Rn. 328
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Der Gesetzgeber "korrigiert" mit § 4f EStG und § 5 Abs 7 EStG die Rspr des BFH, der in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertrat, dass das vom übertragenden Unternehmen gezahlte Entgelt im Übertragungsjahr voll BA sei.
Auch verwirft der Gesetzgeber die Auffassung des BFH, dass das die Verpflichtung übernehmende Unternehmen im Übernahmejahr das empfangene Entgelt gewinnerhöhend aktivieren und die Verpflichtung in gleicher Höhe gewinnmindernd passivieren müsse (BFH vom 16.12.2009, I R 102/08, BStBl II 2011, 566 Rz 9 ff für Drohverlustrückstellungen; BFH vom 14.12.2011, I R 72/10, BFH/NV 2012, 635 Rz 10 und 16 für Jubiläums- und Beitragspflichten zum PSVaG; BFH vom 12.12.2012, I R 69/11, BFH/NV 2013, 840 Rz 25 ff für übertragene Pensionsverpflichtungen). Der BFH ging also im Ergebnis von der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs beim Erwerber der Verpflichtung aus.
Das Prinzip der Erfolgsneutralität durchbricht nun § 5 Abs 7 EStG. Er unterstellt grundsätzlich das Entstehen eines "Übernahmegewinns" beim Erwerber der Verpflichtung, wenn das Entgelt die Rückstellung übersteigt, die der Veräußerer der Verpflichtung fiktiv am ersten Bilanzstichtag des Erwerbers nach der Verpflichtungsübernahme hätte bilden können (§ 5 Abs 7 S 1 EStG). Jenen Übernahmegewinn darf der Erwerber der Verpflichtung allenfalls maximal auf das Jahr der Übernahme und die 14 Folgejahre gleichmäßig mit einem Fünfzehntel strecken (§ 5 Abs 7 S 5 EStG).
Der Veräußerer der Verpflichtung muss lt § 4f Abs 1 S 1 EStG einen Veräußerungsverlust in Höhe des Differenzbetrages aus dem von ihm gezahlten höheren Entgelt und der niedrigeren gebildeten Rückstellung – den Differenzaufwand (s Rn 324) – gleichmäßig auf jenes Jahr und die 14 Folgejahre mit einem Fünfzehntel verteilen, wenn ein Schuldbeitritt oder eine Erfüllungsübernahme vorliegt. Dies gilt auch für einen Rechtsnachfolger des übertragenden Unternehmens. Allerdings greift die Verteilung aus der Grundsatzregelung nicht bei den in s Rn 325 genannten Ausnahmetatbeständen.
Rn. 329
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Der BFH begründete seine Rspr mit den GoB, die laut § 5 Abs 1 S 1 EStG grundsätzlich auch für die StB gelten. Die Rspr des BFH überzeugte, zumal § 6 Abs 1 Nr 3 S 1 EStG bei Verbindlichkeiten die sinngemäße Anwendung der Nr 2 jener Vorschrift verlangt, die einen Ansatz von aktiven WG mit den AK gebietet. Deshalb müssen folgerichtig auch entgeltlich erworbene Verbindlichkeiten mit ihren AK passiviert werden.
Es stellt sich die Frage, ob die Widersprüchlichkeit und damit die mangelnde Folgerichtigkeit der gesetzlichen Neuregelung das Rechtsstaatsprinzip aus Art 20 Abs 3 GG verletzt.
Rn. 330
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Zudem drängt sich die Frage auf, ob es dem Gesetzgeber bewusst war, dass lt § 5 Abs 7 S 1 EStG der Übernehmer der Verpflichtung einen im Übernahmejahr voll abziehbaren Verlust erzielt, wenn ihm der Veräußerer ein Entgelt zahlt, das den fiktiven Verpflichtungswert unterschreitet, den das übertragende Unternehmen am Ende des Wj der Übertragung hätte bilden können und der nun für den Erwerber gilt. Beim übertragenden Unternehmen ergibt sich ein sofort zu versteuernder Gewinn aus der Differenz zwischen dem aufzulösenden Verpflichtungswert und dem geringeren Entgelt, das es für die Verpflichtungsübernahme zahlt. Es greifen keinerlei Verteilungen des Differenzaufwands beim übernehmenden Unternehmen und auch nicht hinsichtlich des Differenzgewinns beim übertragenden Unternehmen.
Allerdings unterschreitet in der Praxis das Entgelt für die Verpflichtungsübernahme nur selten die gebildete Pensionsrückstellung. Eher kommt dies bei Jubiläumsverpflichtungen vor. Bei extremen Entgeltunterschreitungen stellt sich die allgemeine Frage der Angemessenheit und damit der steuerlichen Anerkennung. Insbesondere gilt dies bei miteinander verflochtenen Unternehmen.