A. Regelungsgehalt der Norm
Rn. 20
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
§ 9b EStG regelt die einkommensteuerliche Behandlung der dem StPfl in Rechnung gestellten USt (Vorsteuer) auf Lieferungen und Leistungen, deren Entgelt ganz oder teilweise zu den AK oder HK eines WG gehört. § 9b Abs 1 EStG besagt dabei ausdrücklich, dass die abziehbare Vorsteuer einkommensteuerlich bei allen Einkunftsarten nicht zu den AK/HK des WG gehört.
Diese Rechtsfolge des § 9b Abs 1 EStG gilt sowohl für WG des AV als auch des UV (s BFH v 01.12.1970, VI R 47/70, BStBl II 1971, 318; BFH v 17.12.1974, VIII R 66/71, BStBl II 1975, 365 zu AK iSd § 19 BerlinFG; R 9b Abs 1 S 2 EStR 2012). Im Umkehrschluss aus § 9b Abs 1 EStG ergibt sich, dass die nicht abziehbare Vorsteuer als Teil der AK/HK zu behandeln ist (BFH v 27.09.1990, IX B 268/89, BFH/NV 1991, 297).
Rn. 21
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§ 9b Abs 1 EStG geht vom einkommensteuerlichen Begriff des WG aus (FG He v 29.04.1982, XI 86/77, EFG 1983, 121). Zu dessen inhaltlicher Ausgestaltung s §§ 4/5 Rn 594 (Hoffmann) sowie BFH v 26.11.1973, GrS 5/71, BStBl II 1974, 132; BFH v 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl II 1988, 348.
Rn. 22
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Die dem StPfl in Rechnung gestellte USt teilt üblicherweise das Schicksal des Rechnungsbetrags. Wie dieser gehört sie zu den WK, sofern die Voraussetzungen des § 9 EStG erfüllt sind, oder zu den AK/HK, sofern der Rechnungsbetrag deren Voraussetzungen erfüllt. Wenn und soweit der StPfl die ihm in Rechnung gestellte USt als Vorsteuer gemäß § 15 UStG abziehen kann, ist sie nicht – wie der Nettorechnungsbetrag – den AK/HK zuzurechnen, sondern als WK abzuziehen (BFH v 29.06.1982, VIII R 6/79, BStBl II 1982, 755; BFH v 13.11.1986, IV R 211/83, BStBl II 1987, 374; BFH v 04.06.1991, IX R 12/89, BStBl II 1991, 759).
B. Verweisung auf § 15 UStG
Rn. 23
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§ 9b Abs 1 EStG beinhaltet eine Regelung für den Vorsteuerbetrag nach § 15 UStG, der bei der USt abgezogen werden kann. Ob ein Vorsteuerbetrag abgezogen werden kann, richtet sich allein nach USt-Recht (BFH v 20.09.2018, IV R 6/16, BStBl II 2019, 160; BFH v 12.04.2016, VIII R 60/14, BFH/NV 2016, 1455; BFH v 25.01.1994, IX R 97/90, IX R 98/90, BStBl II 1994, 738; BFH v 01.04.1993, V R 85/91, V R 86/91, BFH/NV 1994, 64; BFH v 04.06.1991, IX R 12/89, BStBl II 1991, 759; FG BdW v 25.03.1998, 14 K 60/93, EFG 1998, 1052, bestätigt durch BFH v 10.08.1999, XI B 67/98, nicht dokumentiert). Entscheidend ist dabei die Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Diese liegt nicht vor, wenn die Inanspruchnahme der Vorsteuer nach § 42 AO rechtsmissbräuchlich ist (BFH v 12.04.2016, VIII R 60/14, BFH/NV 2016, 1455).
Nicht von Bedeutung ist, ob der StPfl die Vorsteuern geltend gemacht hat oder ob sich der Vorsteuerabzug in einem USt-Bescheid ausgewirkt hat (BFH v 12.04.2016, VIII R 60/14, BFH/NV 2016, 1455; BFH v 25.01.1994, IX R 97/90, IX R 98/90, BStBl II 1994, 738). Auch darauf, ob die Mehrwertsteuer durch den Leistenden an den Fiskus tatsächlich entrichtet wurde, kommt es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht an (EuGH v 06.12.2012, C-285/11, DB 2012, 2851 Bonik EOOD; EuGH v 21.06.2012, C-80/11, C-142/11, DStRE 2012, 1336 Mahagében und Dávid).
Stellt sich nachträglich heraus, dass die Voraussetzungen des § 15 UStG tatsächlich nicht erfüllt gewesen sind, müssen die ursprünglichen AK/HK berichtigt werden (s Rn 57).
1. Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs 1 Nr 1 UStG (Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen)
Rn. 24
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Gem § 15 Abs 1 Nr 1 UStG kann der Unternehmer die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
Zitat
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. 2Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. 3Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.
Rn. 25
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Das USt-Recht ist ebenso wie das Recht des Vorsteuerabzugs im Besonderen von einer enormen Dynamik gekennzeichnet. Die Ursache dafür bilden neben gesetzgeberischen Aktivitäten zahlreiche Entscheidungen des EuGH, des BVerfG und des BFH, mit denen langjährig vertretene Auffassungen aufgegeben worden sind. Insb das Unionsrecht in Gestalt der Auslegung durch den EuGH nimmt in zunehmendem Maße Einfluss auf das deutsche USt-Recht.
a) Unternehmereigenschaft des zum Vorsteuerabzug berechtigten StPfl und des leistenden Unternehmers
Rn. 26
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§ 15 Abs 1 UStG eröffnet den Vorsteuerabzug nur dem Unternehmer iSd § 2 UStG. Folglich ist auch nur für diesen die in § 9b getroffene Regelung von Bedeutung. Darüber hinaus setzt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug voraus, dass auch der Leistende Unternehmer ist. Der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff erschließt sich aus § 2 UStG (vgl iE Bunjes/Korn, § 2 UStG Rz 5ff). Geprägt wird der Unternehmerbegriff des deutschen UStG von der Nachhaltigkeit einer auf Einnahmeerzielung ausgerichteten Tätigkeit und von der Selbstständigkeit ihrer Ausübung. Bei richtlinienkonformer Auslegung muss dabe...