Tobias Müller, Dr. Katrin Dorn
A. Grundtatbestand, Aufbau, Inhalt und Rechtsfolge (Gewinnübertragung oder Rücklagenbildung) der Abs 1 bis 9
1. Grundtatbestand und Aufbau der Regelung
Rn. 46
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
§ 6b EStG eröffnet dem StPfl die Möglichkeit, dass durch eine Veräußerung bestimmter WG aufgedeckte stille Reserven nicht sofort versteuert werden müssen, weil diese unter bestimmten Voraussetzungen auf ein sogenanntes Reinvestitionsgut übertragen oder in eine Rücklage eingestellt werden dürfen. Die Regelung ist als Wahlrecht ausgestaltet, ein Zwang zur Neutralisierung der stillen Reserven besteht nicht (s Rn 51).
Über § 6c EStG gelten die Wahlrechte auch dann, wenn StPfl ihren Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG ermitteln.
Rn. 47
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
§ 6b EStG enthält insgesamt 10 (bzw mit Abs 2a 11) Absätze. § 6b Abs 10 EStG erfasst den Sonderfall der Veräußerung von Anteilen an KapGes durch Personenunternehmen (s Rn 261ff). Die weiteren 9 bzw 10 Absätze beinhalten Folgendes:
Die zentrale Regelung beinhaltet Abs 1. Dieser bestimmt, dass bei der Veräußerung bestimmter WG des AV (sog bestimmte Veräußerungsobjekte) der daraus entstehende Gewinn auf die AH/HK bestimmter angeschaffter oder hergestellter WG (sog begünstigte Reinvestitionsobjekte, Ersatz-WG) übertragen werden kann. Voraussetzung ist ua, dass die Anschaffung oder Herstellung dieser WG im Wj der Veräußerung oder im vorangegangenen Wj erfolgt bzw erfolgte.
Abs 2 definiert die Begriffe Veräußerungsgewinn und Buchwert (s Rn 231ff).
Abs 2a sieht für den Fall, dass das Ersatz-WG zu einem BV des StPfl im EU-/EWR-Ausland zugerechnet wird, ein Wahlrecht zwischen einer Sofortbesteuerung der stillen Reserven und einer Verteilung der Steuer auf 5 gleiche Jahresraten, wenn der StPfl eine Reinvestition in das im EU bzw EWR belegene BV plant. Ergänzend enthält Abs 2a Regelungen zur Verzinsung des gewährten Zahlungsaufschubs bei fehlender oder lediglich partieller EU- Reinvestition (s Rn 121ff).
Abs 3 gewährt dem StPfl ein Wahlrecht, dass er anstatt des Abzugs nach Abs 1 im Wj der Veräußerung eine entsprechende Rücklage bilden kann, und enthält weitere Einzelheiten über die steuerliche Behandlung, Dauer und Auflösung der Rücklage (s Rn 111ff).
Abs 4 enthält weitere Tatbestandsvoraussetzungen über den Abzug und die Rücklagenbildung (s Rn 111ff).
Abs 5 beinhaltet ergänzende Regelungen für den Sonderfall, dass das Reinvestitionsgut bereits im Wj vor der Veräußerung angeschafft wurde (s Rn 54).
Abs 6 regelt Einzelheiten über die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA und Sonderabschreibungen des angeschafften oder hergestellten Reinvestitionsguts (s Rn 100).
Abs 7 sieht die Verzinsung der gebildeten Rücklage für den Fall vor, dass eine solche zwar gebildet wurde, allerdings kein Reinvestitionsgut angeschafft oder hergestellt wurde (s Rn 111ff).
Abs 8 und 9 enthalten die Besonderheiten für den Fall der städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen (s Rn 131ff).
Rn. 48–50
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
vorläufig frei
2. Möglichkeiten der Gewinnübertragung, insb Rücklagenbildung, und Beschränkungen nach § 6b Abs 1, 3 und 5 EStG
Rn. 51
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Die Gewinnübertragung auf andere WG (Abzug von den AK/HK) nach § 6b Abs 1 EStG setzt voraus, dass der StPfl ein begünstigtes WG mit Gewinn veräußert (Veräußerungsgewinn) und ein anderes begünstigtes WG (Reinvestitions-WG bzw Ersatz-WG) anschafft oder herstellt. Als Zeitpunkt muss die Anschaffung oder Herstellung im Wj der Veräußerung erfolgen oder im vorangegangen Wj erfolgt sein.
Nimmt der StPfl im Veräußerungsjahr den Abzug nach Abs 1 nicht vor, kann er eine Rücklage nach § 6b Abs 3 EStG bilden, die ebenfalls eine sofortige Besteuerung des Veräußerungsgewinns verhindert.
Die Gewinn- oder Rücklagenübertragung ist nur zwischen den in Abs 1 genannten WG möglich. Die in § 6b Abs 1 S 1 und 2 EStG genannten begünstigten Veräußerungsobjekte und Reinvestitionsobjekte sind abschließend. Eine analoge Anwendung auf andere WG ist nicht möglich (BFH v 24.08.1989, IV R 38/88, BStBl II 1989, 1016). So lehnte das FG München die Anwendung von § 6b EStG auf eine Außenanlage eines Betriebsgrundstückes ab. Solche (im Streitfall: Parkplatzanlagen) sind als selbstständige unbewegliche WG in § 6b Abs 1 S 2 EStG nicht genannt und daher als Reinvestitionsgüter nicht begünstigt (FG München v 04.02.2021, 10 K 1620/20).
Die Gewinnübertragung sowie die Rücklagenbildung sind als Wahlrecht gestaltet: (s Rn 36). Dies hat der BFH v 06.12.2017, VI R 68/15, BFHE 260, 264 erneut klargestellt. Dieses Wahlrecht kann der StPfl auch dergestalt ausüben, dass er den begünstigten Gewinn in einen sofort zu versteuernden, sofort zu übertragenden und in einen in die Rücklage einzustellenden Betrag aufteilt (Schiessl in Brandis/Heuermann, § 6b EStG Rz 220 (12/2023)).
Der StPfl muss dieses Wahlrecht nicht ausüben, auch besteht keine Pflicht des FA oder FG, wonach diese den StPfl auf diese Möglichkeit hinweisen müssen (BFH v 27.06.2007, IV B 113/06, BFH/NV 2007, 2257). Bei den in Abs 1 und Abs 3 gewährten Wahlrechten handelt es sich um sog Bilanzierungswahlrechte, die durch einen Abzug des Veräußerungsgewinns von den AK eines Ersatz-WG oder Bildung einer Rücklage in der StB bzw bei der Veräußerung von Sonder-BV in der jeweiligen Sonderbilanz a...