Rn. 9
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Die Ausgestaltung des SolZ als Ergänzungsabgabe zur ESt und zur KSt ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685). Die Abgabe stellt eine Ergänzung der ESt und KSt dar, die mit dem GG vereinbar ist, da es im Verhältnis zum StPfl ohne weiteres zulässig gewesen wäre, die ESt bzw die KSt zu erhöhen (vgl BVerfG vom 09.02.1972, 1 BvL 16/69, BStBl II 1972, 408).
Verfassungsrechtlich bestehen lediglich Beschränkungen in der Höhe. Da das Aufkommen der Ergänzungsabgabe zur ESt und zur KSt gem Art 106 Abs 1 Nr 6 GG dem Bund zusteht, muss die Ergänzungsabgabe in einem angemessenen Verhältnis zur ESt und KSt stehen, um eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art 106 Abs 3 S 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern zu vermeiden (BVerfG vom 09.02.1972, 1 BvL 16/69, BStBl II 1972, 408; BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685). Die primär anhand des Steuersatzes messbare Aushöhlungsschwelle lässt sich nur schwer betragsmäßig bestimmen. Diese Grenze ist jedoch derzeit bei einem SolZ mit 5,5 % der Bezugssteuer nach Ansicht des BFH offensichtlich nicht überschritten (vgl BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685).
Rn. 10
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Die fehlende zeitliche Befristung des SolZ beim Erlass des SolZG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben (vgl BVerfG vom 08.09.2010, 2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217; BVerfG vom 09.02.1972, 1 BvL 16/69, BStBl II 1972, 408; BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685; BStBl II 2006, 692). Die Ergänzungsabgabe hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Dadurch soll die Vorrangigkeit der ESt und der KSt für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sichergestellt werden, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der ESt und der KSt keine befriedigende Lösung darstellt und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuern unerlässlich ist (BFH BStBl II 2012, 43).
Rn. 11
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Von Verfassungs wegen war der Gesetzgeber zumindest für die VZ 2005 und 2007 nicht verpflichtet, das SolZG wegen der fehlenden zeitlichen Befristung aufzuheben (BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685). Das SolZG ist jedenfalls für die VZ 2005 und 2007 nicht durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden. Der SolZ kann als Ergänzungsabgabe für eine längere Zeit erhoben werden (vgl Beschluss des BVerfG BFH/NV 2010, 2217). Auch für den VZ 2011 geht der BFH davon aus, dass die in den Entscheidungen für die VZ 2005 und 2007 vorgenommenen Erwägungen ihre Gültigkeit behalten haben und hält daran fest, dass der SolZ verfassungsgemäß ist (BFH BStBl II 2019, 289).
Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art 106 Abs 1 Nr 6 GG unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, zB weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist.
Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht (BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685). Für einen dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren Finanzbedarf im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandener finanzieller Belastungen liegen nach Ansicht des BFH jedenfalls für die VZ 2005, 2007 und 2011 keine Anhaltspunkte vor (vgl BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685; BFH BStBl II 2019, 289).
Mit dem Auslaufen des Solidarpakets II zum 31.12.2019 und der geplanten teilweisen Rückführung des SolZ ab dem VZ 2021 ist die verfassungsrechtliche Diskussion wieder aufgeflammt. Teilweise wird dabei davon ausgegangen, dass mit dem Auslaufen des Solidarpakets II zum 31.12.2019 die Rechtfertigung für die Erhebung des SolZ weggefallen ist und trotz eines unzweifelhaft bestehenden Beurteilungs- und Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers damit die Erhebung des SolZ ab diesem Zeitpunkt als verfassungswidrig anzusehen ist (so etwa Papier, ZRP 2018, 186; Hoch, DStR 2018; 2410; Dölker, BB 2019, 2711, 2713; Wernsmann, ZG 2020, 181; Kirchhof, DB 2021, 1039; Kube, StuW 2022...