Rn. 485
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Unterhält der StPfl mehrere Wohnungen, so können die Fahrten von der der ersten Tätigkeitsstätte nächstgelegenen Wohnung immer als WK abgesetzt werden, ob sie nun den Lebensmittelpunkt bildet oder nicht. Fahrtkosten von einer weiter entfernt liegenden Wohnung können nach § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 S 6 EStG hingegen nur berücksichtigt werden, wenn diese Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.
Rn. 486
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
In vielen Fällen, in denen der StPfl mehrere Wohnungen unterhält, wird zumindest zu prüfen sein, ob nicht auch der Tatbestand einer doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG, s Rn 660 ff) vorliegt. Sind deren Voraussetzungen gegeben und macht der StPfl Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung geltend, können Fahrtkosten von der weiter entfernt liegenden Lebensmittelpunktswohnung nur im Rahmen von Familienheimfahrten, dh eine Fahrt pro Woche, abgezogen werden, weil § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG gegenüber § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG insoweit als lex specialis vorrangig ist. Die Frage, ob die weiter entfernt liegende Wohnung den Lebensmittelpunkt bildet, stellt sich dann nicht iRd Nr 4, sondern der Nr 5.
Rn. 487
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Dem ArbN wird aber von R 9.11 Abs 5 S 2 LStR 2015 ein Wahlrecht eingeräumt, an Stelle der Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung sämtliche Fahrtkosten nach § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG abzurechnen, was dann für ihn günstiger sein kann, wenn er die entfernter liegende Heimatwohnung mehrfach in der Woche aufsucht. Zur doppelten Haushaltsführung in sog Wegverlegungsfällen s BFH v 05.03.2009, VI R 58/06, BStBl II 1012 und BFH v 05.03.2009, VI R 23/07, BStBl II 2009, 1016.
Rn. 488
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines verheirateten StPfl befindet sich regelmäßig am tatsächlichen Wohnort seiner Familie, es sei denn, die Eheleute leben dauernd getrennt (BFH v 03.10.1985, VI R 168/84, BStBl II 1986, 95). Entsprechendes gilt bei Lebensgefährten und Lebenspartnern (ebenso Krüger in Schmidt, § 9 EStG Rz 201). Bei alleinerziehenden Eltern ist als Lebensmittelpunkt die Wohnung anzusehen, in der das bzw die Kinder leben (v Bornhaupt in K/S/M, § 9 EStG Rz F 151). Mehr als nur gelegentlich sucht der verheiratete ArbN die Mittelpunktswohnung nach Verwaltungsauffassung auf, wenn er sich mindestens sechsmal im Kj dort aufhält (R 9.10 Abs 1 S 5 LStR 2015). Demgegenüber stellt der BFH auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ab und hat bei großer Entfernung der Mittelpunktswohnung fünf Fahrten genügen lassen (BFH v 26.11.2003, VI R 152/99, BStBl II 2004, 233).
Rn. 489
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Bei einem alleinstehenden ArbN befindet sich der Lebensmittelpunkt an dem Ort, an dem er die engeren persönlichen Beziehungen unterhält. Lebensmittelpunktswohnung ist zwar meist die Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte, sie kann aber auch in einem weiter entfernten Ort liegen. Die persönlichen Beziehungen, die den Lebensmittelpunkt bestimmen, kommen zum Ausdruck in Bindungen an Eltern, Freunde, Verwandte, Vereinszugehörigkeiten oder anderen Aktivitäten. Das Gewicht solcher Beziehungen zeigt sich daran, dass der alleinstehende StPfl den Ort, an dem er diese Kontakte unterhält, regelmäßig aufsucht; nur wenn er sich häufig an einem entfernt gelegenen Wohnort aufhält, kann dort sein Lebensmittelpunkt sein.
Die Verwaltung fordert bei unverheirateten StPfl, dass der ArbN die Wohnung im Durchschnitt mindestens zweimal monatlich aufsucht (R 9.10 Abs 1 S 8 LStR 2015). Aber auch insoweit kommt es letztlich auf eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls an (zB BFH v 01.02.2007, VI B 118/04, BStBl II 2007, 538). Das Tatbestandsmerkmal des nicht nur gelegentlichen Aufsuchens der Wohnung hat hier keine eigenständige Bedeutung, weil eine Wohnung, die der ledige StPfl nicht regelmäßig aufsucht, wohl schwerlich sein Lebensmittelpunkt sein kann.
Rn. 490
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Verheiratete wie ledige StPfl können im Laufe des Kj wechselnde Lebensmittelpunkte haben, wenn sie beispielsweise in den Sommermonaten über einen längeren Zeitraum hinweg zusammenhängend nicht in der Stadt, sondern in einem Land- oder Sommerhaus leben (BFH v 10.11.1978, VI R 127/76, BStBl II 1979, 335; v Bornhaupt in K/S/M, § 9 EStG F 155). Zu keiner Verlagerung des Lebensmittelpunkts kommt es hingegen, wenn der StPfl lediglich an Wochenenden, wenn auch regelmäßig, sein Ferienhaus aufsucht (FG D'dorf v 17.04.1985, VIII/XV 757/78 E, EFG 1985, 604; FG Ha v 15.10.1985, I 26/85, EFG 1986, 284).
Rn. 491
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Es steht dem Abzug der Aufwendungen der Fahrten von der Lebensmittelpunktswohnung an die erste Tätigkeitsstätte nicht entgegen, dass der StPfl die Fahrt an der näher zur Tätigkeitsstätte liegenden Wohnung unterbricht (BFH v 20.12.1991, VI R 42/89, BStBl II 1992, 306). Führt der Zwischenstopp jedoch zu einem die Strecke verlängernden Umweg, ist dieser bei der Berec...