1. Allgemeines
Rn. 8
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Nach § 9 Abs 1 S 1 EStG sind WK Aufwendungen. Der Begriff "Aufwendungen" wird im Allgemeinen iSv Ausgaben verstanden (BFH v 04.07.1990, GrS 1/89, BStBl II 1990, 830; Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 Rz 65 mwN). Sie liegen – im Umkehrschluss zur Legaldefinition der Einnahmen in § 8 Abs 1 EStG – vor bei Vermögensabflüssen in Geld oder Geldeswert (BFH v 28.11.1990, X R 197/87, BStBl II 1991, 300 mwN; Söhn, StuW 1991, 270, 271). Eine Anlehnung der Begriffsdefinition der Aufwendungen an § 8 EStG ist geboten, weil Einnahmen und WK einander spiegelbildlich gegenüberstehen wie dies auch bei BE und BA der Fall ist. Eine Ermittlung der Einkünfte bei den Überschusseinkunftsarten in Gestalt des Überschusses der Einnahmen über die WK (§ 2 Abs 2 Nr 2 EStG) wäre nicht sachgerecht, wenn die Begriffe der Einnahmen und WK inhaltlich nicht korrespondieren würden.
Rn. 9
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Abfluss bedeutet dabei Vermögensminderung (Aufopferung von Vermögenswerten) durch Ausscheiden eines Guts aus der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des StPfl (Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9 EStG Rz 104; Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 65). Damit führen auch AK oder HK zu WK, die allerdings wegen § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG nicht sofort, sondern über die Nutzungsdauer hinweg zeitanteilig abzuziehen sind.
Die Vermögensminderung kann sowohl auf einer Willensentscheidung des StPfl beruhen (zB Überweisung eines Geldbetrages auf das Konto des Gläubigers) als auch rein faktisch eintreten (zB Beschädigung eines Pkw bei einer Dienstfahrt). Reine Wertänderungen ohne Substanzminderung führen hingegen nicht zu Aufwendungen (BFH v 28.11.1990, X R 197/87, BStBl II 1991, 300; Ausnahmevorschriften stellen insoweit §§ 17 u 23 EStG dar). Nicht ausreichend ist die Entstehung einer Schuld. Insoweit liegt zwar wirtschaftlich eine Wertminderung des Vermögens vor. Hinzukommen muss aber noch der Abfluss von Geld oder Gütern, dh, erst die Erfüllung der Schuld begründet die Entstehung von WK. Gleiches gilt für Arrest und Pfändung: Auch hier fehlt es noch am Wertabfluss. Der Wertabfluss muss nicht endgültig sein (Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9 EStG Rz 106; Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 65); für das Vorliegen von WK iSd § 9 EStG ist es unerheblich, ob der Wertabfluss zu einem späteren Zeitpunkt rückgängig gemacht wird (etwa durch Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts oder durch Erstattung der Aufwendungen von dritter Seite (s Rn 33 ff und s Rn 49).
2. Gegenstand der Aufwendung
a) Gut in Geld oder Geldeswert
Rn. 10
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Nur ein Gut in Geld oder Geldeswert (s § 8 Rn 26ff (Pust)) kann Gegenstand von WK sein, hierzu gehören neben Geld und Forderungen auf Geld auch Sachen (§ 90 BGB) und Rechte (sogar der Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht kann darunterfallen, BFH v 19.01.1982, VIII R 102/78, BStBl II 1982, 533). Das Gut muss einen konkretisierbaren wirtschaftlichen Wert haben (BFH v 12.11.1985, IX R 183/84, BStBl II 1986, 890). Während Gegenstand einer Einnahme auch eine Nutzung, zB eine Wohnung oder ein Kfz oder eine Dienstleistung sein kann, sind die Überlassung eines Gegenstands zur Nutzung oder eine Dienstleistung des StPfl bei diesem grundsätzlich keine Aufwendungen iSd § 9 Abs 1 EStG.
b) Keine Aufwendungen ohne Vermögensminderung
Rn. 11
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Aus dem Nettoprinzip (s Rn 4f) folgt, dass Aufwendungen eine Vermögensminderung voraussetzen. Fehlt es an einer Verminderung des Vermögens des StPfl, so liegen idR keine berücksichtigungsfähigen WK iSd § 9 EStG vor.
Rn. 12
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Steuerrechtlich sind demzufolge keine Aufwendungen gegeben, wenn der StPfl auf die Aufwendung von Ausgaben verzichtet oder ihm Ausgaben erspart bleiben (zB ersparte Übernachtungskosten bei einer Dienstreise, weil der StPfl kostenfrei bei Freunden oder Bekannten übernachten kann oder weil ihm der ArbG sämtliche Aufwendungen erstattet, BFH v 08.07.2010, VI R 24/09, BStBl II 2011, 288). In diesem Fall kann er bspw auch keine Übernachtungspauschalen ansetzen (BFH v 08.07.2010, VI R 24/09, BStBl II 2011, 288). Führen Zuwendungen des ArbG, durch die sich der ArbN eigene Aufwendungen erspart, dagegen zu stpfl Einnahmen, können in Höhe der Zuwendungen abziehbare WK vorliegen, wenn die Zahlungen durch den ArbN zu abziehbaren WK geführt hätten (BFH v 03.02.2011, VI R 9/10, BFH/NV 2011, 976 – s Rn 15).
Rn. 13
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Entgehen dem StPfl Einnahmen oder Vorteile, weil er zB arbeitslos wird (vgl BFH v 15.12.1977, VI R 102/75, BStBl II 1978, 216), keinen Mieter für seine Wohnung findet (BFH v 19.04.2012, VI R 25/10, BStBl II 2013, 699, bei Umzug aus beruflichen Gründen insoweit abweichend von § 8 Abs 3 BUKG), er ein ihm versprochenes zinsbegünstigtes Darlehen nicht erhält (vgl BFH v 29.01.1982, VI R 59/78) oder ein gestundeter Kaufpreis vorzeitig gezahlt wird, so dass keine Stundungszinsen anfallen (BFH v 21.10.1980, VIII R 190/78, BStBl II 1981, 160), so wird hierdurch nicht etwa das bestehende Vermögen des StPfl gemindert, sondern es wird lediglich nicht erhöht, ein Abzug als WK ist daher...