Dr. Carl Ulrich Hildesheim
A. Anwendung des ArbN-Pauschbetrags (§ 9a S 1 Nr 1 Buchst a EStG)
Rn. 10
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Der ArbN-Pauschbetrag beträgt
- 1 044 EUR in den VZ 2002 und 2003,
- 920 EUR in den VZ 2004–2010 und
- 1 000 EUR seit dem VZ 2011 (s Hechtner, FR 2011, 272 "politische Dezember-Lösung"),
- 1 200 EUR ab dem 01.01.2022 (dazu s Rn 6 aE und
- 1 230 EUR ab dem VZ 2023 (dazu s Rn 6 aE).
Durch das AltEinkG (s Rn 1 und 12) war § 9a S 1 Nr 1 Buchst b EStG eingefügt worden, mit der Folge, dass der ArbN-Pauschbetrag seitdem unter § 9a S 1 Nr 1 Buchst a EStG geregelt ist.
Mit der Einführung des ArbN-Pauschbetrages iSd Nr 1 durch das StReformG 1990 ist die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung in der Literatur und Rspr in Frage gestellt worden. Der BFH hat jedoch seinen Vorlagebeschluss (BFH BStBl II 1993, 551), nachdem das BVerfG den ArbN-Pauschbetrag für verfassungsgemäß erklärt hat (BVerfG BStBl II 1997, 518), zurückgezogen (BFH BStBl II 1998, 59). Eine allg Verfassungswidrigkeit des ArbN-Pauschbetrags dürfte auch nicht durch die bisher fehlende Anrechnung durch den ArbG pauschal lohnversteuerter Fahrtkosten oder des steuerfreien WK-Ersatzes zu begründen sein (glA Fissenewert in H/H/R, § 9a EStG Rz 5 (August 2023)). Trotz zwischenzeitlich erfolgter Rechtsänderungen hat sich an der damaligen Einschätzung des BVerfG zur Verfassungskonformität nichts geändert (s dazu auch zuletzt BVerfG vom 26.07.2010, BFH/NV 2010, 1983; zum Ganzen auch Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9a EStG Rz 24 (November 2023).
Der ArbN-Pauschbetrag kann nur in Ansatz gebracht werden, wenn ArbN iSd § 1 LStDV (auch bei steuerlich anzuerkennenden Arbeitsverhältnissen mit Ehegatten und Kindern) Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG) beziehen, mithin zB nicht beim Bezug von Sozialhilfe (BFH BFH/NV 2001, 1112) oder Arbeitslosengeld (FG Thüringen EFG 1995, 1012).
Zur Abgrenzung von Nr 1 Buchst a und Buchst b des § 9a S 1 EStG s Rn 12 aE
Der Pauschbetrag ist, ebenso wie die WK gemäß § 9 EStG, von den Einnahmen, die ggf um den steuerfreien Betrag nach § 19 Abs 2 EStG (Versorgungsfreibetrag) gekürzt sind, abzuziehen; Verluste dürfen sich durch den Abzug nicht ergeben, s § 9a S 2 EStG und s Rn 20. Zu den vorab entstandenen WK s Rn 4.
Der ArbN-Pauschbetrag wird bereits bei Einbehaltung der LSt berücksichtigt, da er in den Berechnungsablauf zur Ermittlung der LSt eingearbeitet ist (§ 39b Abs 2 S 6 Nr 1 EStG). Da ein ArbN auch bei mehreren Arbeitsverhältnissen den Pauschbetrag nur ein Mal erhält, wird bei Steuerklasse VI der Pauschbetrag nicht in Ansatz gebracht.
Der ArbN-Pauschbetrag wird in jedem Lohnzahlungszeitraum nur anteilig berücksichtigt, also etwa bei monatlicher Lohnzahlung mit 1/12; ein nicht im ganzen VZ beschäftigter ArbN muss daher den vollen Pauschbetrag ggf im Wege der ESt-Veranlagung geltend machen (Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9a EStG Rz 21; Krüger in Schmidt, § 9a EStG Rz 3 (42. Aufl)).
Der Anspruch auf den vollen Pauschbetrag (1 230 EUR) kann bei der Veranlagung auch geltend gemacht werden, wenn der StPfl nicht während des ganzen Jahres in einem Arbeitsverhältnis stand.
Sowohl bei der Pauschalierung der LSt in besonderen Fällen (§ 40 EStG) als auch für Teilzeitbeschäftigte (§ 40a EStG) und bei bestimmten Zukunftssicherungsleistungen (§ 40b EStG) ist die pauschale LSt vom ungekürzten Arbeitslohn zu berechnen, dh, der ArbN-Pauschbetrag ist nicht zu berücksichtigen (hM, s zB Fissenewert in H/H/R § 9a EStG Rz 17 (August 2023); Krüger in Schmidt, § 9a EStG Rz 3, 42. Aufl).
Wie schon aus dem Wortlaut der Bestimmung
Zitat
"sind die folgenden Pauschbeträge abzuziehen"
hervorgeht, handelt es sich bei dem ArbN-Pauschbetrag um eine zwingende Regelung. Der StPfl hat einen Rechtsanspruch auf den Ansatz des ungekürzten Pauschbetrages, selbst wenn feststeht, dass keine oder nur geringe WK angefallen sind (vgl auch H 9a LStH 2023). Voraussetzung ist nach § 9a S 2 EStG lediglich, dass die Jahreseinnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit den Betrag von 1 000 EUR übersteigen (BFH BStBl II 2008, 937 zu § 9a S 1 Nr 1 Buchst a EStG 1997 und BFH BStBl II 2015, 651; zum Ganzen auch s Rn 20).
Der ArbN-Pauschbetrag darf auch bei mehreren Arbeitsverhältnissen nur einmal geltend gemacht werden, s § 38b S 2 Nr 6 EStG. Ein ArbN kann daher zB nicht von den Einnahmen aus seinem ersten Arbeitsverhältnis die tatsächlichen WK und von den Einnahmen aus seinem zweiten Arbeitsverhältnis den Pauschbetrag abziehen (BFH BStBl II 2015, 182, Verfassungsbeschwerde 2 BvR 3057/14). Zur Gewährung des ArbN-Pauschbetrages in den Fällen steuerfreier Einkünfte nach § 3 EStG s Rn 6.
Neben den besonderen Ausbildungskosten iSv § 32 EStG kann nicht kumulativ noch der ArbN-Pauschbetrag in Ansatz gebracht werden (BFH vom 11.02.2004, VIII B 53/03).
Der BFH hatte darüber zu befinden, ob bei den für den Progressionsvorbehalt maßgebenden – steuerfreien – ausländischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die tatsächlichen WK zu berücksichtigen sind, wenn bei den inländischen stpfl Einkünften bereits der ArbN-Pauschbetrag gewährt wurde (§ 32b Abs 2 Nr 2 EStG). Der BFH BFH/...