A. Überblick über die Vorschrift
Rn. 1
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
§ 70 Abs 1 S 1 EStG regelt die Festsetzung und Auszahlung des Kindergelds durch die Familienkasse. § 70 Abs 1 S 2 EStG enthält eine dem Erhebungsverfahren zuzuordnende Auszahlungsbeschränkung für das festgesetzte Kindergeld. Dieses wird rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, ausgezahlt.
§ 70 Abs 1 S 3 EStG bestimmt, dass der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG von der Auszahlungsbeschränkung nach § 70 Abs 1 S 2 EStG unberührt bleibt.
§ 70 Abs 2 S 1 EStG beinhaltet eine Korrekturvorschrift, die bei der Änderung der für den Anspruch auf Kindergeld wesentlichen Verhältnisse Anwendung findet. § 70 Abs 2 S 2 EStG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheids abgesehen werden kann.
§ 70 Abs 3 S 1 EStG betrifft die Korrektur materieller Fehler der letzten Kindergeldfestsetzung und regelt, ab welchem Zeitpunkt die Aufhebung oder Änderung erfolgt. § 70 Abs 3 S 2 EStG bestimmt, dass § 176 AO entsprechend anzuwenden ist; dies gilt allerdings nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes beginnen.
§ 70 Abs 4 EStG aF, den das StVereinfG 2011 vom 01.11.2011 (BGBl I 2011, 2131) mit Wirkung zum 01.01.2012 aufgehoben hat, beinhaltet eine spezielle Änderungsvorschrift für den Fall, dass nachträglich bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs 4 EStG über- oder unterschreiten. Die Vorschrift ist für Kindergeldzeiträume bis einschließlich 2011 weiter anwendbar (§ 52 Abs 50 EStG idF § 52 EStG idF Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014, BGBl I 2014, 1266). Für Kindergeldzeiträume ab 2012 bedarf es der Änderungsvorschrift des § 70 Abs 4 EStG hingegen deshalb nicht mehr, weil der Gesetzgeber die Regelung über den Jahresgrenzbetrag in § 32 Abs 4 EStG aF zum 01.01.2012 aufgehoben hat.
B. Entstehungsgeschichte
Rn. 2
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Die Vorschrift ist durch das JStG 1996 (BGBl I 1995, 1250) in das EStG eingefügt worden. Das JStErgG 1996 (BGBl I 1995, 1959) hat § 70 Abs 3 EStG angefügt, der die Korrektur materieller Fehler der letzten Kindergeldfestsetzung zum Gegenstand hat. Das JStG 1997 (BGBl I 1996, 2049) hat § 70 Abs 2 EStG insoweit geändert, als es die ursprüngliche Gesetzesfassung, "die für die Zahlung von Kindergeld erheblich sind" durch die Formulierung, "die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind" ersetzt hat. Nach der ursprünglichen Fassung des § 70 Abs 1 S 1 EStG wurde das Kindergeld von der Familienkasse festgesetzt und ausgezahlt, "soweit nichts anderes bestimmt ist". Der letzte Hs ist durch das StEntlG 1999/2000/2002 (BGBl I 1999, 402) gestrichen worden, da das Kindergeld infolge der durch das StEntlG 1999 (BGBl I 1998, 3779) erfolgten Aufhebung des § 73 EStG mit Wirkung vom 01.01.1999 nicht mehr von den privaten ArbG, sondern in allen Fällen von der Familienkasse ausgezahlt wird.
Rn. 3
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Das FamFördG (BGBl I 1999, 2552) hat § 70 Abs 1 S 2 EStG mit Wirkung vom 01. 01 1999 neu gefasst. Es handelte sich zum einen um eine Änderung infolge der Streichung des § 67 Abs 2 EStG. Die materielle Rechtslage hat nur eine unwesentliche Änderung erfahren. Es bedarf nach § 70 Abs 1 S 2 EStG weiter keines schriftlichen Bescheids in den Fällen, in denen der Berechtigte bei Erreichen der Volljährigkeit des Kindes nicht nachweist, dass die Voraussetzung für eine weitere Kindergeldgewährung vorliegen. Insoweit verweist das Gesetz nicht mehr auf § 157 AO.
Rn. 4
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Das 2. FamFördG (BGBl I 2001, 2074), vgl dazu Felix, NJW 2001, 3073, hat mit Wirkung zum 01.01.2002 in § 70 Abs 4 EStG eine weitere spezielle Korrekturvorschrift geschaffen. In Rspr und Literatur war umstritten, wie zu verfahren ist, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag über- oder unterschritten haben.
Rn. 5
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Das Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006, BGBl I 2006, 2915 hat § 70 Abs 1 S 2 EStG mit der Begründung aufgehoben, die Bescheiderteilung bei jedem VA mache das Handeln der Familienkassen für den Kindergeldberechtigten transparenter, die Selbstkontrolle der Verwaltung werde erhöht (BT-Drucks 16/1368, 310).
Rn. 6
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Das FamLeistG vom 22.12.2008, BGBl I 2008, 2955 hat in § 70 Abs 2 EStG den S 2 eingefügt, wonach von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheids abgesehen werden kann, wenn die Änderung der Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Abs 1 EStG genannten Kindergeldbeträge erforderlich ist.
Rn. 7
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Das StVereinfG 2011 vom 01.11.2011 (BGBl I 2011, 2131) hat § 70 Abs 4 EStG zusammen mit der Regelung über den Jahresgrenzbetrag in § 3...