnenden Verlustes.
- Anwendung der Equity-Technik zur Bilanzierung von Beteiligungen: Wenn und soweit sich das EK des Tochterunternehmens wieder positiv darstellt, wird der Passivposten aufgelöst.
- Der negative Ausgleichsposten wird als Wertberichtigung zum Beteiligungsansatz gewertet mit der Folge einer Auflösung erst bei Realisation (Veräußerung uÄ) der Beteiligung.
Anders sind nach Auffassung von Hoffmann in der Unternehmenspraxis anzutreffende Sachverhaltsgestaltungen zu würdigen, nämlich eine Einzahlung des Verkäufers in das Vermögen des Kaufobjektes (zB eine KapGes).
Beispiel:
Ein Konzern will eine bestimmte Sparte, von der sie sich keinen ausreichenden value added für den Konzern mehr verspricht, abstoßen. Leitende Angestellte schließen sich zu einem sog Management-Buy-out (MBO) zusammen. Der Veräußerer hat ...