Tobias Müller, Dr. Katrin Dorn
a) Rücklage für Ersatzbeschaffung (R 6.6 EStR 2012)
Rn. 26
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung (s §§ 4,5 Rn 857 (Hoffmann)) bzw die Übertragung stiller Reserven auf Ersatz-WG setzt nach R 6.6 EStR 2012 und der zugrunde liegenden BFH-Rspr eine Aufdeckung stiller Reserven durch höhere Gewalt oder durch behördlichen Eingriff voraus (zB Vernichtung des Gebäudes durch Brand oder Enteignung).
Sind die Voraussetzungen des § 6b EStG im Übrigen erfüllt (zB Einhaltung der Vorbesitzzeit s Rn 195ff), dann besteht ein Wahlrecht des StPfl, von welcher Begünstigungsvorschrift er Gebrauch machen will (so auch Schiessl in Brandis/Heuermann, § 6b EStG Rz 72 (12/2023); Kanzler, FR 2001, 1224). Es muss sich allerdings um einen Veräußerungsvorgang handeln, Enteignungen ohne Entschädigungen und Versicherungsentschädigungen fallen nicht unter § 6b EStG.
Der Vorteil der Rücklagenbildung für Ersatzbeschaffung liegt in der fehlenden Verzinsungspflicht (s Rn 114) bei der Auflösung infolge späterer Nicht-Übertragung der stillen Reserven auf ein Ersatz-WG.
Rn. 27–28
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
vorläufig frei
b) Tarifermäßigung für Veräußerungsgewinne nach § 34 Abs 1 und 2 EStG
Rn. 29
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Die Tarifbegünstigungen für Veräußerungsgewinne bei Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen entfallen nach § 34 Abs 1 S 4 EStG, soweit – bei Vorliegen der übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen – § 6b EStG in Anspruch genommen wird. Hierzu besteht ein Wahlrecht des StPfl. Die Tarifermäßigung nach § 34 EStG entfällt, wenn der StPfl das Wahlrecht nach § 6b EStG ausübt. Dies gilt nicht, wenn für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an KapGes eine Rücklage gebildet wird. Die Rücklagenbildung ist für den verbleibenden Teil des Veräußerungsgewinns unschädlich. Entsprechend hat auch das FG Münster v 23.09.2015, 10 K 4079/14 F, EFG 2016, 20 rkr entschieden, weil § 34 Abs 1 S 4 EStG die Steuerbegünstigung nicht ausschließt, weil der stpfl Anteil aus dem Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der KapGes ja gerade nicht zu den außerordentlichen Einkünften gehört.
Anders liegt der Sachverhalt, wenn eine früher gebildete 6b-Rücklage (s Rn 55f) im Rahmen einer Betriebsaufgabe oder -veräußerung weitergeführt werden soll. Die Rücklage kann – tarifbegünstigt – aufgelöst oder auf ein Ersatz-WG in einem anderen Betrieb des StPfl übertragen werden (R 6b.2 Abs 10 S 6 EStR 2012).
Beispiel:
Der 60-jährige Einzelunternehmer V verkauft seinen Betrieb an einen Fremden, das Grundstück soll im neu zu gründenden gewerblichen Unternehmen mit der Tochter als Mitunternehmerin weiter genutzt werden. V hat folgende Gestaltungsalternativen:
- Beteiligung als Mitunternehmer an einem mit seiner Tochter neu zu gründenden Betrieb (Mitunternehmerschaft); Veräußerung des Grundstücks an die Gesellschaft mit Abzug des Veräußerungsgewinns nach Maßgabe seiner Beteiligungsquote;
- Überführung des Grundstücks anlässlich des Unternehmensverkaufs ins PV mit anschließender Einlage in das neue Gesamthandsvermögen; Inanspruchnahme der Tarifvergünstigung nach § 34 EStG.
Weitere Voraussetzung für die Gewährung der Tarifermäßigung (und des Freibetrages nach § 16 Abs 4 EStG) ist nach der Auffassung der FinVerw in R 6b.2 Abs 10 S 3 EStR 2012, dass es sich nicht um eine Rücklage für stille Reserven aus der Veräußerung einer wesentlichen Betriebsgrundlage handelt.
Rn. 30–35
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
vorläufig frei
c) Steuerplanungsüberlegungen, Wahlrecht
Rn. 36
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
An diese Überlegungen schließen sich weitere hinsichtlich steueroptimierender Gestaltungen an, die sich auf die optionale Ausrichtung der Begünstigungsnorm stützen. § 6b EStG kann auch, wenn gewollt – auch teilweise –, nicht beansprucht werden. So kann es in einer Verlustperiode sinnvoll sein, die Begünstigung nach § 6b EStG gerade nicht in Anspruch zu nehmen, um Verlustverrechnungsbeschränkungen oder den Verlust der Steuerwirkungen von Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen etc zu umgehen. Die Folge wäre dann ein erhöhtes Abschreibungsvolumen etwa auf die (unterstellt) ersatzbeschafften Gebäude in späteren Perioden.
Generell gilt dieser Hinweis insb auch für die Fälle, bei denen ein bestehender Verlustvortrag unterzugehen droht (zB bei Anteilseignerwechsel an KapGes nach §§ 8c, 8d KStG oder bei Fusionen nach §§ 4 Abs 2 S 2 und 12 Abs 3 S 2 UmwStG).
Zu berücksichtigen ist zudem, dass sich die Bildung und Übertragung einer § 6b-Rücklage auch auf die Anwendung von § 15a EStG auswirkt (Beschränkung des Verlustausgleichs und -abzugs nach § 15a EStG, BFH v 18.05.2017, IV R 36/14, BStBl II 2017, 905). Da die §-6b-Rücklage nicht zum steuerlichen EK iSd Regelung gehört, erhöht sich durch ihre Bildung nicht das Verlustausgleichsvolumen. Zudem kann die Übertragung einer solchen Rücklage beim aufnehmenden BV zu einer Verringerung des Verlustausgleichsvolumens iSd § 15a EStG führen, weil nun in das Kapitalkonto iSd § 15a EStG eine negative Ergänzungsbilanz einzubeziehen ist (s § 15a Rn 6a, 50 und 62a (Bitz)). Gleichermaßen ist das bei einer Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG auf eine KG entstehende Sonderkonto im Rah...