a) Aktueller Meinungsstand
Rn. 65
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Nach dem Wortlaut der Legaldefinition in § 9 Abs 1 S 1 EStG sind WK Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und (zutreffender wohl "oder", da nach einheitlicher Auffassung – s Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 121 mwN – eine der Zielrichtungen ausreicht) Erhaltung von Einnahmen. Aus Abs 1 S 2 ergibt sich, dass die Aufwendungen daneben einer bestimmten Einkunftsart zurechenbar sein müssen.
Rn. 66
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Der BFH (und mit ihm die hM, s Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 147) geht bei der Auslegung des WK-Begriffs inzwischen in st Rspr über den Wortlaut hinaus (BFH v 20.06.2000, VIII R 37/99, BFH/NV 2000, 1342). In Angleichung an den Begriff der BA in § 4 Abs 4 EStG (BFH v 04.03.1986, VIII R 188/84, BStBl II 1986, 373) fordert er, dass zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang bestehen muss (vgl BFH v 27.11.1978, GrS 8/77, BStBl II 1979, 213). Ausschlaggebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Grunds zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (BFH v 04.07.1990, GrS 2–3/88, BStBl II 1990, 817, 823). Nach der vom BFH verwendeten Formel
- muss objektiv ein Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der auf die Einkommenserzielung gerichteten Tätigkeit bestehen und
- müssen subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Tätigkeit getätigt werden
(BFH v 22.06.2006, VI R 61/02, BStBl II 2006, 782; BFH v 11.07.2013, VI R 37/12, BStBl II 2013, 815; BFH v 02.04.2014, VIII R 26/11, BFH/NV 2014, 1745; BFH v 08.04.2014, IX R 45/13, BStBl II 2015, 635).
Rn. 67
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Das subjektive Element ist aber nicht im Sinne einer willentlichen Entscheidung des StPfl zwingend. Zu den WK können auch Wertabgaben gehören, die den StPfl unfreiwillig treffen (BFH v 25.10.1989, X R 69/88, BFH/NV 1990, 553; s Rn 78f). Für deren Abzugsfähigkeit kommt es entscheidend darauf an, ob das auslösende Moment für die Wertabgabe im Bereich der Einkünfteerzielung liegt (BFH v 20.12.1994, IX R 122/92, BStBl II 1995, 534 mwN).
b) Entwicklung und Inhalt des WK-Begriffs
Rn. 68
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Der Wortlaut des § 9 Abs 1 S 1 EStG legt einen final ("zur" Erwerbung, Sicherung und Erhaltung) ausgerichteten WK-Begriff nahe, wohingegen der BA-Begriff des § 4 Abs 4 EStG kausal ("die durch den Betrieb veranlasst sind") formuliert ist. Tatsächlich hat der BFH anfänglich die WK final definiert (BFH v 15.11.1957, VI 79/55 U, BStBl III 1958, 103). Diese finale Ausrichtung bereitete aber Probleme bei Ausgaben, die zwar gerade nicht der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung dienten, über deren Abzugsfähigkeit aber allgemein Übereinstimmung bestand, also Aufwendungen für bereits gesicherte Einnahmequellen, nachträgliche Ausgaben (s Rn 99ff), unfreiwillige Aufwendungen (s Rn 78f) und Abwehraufwendungen (s Rn 80). Hinzu kommt, dass eine erheblich voneinander abweichende Rspr zu BA einerseits und WK andererseits im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG kaum zu rechtfertigende Wertungswidersprüche aufwerfen würde (so auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II, 2. Aufl, 765).
Der BFH hat demgemäß ab Beginn der 60er Jahre (BFH v 02.03.1962, VI 79/60 S, BStBl III 1962, 192) angefangen, den WK-Begriff in Anlehnung an den BA-Begriff des § 4 Abs 4 EStG hin zum heute maßgeblichen Veranlassungsprinzip zu entwickeln (s Rn 66), dem auch die herrschende Literatur zustimmt (s Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9 EStG Rz 114; Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl 2021, Rz 8.230; v Bornhaupt in K/S/M, § 9 EStG Rz B 173; Krüger in Schmidt, § 9 EStG Rz 41). Stapperfend, FS für Kruse, 2001, 538 will demgegenüber auch weiterhin auf den Veranlassungszusammenhang nur in Ausnahmefällen als "Auffangmöglichkeit" zurückgreifen, nämlich wenn die Aufwendungen sich nicht auf die Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung auswirken können. Wenn die Aufwendungen dazu aber generell geeignet seien, sei allein auf den finalen WK-Begriff abzustellen.
Rn. 69
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Unter welchen Voraussetzungen aber konkret eine steuerlich relevante Veranlassung der Aufwendungen vorliegt, dh, wie der Begriff der Veranlassung en detail auszufüllen ist, darüber besteht eine schier unbegrenzte Meinungsvielfalt (s Kreft, Vorab veranlasste Erwerbsaufwendungen im ESt-Recht, 2000, 54 ff mwN). Dabei lassen sich die verschiedenen Ansichten häufig schon schwer einer bestimmten Gruppe zuordnen (Kreft aaO unterscheidet zB zwischen "Kausaltheorien" und "Veranlassungstheorien"); diese Gruppen wiederum sind in Anhänger von subjektiven und objektiven Kriterien in unterschiedlicher Ausprägung zu unterteilen.
- Die Anhänger der kausalen Veranlassungstheorie (zB Söhn, StuW 1983, 193; Wanner, StuW 1987, 302) setzen den Begriff der Veranlassung gleich mit dem der Verursachung, mit dem Ergebnis, dass Aufwendungen dann durch eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen veranlasst sei, we...