A. Regelfall (§ 95 S 1 EStG)
Rn. 25
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Auch die neue Rechtslage stellt darauf, dass für den deutschen Fiskus die Besteuerung der Auszahlungen aus dem geförderten Altersvorsorgevermögen sichergestellt werden soll. Bei der Prüfung, ob die Folgen einer schädlichen Verwendung eintreten, wird einerseits der Zeitpunkt der Verlagerung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts und andererseits der konkrete Ort berücksichtigt.
Der Altersvorsorgevertrag muss sich in der Auszahlungsphase befinden.
Der StPfl muss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt entweder
- außerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder
- außerhalb der Staaten, auf die das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist,
nehmen.
Dieser Konstellation wird gleichgestellt, wenn der StPfl nach einem DBA so behandelt wird, als wäre er außerhalb der EU/des EWR ansässig.
Rn. 26
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Der Gesetzgeber hat mit dem JStG 2022 vom. 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) mWv 01.01.2023 die Regelung des § 95 EStG erheblich vereinfacht, indem er die Folgen der schädlichen Verwendung erst ab dem Beginn der Auszahlungsphase eintreten lässt. Dadurch erübrigt sich eine Prüfung auf eine mögliche schädliche Verwendung während der Ansparphase.
Um die Folgen einer zunehmenden Globalisierung im Berufsleben zu berücksichtigen und Verwaltungsaufwand zu reduzieren, ist die Prüfung nun endgültig vom Beginn der Auszahlungsphase abhängig gemacht worden (s Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16.09.2022, BR Drs 457/22, 114). Es ist zu begrüßen, dass die neue Rechtslage auf die neue Realität in der Arbeitsweilt mit örtlich flexiblen ArbN Rücksicht nimmt. Wurde der Rückzahlungsbetrag nach bisheriger Rechtslage gestundet und verlegte der ehemals Zulageberechtigte seinen ausschließlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einen EU-/EWR-Staat oder wurde der ehemals Zulageberechtigte erneut zulageberechtigt, waren der Rückzahlungsbetrag und die bereits entstandenen Stundungszinsen von der ZfA zu erlassen.
Dieses Verfahren ist sehr verwaltungsaufwändig. Zulageberechtigte, die im Laufe ihres Berufslebens mehrmals außerhalb eines EU-/EWR-Staates tätig wurden, mussten jeweils neue Anträge stellen, die jeweils zu bescheiden waren. Hier wurde mit der neuen Rechtslage ein pragmatischer Ansatz gewählt, der die StPfl und die ZfA von Verwaltungsprozessen entlastet, weil nur noch auf einen Zeitpunkt abgestellt wird, indem der Sonderfall der Rückzahlung bei Aufenthalt im Ausland nur noch ab Beginn der Auszahlungsphase geprüft werden muss.
Die Neuregelung ermöglicht dem Zulageberechtigten damit in der Ansparphase die Wohnsitznahme auch außerhalb eines EU-/EWR-Staates ohne bürokratische Hürden. Es sind keine besonderen Mitteilungspflichten und Fristen mehr zu beachten.
Rn. 27
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Befindet sich der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des ehemaligen Zulageberechtigten zu Beginn der Auszahlungsphase oder während der Auszahlungsphase außerhalb eines EU-/EWR-Staates, greifen die Verfahrensvorschriften aus § 94 EStG. Es gelten nur noch die allgemeinen Stundungsregelungen der AO. Auf BMF vom 05.10.2023, BStBl I 2023, 1726 Rz 238 f wird verwiesen.
B. B: Sonderregelung aufgrund des Brexit (§ 95 S 2 EStG)
Rn. 28
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
§ 95 EStG aF enthielt in Abs 1 S 2 eine Vertrauensschutzregelung für die Sachverhalte, in denen der StPfl seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt seit dem 22.06.2016 ununterbrochen im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland genommen hat und der Altersvorsorgevertrag vor dem 23.06.2016 abgeschlossen wurde (vgl G über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU (Brexit-Steuerbegleitgesetz – Brexit-StBG) vom 25.03.2019 (BGBl I 2019, 357). Ab dem Zeitpunkt, ab dem das Vereinigte Königreich nicht mehr Mitgliedstaat der EU ist und auch nicht wie ein solcher zu behandeln ist, würden die Folgen der schädlichen Verwendung eintreten; die gewährten Altersvorsorgezulagen und ggf Steuerermäßigungen wären damit zurückzuzahlen.
Mit dieser Regelung soll die Möglichkeit geschaffen werden, für die Altfälle die Regelungen des § 95 S 1 EStG nicht eintreten zu lassen. Da bei Abschluss entsprechender Verträge regelmäßig nicht davon ausgegangen werden konnte, dass das Vereinigte Königreich irgendwann einmal nicht mehr Mitgliedstaat der EU sein würde, wurde für die Fälle mit Vertragsabschluss vor dem Brexit-Referendum (23.06.2016) und ununterbrochen bestehendem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Vereinigten Königreich bereits seit dem 22.06.2016 diese Vertrauensschutzregelung eingeführt.
Rn. 29
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Nach der Vertrauensschutzregelung waren die vorstehend erläuterten Sachverhalte nicht als schädliche Verwendung iSv § 93 EStG zu werten. Diese Vertrauensschutzregelung wurde in § 95 Abs 1 S 2 EStG nF übernommen, so dass eine Wohnsitzverlagerung oder ein gewöhnlicher Aufenthalt im Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, der vor dem 23.06.2016 begründet wu...