A. Rechtsnatur des SolZ
Rn. 5
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Nach § 1 Abs 1 SolZG ist der SolZ eine Ergänzungsabgabe iSd Art 106 Abs 1 Nr 6 GG. Der Begriff der Ergänzungsabgabe ist im GG nicht definiert. Nach der verfassungsgerichtlichen Rspr handelt es sich bei der Ergänzungsabgabe iSd Art 106 Abs 1 Nr 6 GG um eine "Steuer vom Einkommen" iSd § 3 Abs 1 AO (vgl BVerfG BStBl II 1972, 408; s BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685). Der Einleitungssatz des Art 106 Abs 1 GG, nach dem der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden "Steuern" dem Bund zustehen, deutet ebenfalls darauf hin, dass die in Art 106 Abs 1 Nr 6 GG genannte Ergänzungsabgabe eine Steuer ist (BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685). Der aufgrund des SolZG idF SolidaritätsG erhobene SolZ ist ebenfalls als (verfassungsgemäße) Steuer angesehen worden (vgl BFH BFH/NV 1996, 712).
Das Aufkommen aus der Erhebung des SolZ steht nach Art 106 Abs 1 GG allein dem Bund zu, dh, die Länder und Gemeinden sind nicht am Aufkommen beteiligt, obwohl die Maßstabsteuern – ESt und KSt – Gemeinschaftssteuern darstellen. Der SolZ gehört zu den nach Art 108 Abs 2 GG von den Landes-FinBeh verwalteten Steuern, die dabei gem Art 106 Abs 3 GG im Auftrag des Bundes tätig werden.
Rn. 6
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Bei dem SolZ handelt es sich seiner Rechtsnatur nach um eine eigenständige Steuer iSd § 3 Abs 1 AO und nicht nur um eine besondere Erhebungsform der ESt oder der KSt, obwohl der SolZ praktisch wie eine Erhöhung der ESt und der KSt wirkt. Da der gezahlte SolZ keine besondere Erhebungsform der ESt oder KSt ist, kann er nicht mit der ESt- oder KSt-Schuld verrechnet werden (Lindberg in Brandis/Heuermann, § 1 SolZG Rz 1 (März 2021); Kratzsch in Frotscher/Geurts, § 1 SolZG Rz 1 (Juni 2018)).
Für den SolZ können, wie auch bei anderen Steuern iSd § 3 Abs 1 AO, steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs 4 AO) entstehen, wie zB Säumniszuschläge (§ 240 AO) und Zinsen (§§ 233ff AO). Zinsen nach § 233a AO (Vollverzinsung) können jedoch nicht festgesetzt werden, da diese Vorschrift nach § 233a AO nur für die Festsetzung der ESt, KSt, VSt, USt und GewSt, nicht jedoch für die Festsetzung des SolZ gilt. Zum Verspätungszuschlag s Rn 22. Zudem kann der SolZ gem § 370 AO hinterzogen und gem § 378 AO leichtfertigt verkürzt werden.
Eine Hinterziehung der ESt oder KSt ist – vorbehaltlich der sog Nullzone (s § 3 SolZG Rn 23ff (Mues)) bzw in verringerter Höhe in der Milderungszone (s § 4 SolZG Rn 2ff (Mues)) – immer auch eine Hinterziehung des SolZ. § 235 AO (Verzinsung von hinterzogenen Steuern) erfasst auch die Verzinsung des SolZ zur ESt (s FG BBg vom 06.05.2015, 9 V 9107/14, rkr; FG BBg vom 25.11.2016, 1 K 9084/15, NZB durch BFH vom 03.05.2017, II B 110/16 als unbegründet zurückgewiesen).
In dem Umfang, in dem eine Person für die Maßstabsteuern ESt und KSt haftet (§§ 69, 181 AO), erstreckt sich die Haftung auch auf den SolZ (Kratzsch in Frotscher/Geurts, § 1 SolZG Rz 3 aE (Juni 2018)).
Rn. 7
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Steuersystematisch ist der SolZ, wie auch die ESt und die KSt, eine Personensteuer. Der SolZ kann daher weder als BA (§ 4 Abs 4 EStG) noch als WK (§ 9 Abs 1 EStG) abgezogen werden. Er gehört vielmehr gem § 12 Nr 3 EStG bei natürlichen Personen und gem § 10 Nr 2 KStG bei KSt-Subjekten zu den nicht abziehbaren Aufwendungen. Ein Abzug als Sonderausgabe (§§ 10ff EStG) oder als ag Belastung (§§ 33ff EStG) ist gesetzlich nicht vorgesehen (Kratzsch in Frotscher/Geurts, § 1 SolZG Rz 5 (Juni 2018)).
Rn. 8
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Ferner ist der SolZ auch eine Zuschlagsteuer iSd § 51a EStG, der spezielle Regelungen für die Festsetzung und Erhebung von Zuschlagsteuern enthält. Gleichwohl ist § 51a EStG für die Festsetzung und Erhebung des SolZ ohne praktische Bedeutung, da das SolZG die erforderlichen Regelungen selbst enthält, die als lex specialis die Regelungen des § 51a EStG verdrängen (Kratzsch in Frotscher/Geurts, § 1 SolZG Rz 2 (Juni 2018)).
B. Verfassungsmäßigkeit
Rn. 9
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Die Ausgestaltung des SolZ als Ergänzungsabgabe zur ESt und zur KSt ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685). Die Abgabe stellt eine Ergänzung der ESt und KSt dar, die mit dem GG vereinbar ist, da es im Verhältnis zum StPfl ohne weiteres zulässig gewesen wäre, die ESt bzw die KSt zu erhöhen (vgl BVerfG vom 09.02.1972, 1 BvL 16/69, BStBl II 1972, 408).
Verfassungsrechtlich bestehen lediglich Beschränkungen in der Höhe. Da das Aufkommen der Ergänzungsabgabe zur ESt und zur KSt gem Art 106 Abs 1 Nr 6 GG dem Bund zusteht, muss die Ergänzungsabgabe in einem angemessenen Verhältnis zur ESt und KSt stehen, um eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art 106 Abs 3 S 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern zu vermeiden (BVerfG vom 09.02.1972, 1 BvL 16/69, BStBl II 1972, 408; BFH BStBl II 2012, 43; BFH/NV 2011, 1685). Die primär anhand des Steuersatzes messbare Aushöhlungsschwelle lässt sich nur schwer betragsmäßig bestimmen. Diese Grenze ist jedoch derzeit bei einem SolZ mit 5,5...