Tobias Müller, Dr. Katrin Dorn
Rn. 141
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
§ 6b EStG setzt voraus, dass bestimmte WG des AV (begünstige Veräußerungsobjekte) veräußert werden.
Rn. 142
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Bei "Veräußerungen" handelt es sich zwar um einen bürgerlich-rechtlichen Begriff, der jedoch nach Maßgabe der allg gültigen bilanzsteuerrechtlichen Kriterien auszulegen ist. Veräußerungen iSd § 6b EStG sind durch die Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums an einem WG gegen Entgelt definiert (BFH BStBl II 1977, 145). Es geht dabei um den (bilanzsteuerrechtlichen) Realisationsvorgang.
Die Veräußerung ist dann erfolgt, wenn der Erwerber über das WG wie ein Eigentümer verfügen kann, bei Grundstücken also ab dem Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen, Lasten und der Gefahr des zufälligen Untergangs (BFH BStBl II 1992, 517). In diesem Augenblick ist das betreffende WG nicht mehr dem Veräußerer, sondern dem Erwerber bilanzrechtlich zuzurechnen. Der Rechtsgrund für die Übertragung des bürgerlich-rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums ist unerheblich.
Rn. 143
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Danach kommen folgende Sachverhalte als Veräußerungsvorgang iSd § 6b EStG in Betracht:
- der übliche Kaufvertrag (zB Verkauf eines WG nach § 433 BGB),
- das Tauschgeschäft (BFH BStBl II 1996, 60, vergleichbar § 6 Abs 6 S 1 EStG; s § 6 Rn 1791 (Müller/Dorn)),
- sog verdeckte Einlage in eine KapGes (§ 6 Abs 6 S 2 EStG; s § 6 Rn 1820 (Müller/Dorn)),
- Einlagen in mitunternehmerische PersGes in der Zeit nach dem 31.12.1998 und vor dem 01.01.2002 (s Rn 13),
- offene Einlage (von einzelnen WG) in KapGes gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten,
- Veräußerung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen (wegen der Option zwischen der Tarifermäßigung oder Begünstigung nach § 6b EStG s Rn 30),
- Einbringungen der zuvor genannten Sachgesamtheiten zum gemeinen Wert nach den §§ 20, 24 UmwStG, sofern der Buchwert niedriger ist,
- Übertragungen zwischen Mitunternehmer und Gesamthands- oder Gemeinschaftsvermögen bei Beteiligung von Körperschaften gem § 6 Abs 5 S 5f EStG (s § 6 Rn 1696 (Müller/Dorn)),
- Zwangsversteigerung,
- Sachwertabfindung in Form einzelner WG, wenn die WG ins PV gelangen (vgl BFH BStBl I 2006, 253 Tz 51, 14).
Rn. 144
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Keinen Veräußerungsvorgang stellen dar:
- Entnahmen (zB auch bei Entnahme eines Grundstückes iRd der vorweggenommenen Erbfolge auf einen möglichen Erben, der nicht Mitunternehmer dieser PersGes wird),
- Betriebsaufgabe mit Überführung in das PV,
- Flurbereinigungsverfahren (BFH BStBl II 1986, 711),
- Übertragung einer existenzsichernden Wirtschaftseinheit gegen Versorgungsleistungen im Weg der vorweggenommenen Erbfolge (§ 6 Abs 3 EStG; s § 6 Rn 1381ff (Müller/Dorn)),
- Einbringung von Einzel-WG in mitunternehmerische PersGes gegen oder ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten nach dem 31.12.2001 zu Buchwerten (s § 6 Rn 1602, 1603 (Müller/Dorn)),
- Ausscheiden aufgrund höherer Gewalt, allerdings kann für eine etwaige Versicherungsentschädigung R 6.6 EStR 2012 angewandt werden (s Rn 30),
- Enteignung (so Kanzler, FR 2001, 1225; Strahl in Korn, § 6b EStG Rz 14 (05/2002)),
- Vermögensübernahmen nach UmwStG (Tz 4.14 UmwStE),
- Liquidation einer KapGes, Herabsetzung des Kapitals, da kein Eigentum auf eine andere Person übertragen wird (BFH v 06.12.1972, I R 182/70, BStBl II 1973, 291),
- unentgeltliche Überführungen von WG aus dem BV des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft und umgekehrt, da dieser Vorgang nicht entgeltlich erfolgt; anders, bei Gewährung von Gegenleistungen in Form von Gesellschaftsrechten oder bei Leistung von Ausgleichszahlungen oder Übernahme von Verbindlichkeiten. So findet § 6b EStG in diesen Fällen zB Anwendung, wenn die Voraussetzungen für eine Übertragung zu Buchwerten nach § 6 Abs 5 S 4ff EStG nicht vorliegen (Schiessl in Brandis/Heuermann, § 6b EStG Rz 56 (12/2023)).
Rn. 145
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Bestimmte Vermögensauseinandersetzungen, wie Realteilungen, Zugewinnausgleich oder Erbteilungen, können je nach Sachverhaltstatbeständen entgeltlich oder unentgeltlich sein (zB bei Realteilung mit Wertausgleich). Im Falle der Entgeltlichkeit findet § 6b EStG Anwendung. Bei Teilentgeltlichkeit soll eine Aufteilung vorgenommen werden (vgl BMF BStBl I 1993, 80 Tz 41, 37); Folge ist eine partielle Anwendung von § 6b EStG (Hartmann/Meyer, INF 2003, 871). Auch s Rn 196.
Auch die unentgeltliche Überführung von WG aus dem BV des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt ist nicht als Veräußerung anzusehen, da eine Entgeltlichkeit nicht vorliegt.
Rn. 146
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Bei teilentgeltlicher Übertragung eines Einzel-WG ist die Bildung einer 6b-Rücklage auf das Teilentgelt beschränkt, denn der unentgeltliche Anteil gilt als Entnahme (s Rn 145). Hierzu folgendes Bsp (nach Strahl in Korn, § 6b EStG Rz 28 (09/2002)).
Beispiel:
Vater V überträgt dem Sohn S ein Betriebsgrundstück, dem ein Verkehrswert von EUR 2 Mio zukommt (Buchwert EUR 500 000). S übernimmt Verbindl...