ha) Allgemeines
Rn. 99
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Nachträgliche WK sind Ausgaben, die zwar erst nach Aufgabe der auf die Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit anfallen, die jedoch durch die ursprünglich zur Erzielung von Einkünften begonnene und unverändert fortgeführte Tätigkeit wirtschaftlich veranlasst sind (BFH v 07.11.1995, IX R 81/93, BFH/NV 1996, 533; BFH v 31.03.1998, IX R 26/96, BFH/NV 1998, 1212; BFH v 11.03.2003, IX R 16/99, BFH/NV 2003, 1043; BFH v 10.04.2008, IX B 126/07, BFH/NV 2008, 1332; BFH v 08.04.2014, IX R 45/13, BStBl II 2015, 635). Voraussetzung für den Abzug ist, dass in dem Zeitpunkt, in dem der Grund für die Aufwendungen gelegt wird, der Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht (BFH v 16.11.2011, VI R 97/10, BStBl II 2012, 343).
Rn. 100
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Bsp für solche nachträglichen WK sind:
- Zahlungen aufgrund der Haftung eines ehemaligen GmbH-Geschäftsführers (BFH v 14.10.1960, VI 45/60 U, BStBl III 1961, 20),
- Vertragsstrafe, die ein ArbN aufgrund einer Ausbildungsvereinbarung sich bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen verpflichtet hat (BFH v 22.06.2006, VI R 5/03, BStBl II 2007, 4),
- Abstandszahlungen zur vorzeitigen Beendigung eines Pachtvertrags, um nachfolgend höhere Pachtzinsen zu erzielen (BFH v 25.02.1975, VIII R 115/70, BStBl II 1975, 730; hier wäre mE eine Einordnung als vorab entstandene WK im Hinblick auf die nachfolgende Verpachtung überzeugender),
- die Abbruchkosten eines nach Vermietung wirtschaftlich und technisch verbrauchten Hauses (BFH v 31.03.1998, IX R 26/96, BFH/NV 1998, 1212; BFH v 10.04.2008, IX B 126/07, BFH/NV 2008, 1332); anders aber bei Ausbau und Beseitigung eines schon lange nicht mehr genutzten Öltanks auf Wunsch des Grundstückskäufers (BFH v 24.01.2012, IX R 16/11, BFH/NV 2012, 1108); hier ist der Zusammenhang mit der Grundstücksveräußerung maßgeblich.
Rn. 101
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Genau zu prüfen ist jeweils, ob tatsächlich die frühere auf Einnahmeerzielung gerichtete Tätigkeit das auslösende Moment für die Aufwendungen darstellt.
Nicht als nachträgliche WK anerkannt hat die Rspr beispielsweise
- Kosten für die Forschungstätigkeit eines emeritierten Professors (BFH v 05.11.1993, VI R 24/93, BStBl II 1994, 238; ebenso FG Ha v 13.02.2013, 5 K 50/11 für entpflichteten Pastor), weil die Aufwendungen – von dem Sonderfall noch zur aktiven Dienstzeit übernommener Verpflichtungen abgesehen – nicht mit der früheren Tätigkeit in Zusammenhang stehen und die Ruhegehaltsbezüge ohne Verpflichtung zu einer Gegenleistung gewährt werden.
- Ebenso abgelehnt wird der Abzug von Renovierungskosten, wenn nach der Vermietung die Eigennutzung der Immobilie beabsichtigt ist, da diese typischerweise entsprechend dem persönlichen Geschmack und den Qualitätsanforderungen des Eigentümers getätigt werden. Das gilt selbst dann, wenn es sich lediglich um Schönheitsreparaturen handelt, die vertragsgemäß der Mieter hätte durchführen müssen und der StPfl diesen Anspruch wegen Zahlungsunfähigkeit des Mieters nicht durchsetzen kann (BFH v 18.12.2001, IX R 24/98, BFH/NV 2002, 904; BFH v 17.12.2002, IX R 6/99, BFH/NV 2003, 610). Ausnahmen hiervon gelten nur bei Kosten zur Beseitigung von Schäden, die über die gewöhnliche Abnutzung deutlich hinausgehen, wie etwa bei einer mutwilligen Beschädigung der Mietsache (BFH v 11.07.2000, IX R 48/96, BStBl II 2001, 784).
hb) Besonderheiten bei Schuldzinsen
Rn. 102
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Hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen für einen Finanzierungskredit, die auf die Zeit nach der Veräußerung des Objekts der Einkünfteerzielung entfallen, hat die Rspr in jüngerer Zeit einen grundlegenden Richtungswechsel vollzogen. Der BFH hatte zunächst die Auffassung vertreten, dass mit Beendigung der Einkünfteerzielung der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Darlehen und der Einkunftsart gelöst werde. Reiche der Veräußerungserlös aus der Veräußerung des WG nicht aus, um sämtliche Verbindlichkeiten zu tilgen, so habe dies seine Ursache in einem auf der privaten Vermögensebene erlittenen, nicht steuerbaren Veräußerungsverlust (so noch BFH v 25.01.2001, IX R 27/97, BStBl II 2001, 573; BFH v 05.10.2004, VIII R 64/02, BFH/NV 2005, 54).
Demgegenüber hatte der BFH im Bereich der Gewinneinkünfte immer schon nachträgliche BA anerkannt, wenn nach Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit ein Schuldenüberhang verblieb (zB BFH v 19.08.1998, X R 96/95, BStBl II 1999, 353; BFH v 28.03.2007, X R 15/04, BStBl II 2007, 642). Diese Rspr hat in der überwiegenden Literatur heftige Kritik ausgelöst (vgl die Darstellung des historischen Meinungsstands bei v Bornhaupt in K/S/M, § 9 EStG Rz C 55 ff mwN; Drenseck in Schmidt, § 9 EStG Rz 40 mwN, 29. Aufl).
Rn. 103
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Eine Wende in der Rspr vollzog zunächst der VIII. Senat des BFH (BFH v 16.03.2010, VIII R 20/08, BStBl II 2010, 787) in Bezug auf Schuldzinsen zur Finanzierung einer wesentlichen Beteiligung nach § 17 EStG. Mit der Herabsetzung der Beteiligungsgrenze auf zunächst 10 % und anschli...