a) Der Grundsatz
Rn. 22
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Es stellt sich die allg Frage, ob Vergünstigungen wie § 7g EStG, also IAB und Sonderabschreibungen mit Art 107 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU, Abl EG Nr C 115 v 09.05.2008, 47, in Kraft seit 01.12.2009, vormals Art 87 EGV) vereinbar sind.
Rn. 23
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Nach Art 108 Abs 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweigen den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Nach hier vertretener Auffassung ist schon zweifelhaft, ob § 7g EStG überhaupt eine solche wettbewerbsverfälschende Beihilfe ist. Jedenfalls aber "können" nach Art 107 Abs 3 Buchst c AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden:
Zitat
"Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft"
Rn. 24
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Somit ist eine Förderung kleiner und mittlerer Betriebe, wie sie § 7g EStG vorsieht, mE grds europarechtskonform (glA Kulosa in Schmidt, § 7g EStG Rz 3, 40. Aufl 2021, wohl auch Kratzsch in Frotscher/Geurts, § 7g EStG Rz 6).
b) Die Ausnahme
Rn. 25
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
§ 7g Abs 4 S 1 EStG sieht vor, die Herabsetzung der AK/HK, die Verringerung der Bemessungsgrundlage und die Hinzurechnung rückgängig zu machen, wenn ein nach § 7g Abs 2 EStG begünstigtes WG nicht bis zum Ende des dem Wj der Anschaffung/Herstellung folgenden Wj in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs (fast) ausschließlich betrieblich genutzt wird (Verbleibensfrist).
Rn. 26
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Unverändert hält der Gesetzgeber für die Verbleibensfrist somit an dem Inlandsbezug fest. Dies ist mE europarechtswidrig (glA Kulosa in Schmidt, § 7g EStG, 40. Aufl 2021 Rz 3, 18). Beispielsweise hatte der Gesetzgeber (Art 1 Nr 3, 7 des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v 09.04.2010, BGBl I 2010, 386) etwa bei § 7 Abs 5 EStG die Beschränkung auf inländische Objekte beseitigt und begünstigt nunmehr alle im EU-/EWR-Raum belegenen Objekte (Art 1 Nr 3 des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v 08.04.2010, BGBl I 2010, 386). § 7b EStG gewährt die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau ganz allg für in einem EU-Mitgliedstaat (§ 7b Abs 1 S 1 ESG) oder in einem solchen gleichgestellte Staaten (§ 7b Abs 1 S 4 EStG) belegenen Objekte (s § 7b Rn 7f (Handzik)). Für § 7g EStG kann nichts anderes gelten.
Rn. 27
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Dies belegt die bisherige Rspr des EuGH:
(1) |
EuGH v 04.12.2008, C-330/07, EuZW 2009,83 – "Jobra" Der EuGH (betreffend Österreich) hielt es für nicht mit der Niederlassungsfreiheit (Art 49 AEUV) vereinbar, wenn Unternehmen die Gewährung einer Investitionsprämie für die Anschaffung materieller WG deswegen versagt wurde, weil die entgeltlich überlassenen WG, für die diese Prämie geltend gemacht werden konnte, überwiegend in anderen EU-Mitgliedstaaten eingesetzt wurden. |
(2) |
EuGH v 16.04.2015, C-591/13, BFH/NV 2015, 941 – "Kommission gegen Deutschland" Danach (zur Entscheidung s Anger/Wagemann, NWB 20/2013, 1441) verstieß § 6b Abs 4 S 1 Nr 3 EStG gegen die Niederlassungsfreiheit, da danach die Reinvestition nur begünstigt war, wenn die Ersatz-WG zum AV einer inländischen Betriebsstätte gehörten (zur Reaktion des Gesetzgebers durch § 6b Abs 2a EStG s § 6b Rn 211 (Müller/Dorn)). |
Rn. 28
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Man wird daher § 7g Abs 1 S 1 EStG europarechtskonform dahingehend auszulegen haben, dass eine Nutzung in einer EU-ausländischen Betriebsstätte innerhalb der Verbleibensfrist als unschädlich angesehen werden muss.
Rn. 29
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Das Problem der Beschränkung auf der steuerlichen Förderung auf das Inland im Bereich der Abschreibungen (§§ 7ff EStG) ist nur teilweise vom Gesetzgeber gelöst:
Vorschrift |
Beschränkung auf das Inland? |
§ 7 Abs 5 EStG |
Nein, daher europarechtskonform, s § 7 Rn 10b (Handzik) |
§ 7b EStG |
Nein, daher europarechtskonform, s § 7b Rn 7, 8 (Handzik) |
§ 7c EStG |
Nein, daher europarechtskonform |
§ 7g Abs 1 S 1, Abs 4 S 1 |
Ja, daher unionsrechtswidrig |
§ 7h Abs 1 S 1 EStG |
Ja, daher unionsrechtswidrig, s § 7h Rn 2d–2g (Handzik) |
§ 7i Abs 1 S 1 EStG |
Ja, daher unionsrechtswidrig, s § 7i Rn 1g–1k (Handzik) |