I. Die Entwicklung des EStG bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges
Rn. 1
Stand: EL 98 – ET: 02/2013
Das erste Reichseinkommensteuergesetz vom 29.03.1920, RGBl I 20, 359, hat große praktische Bedeutung nie erlangt, einmal wegen des darin festgelegten Schanzschen Einkommensbegriffs (Reinvermögenszugangstheorie), sodann aber wegen der zunehmenden Geldentwertung zu Beginn der zwanziger Jahre, die auch eine Revision der estlichen Vorschriften erforderlich machte. Ihm folgte das EStG vom 10.08.1925, RGBl I 25, 189, im Rahmen der großen Steuerneuordnung nach der Inflation. Es ließ schon die Grundgedanken des auch heute noch geltenden EStRechts erkennen. Das EStG vom 16.10.1934, RStBl 34, 1261, enthält andererseits eine Reihe von Änderungen gegenüber dem früheren Recht, die von nicht zu unterschätzender Bedeutung wurden. Geändert wurden insbes die Vorschriften über den Steuerabschnitt des § 10 EStG 1925, die Vorschriften über den Zeitpunkt des Zufließens von Einnahmen nach § 11 des gleichen Gesetzes und die Gewinnermittlungsvorschriften, bei denen an Stelle der bisher im Vordergrund stehenden Einnahme/Ausgabeüberschußrechnung der Vermögensvergleich mit den auch heute noch geltenden Bewertungsgrundsätzen trat. Der Verlustvortrag des bisherigen § 15 Abs 1 Nr 4 EStG 1925 wurde beseitigt. Erst das Änderungsgesetz vom 01.02.1938, RStBl 38, 97, brachte seine Wiedereinführung, aber nun nicht mehr als Ausgabe bei der Einkunftsermittlung, sondern als Sonderausgabe vom Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 10 Abs 1 Nr 4 EStG 1938 bis 1954, ab EStG 1955 § 10d. Im Gesetz vom 27.02.1939, RStBl 39, 337, wurde vor allem der Tarif wesentlich umgestaltet. Es wurden vier Steuergruppen eingeführt.
II. Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Währungsumstellung 1948
Rn. 2
Stand: EL 98 – ET: 02/2013
Nach mehrfacher Änderung während des zweiten Weltkrieges, die hauptsächlich die Einführung von Kriegszuschlägen, die Schaffung der steuerlichen Vergünstigung des nichtentnommenen Gewinns nach § 3 StÄV, die Aufhebung der Bürgersteuer und außerhalb des EStG vor allem die Erfassung von Übergewinnen durch eine Mehreinkommensteuer und später Gewinnabführung betraf, erfolgte die tiefgreifendste Änderung des EStRechts seit 1925 durch das KRG Nr 12, StuZBl 46, 2, das am 01.01.1946 in Kraft trat. Die wichtigsten Änderungen dieses Gesetzes betrafen die Beseitigung aller sozialen und die Kapitalbildung fördernden Sonderausgaben, Einschränkung der Werbungskosten insbes durch Wegfall der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten, Nichtberücksichtigung von Kriegsschäden, obwohl bei dem verlorenen Krieg an deren Ersatz gar nicht zu denken war, Erweiterung der Kapitalertragsteuerpflicht, Beseitigung tariflicher Vergünstigungen der Veräußerungsgewinne bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und aus Gewerbebetrieb, Einschränkung der Kinderermäßigungen, Neuregelung des Vorauszahlungssystems durch vierteljährliche Abgabe von Vorauszahlungserklärungen und nicht zuletzt eine Tarifgestaltung, die zu einer konfiskatorischen Wegsteuerung nahezu des gesamten Arbeitsertrags besonders der werktätigen Bevölkerung führen mußte. Die offizielle Begründung dieser einschneidenden Eingriffe in das bestehende Steuersystem sah ihren Zweck darin, die öffentlichen Haushalte der die Rechtsnachfolge des Reichs antretenden Länder trotz des völligen Zusammenbruchs der deutschen Wirtschaft und damit auch der Steuerquellen auszubalancieren sowie den zunehmenden inflationistischen Tendenzen durch die Abschöpfung nomineller Kaufkraft Einhalt zu gebieten. Dabei wurde übersehen, daß die untragbare Steuerlast die bis dahin intakte Steuermoral allmählich aushöhlte und schließlich ganz in Verfall geraten ließ, so daß trotz Anziehens der Steuerschraube bis zum äußersten die Steuergelder immer spärlicher flossen und schließlich auch das Gleichgewicht der öffentlichen Haushalte ins Wanken zu geraten drohte. Schwarz- und Schleichhandel waren mit solchen Mitteln nicht zu bekämpfen. Der Steuerdruck, der als ungerecht empfunden wurde, trieb auch die bis dahin ehrlichen Steuerpflichtigen vielfach vom anständigen Geschäftsgebaren weg zum Schwarzen Markt. Den völligen Verfall der Steuermoral in jener Zeit vor der Währungsumstellungen am 20.06.1948 aber hatten die öffentlichen Haushalte noch Jahre hindurch empfindlich zu spüren.
III. Währungsreform und DM-Eröffnungsbilanz
A. Das Erste Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 22.06.1948
Rn. 3
Stand: EL 98 – ET: 02/2013
Die erste kleine Steuerreform, die im Zusammenhang mit den Währungsgesetzen vom 20.06.1948 verkündet wurde, brachte einige Erleichterungen insbes auf dem Gebiet des EStRechts. Das Erste Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 22.06.1948 mit seinem Anhang (Gesetz 64) (Landesgesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 24.09.1948 in Baden, Landesgesetz zur Änderung des EStG vom 01.07.1948 in Rhld-Pfalz, StReformgesetz vom 26.06.1948 in Württ-Hohenz) erweiterte den Kreis der steuerfreien Einkünfte und der Sonderausgaben, letztere noch über ihren vor dem KRG Nr 12 geltenden Umfang hinaus auf weitere Fälle, gewährte den buchführenden Steuerpflichtigen eine Bewertungsfreiheit für Ersatzbeschaffungen beweglicher Wirtschaftsgüter des abnut...