a) Erste gesetzliche Regelung
Rn. 670
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Das Rechtsinstitut der doppelten Haushaltsführung ist bereits seit den 1920er Jahren bekannt. Abgeleitet wurde die Berechtigung zum WK-Abzug zunächst aus dem allgemeinen WK-Begriff. Einzelheiten waren in Verwaltungsvorschriften geregelt. RFH und später der BFH folgten der Verwaltungsauffassung. Nachdem der BFH den Umfang der abzugsfähigen Aufwendungen dadurch erheblich ausgeweitet hatte, dass er die Kosten für Familienheimfahrten ohne quantitative Beschränkung zum Abzug zuließ (BFH v 18.02.1966, VI 219/64, BStBl III 1966, 386), wurde der Gesetzgeber mit StÄndG 1966 (BGBl I 1966, 702) aktiv und regelte erstmals in § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG den Tatbestand der doppelten Haushaltsführung. Die neue Vorschrift begrenzte die Zahl der berücksichtigungsfähigen Familienheimfahrten auf eine Fahrt pro Woche und ließ nur noch die Pauschbeträge wie bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (seit VZ 2014 erste Tätigkeitsstätte) zum Abzug zu.
b) Einschränkung des WK-Abzugs wegen doppelter Haushaltsführung für Ledige
Rn. 671
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Der BFH schränkte den WK-Abzug wegen doppelter Haushaltsführung in der Folge in einem wesentlichen Punkt ein: Während er zuvor eine doppelte Haushaltsführung auch bei ledigen ArbN in beschränktem Umfang anerkannt hatte (BFH v 17.02.1961, VI 32/60 U, BStBl III 1961, 169; BFH v 11.08.1961, VI 143/60 U, BStBl III 1961, 509), vertrat er nunmehr die Auffassung, dass das Unterhalten eines eigenen Hausstands ein ständiges hauswirtschaftliches Leben auch während der berufsbedingten Abwesenheit des StPfl erfordere, so dass danach eine doppelte Haushaltsführung grundsätzlich nur bei Familienhaushalten bzw dem Zusammenleben mit einer vom StPfl abhängigen Zurechnungsperson anzuerkennen sei (BFH v 19.11.1971, VI R 132/69, BStBl II 1972, 155). Diese restriktive Auslegung des § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG hatte bis zu einer erneuten Rspr-Änderung im Jahre 1995 (s Rn 673) Bestand.
c) Rspr-Änderung und Gesetzesänderung ab 1978
Rn. 672
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Entgegen seiner bisherigen Rechtsauffassung ging der BFH in den Urteilen BFH v 02.09.1977, VI R 114/76, BStBl II 1978, 26; BFH v 06.09.1977, VI R 5/77, BStBl II 1978, 31 und BFH v 06.09.1977, VI R 165/76, BStBl II 1978, 32 davon aus, dass nicht nur die Begründung, sondern auch die Beibehaltung des doppelten Haushalts beruflich veranlasst sein müsse. Davon könne zwar innerhalb der ersten zwei Jahre aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung ohne besondere Nachweise ausgegangen werden. Nach Ablauf dieser zwei Jahre müsse jedoch der StPfl nachweisen, dass die doppelte Haushaltsführung aus beruflichen und nicht aus privaten Gründen beibehalten werde.
Auf diese neue Rspr des BFH reagierte der Gesetzgeber umgehend. Durch Gesetz zur Änderung des EntwLStG und des EStG vom 21.05.1979 (BGBl I 1979, 558) mit Wirkung ab 1978fügte er den Passus "und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird" in den Gesetzestext ein. Damit wurde klargestellt, dass die Aufwendungen einer einmal begründeten doppelte Haushaltsführung dauerhaft als WK abgezogen werden können. Der ArbN muss daher sein bisheriges soziales Umfeld nicht deshalb aufgeben, weil ein auswärtiges Arbeiten einen Umzug nahelegen könnte. Welche privaten Gründe den ArbN veranlassen, von einem Umzug abzusehen, ist irrelevant. Zweck der gesetzlichen Regelung ist somit, dadurch die Mobilität des ArbN zu fördern, dass durch die steuerliche Berücksichtigung der Kosten des Wohnens am Beschäftigungsort (seit VZ 2014 Ort der ersten Tätigkeitsstätte) das Beibehalten des bisherigen Lebensmittelpunkts erleichtert wird (BFH v 05.10.1994, VI R 62/90, BStBl II 1995, 180).
d) Aufgabe der Rspr zum Familienhausstand
Rn. 673
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Mit Urteil BFH v 05.10.1994, VI R 62/90, BStBl II 1995, 180 gab der BFH daraufhin seine langjährige Rspr auf, wonach nur ein Familienhausstand iS einer doppelten Haushaltsführung "aufgesplittet" werden könne, und machte die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung eines nicht verheirateten ArbN nicht mehr davon abhängig, dass in seinem Hausstand von ihm abhängige "Zurechnungspersonen" leben.
e) Zeitliche Befristung durch JStG 1996
Rn. 674
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Mit dem JStG 1996 v 10.11.1995 (BGBl I 1995, 1250) nahm der Gesetzgeber eine Befristung der doppelten Haushaltsführung auf zwei Jahre vor, die er 1978 mit seiner gegen den BFH gerichteten Gesetzesänderung noch vermeiden wollte. Gegen diese Gesetzesänderung waren in der Literatur von Anfang an erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden (zB Kögel, FR 1997, 433). Mit Beschluss BVerfG v 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl II 2003, 534 hat das BVerfG für den Fall beiderseits berufstätiger Ehegatten sowie von Kettenabordnungen die zeitliche Beschränkung der doppelten Haushaltsführung für verfassungswidrig erklärt und in den Entscheidungsgründen offen gelassen, ob die zeitliche Befristung in anderen Fällen, in denen sich aus familiären oder sozialen Gründen die Aufgabe einer doppelten Haushaltsführung als unzumutbar erweist, verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Um sich der Aufgabe, derartige Fallgestaltungen zu defi...