Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Fischer
3.1 Fertigungstiefe und Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten
Zunächst sollen 2 Kennzahlen dargestellt werden, aus der sich die Bedeutung der logistischen Prozesse sowie der Beschaffung ableiten lassen.
3.1.1 Fertigungstiefe
Die Fertigungstiefe sagt aus, welcher Anteil der Wertschöpfung im Unternehmen erbracht wird und welcher Anteil zugekauft wird, in welcher Konstellation auch immer.
Fertigungstiefe = |
Eigene Wertschöpfung |
x 100 in % |
Gesamte Wertschöpfung |
Die Fertigungstiefe 0 steht für ein reines Handelsunternehmen. Die Bandbreite ist recht groß: Porsche hat eine Fertigungstiefe von 15 % beim Panamera veröffentlicht, Audi nennt ca. 45 % als Fertigungstiefe und Toyota dürfte bei rd. 70 % liegen. Das zeigt, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Fertigungstiefe und betriebswirtschaftlichem Erfolg gibt. Wesentlich erscheint vor einer Fremdvergabe von Wertschöpfungsanteilen die Beantwortung folgender Fragen in der genannten Reihenfolge:
- Ist die zugehörige Leistung als Alleinstellungsmerkmal des eigenen Produkts wichtig?
- Sind die zugekauften Leistungen schnell, flexibel und sicher verfügbar?
- Ist der Zukauf in einer Gesamtkostenbetrachtung tatsächlich günstiger?
Für die Logistik ist wesentlich, dass mit abnehmender Fertigungstiefe die Komplexität und damit die Anforderungen an die Güte der Logistikprozesse zunehmen.
3.1.2 Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten
Zur Begründung intensiver Beschaffungsaktivitäten und den damit verbundenen personellen und finanziellen Aufwendungen ist es hilfreich, diese Kennzahl zu ermitteln:
Anteil Materialkosten = |
Materialkosten in der Periode |
x 100 in % |
Kosten in der Periode |
Großer Hebel für die Umsatzrendite
Viele Unternehmen haben einen Materialkostenanteil von mehr als 50 % der Kosten. Hierdurch ist ein großer Hebel zur Kostenbeeinflussung gegeben: Eine Reduzierung der Materialkosten um einige %-Punkte kann eine erhebliche Ergebnisverbesserung bewirken. Leider gilt das auch entgegengesetzt.
Diese Kennzahl wird häufig verwendet, ist aber aus der Außensicht mit Vorsicht zu genießen. Zugekaufte Vorprodukte gehen in die Materialkosten ein, enthalten aber beispielsweise auch Lohnkosten, die bei Eigenfertigung dann natürlich den Lohnkosten zugeschlagen würden. Insofern ist ein Vergleich im Rahmen eines Benchmarkings häufig wenig aussagekräftig.
3.2 Kennzahlen zur Beschaffungslogistik
Im hier betrachteten Kontext umfasst die Beschaffungslogistik den gesamten Beschaffungsprozess, unabhängig davon, wer ihn operativ ausführt. Es geht also darum, die benötigten Materialien, also die RHB-Materialien, von zuverlässigen Lieferanten zu möglichst niedrigen Kosten zu beschaffen.
3.2.1 Zahl der Lieferanten
Es handelt sich um eine absolute Kennzahl, die nur im zeitlichen Verlauf zu sehen ist. Beeinflusst werden können alle 4 Erfolgskriterien: Zeit, Qualität, Flexibilität und Kosten.
Differenzierte Betrachtung notwendig
Viele Unternehmen haben als strategisches Ziel ausgegeben, die Zahl der Lieferanten signifikant zu reduzieren. Es wird versucht, mehr Vorprodukte (Module, Baugruppen) und weniger Einzelteile zu beschaffen. Single- oder Dual-Sourcing sind die Schlagwörter dafür. Und das verbunden mit Just-in-Time- oder Just-in-Sequence-Belieferung, wo immer möglich. Das reduziert einerseits die Kosten, erhöht andererseits aber die Abhängigkeit von Lieferanten. Hierfür ist unbedingt ein gutes Lieferantenmanagement nötig, eine offene Kommunikation hinsichtlich der Bedarfe, der Kapazitätsbereitstellung etc.
Klassifizierung der Materialien durch ABC-/XYZ-Analyse
Doch wie kann das operativ umgesetzt werden und nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl der Lieferanten? Es geht jedenfalls nicht, indem einfach Lieferanten aussortiert werden. Die exakte Zahl der Lieferanten sollte auch nicht das Kriterium sein. Vielmehr bedeuten weniger Lieferanten größere Liefermengen je Lieferant und tendenziell eine größere Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten.
Einen Ansatz zur Vorgehensweise liefert die Klassifizierung der Materialverbräuche, getrennt nach Rohstoffen, Hilfsstoffen und Betriebsstoffen, mithilfe der ABC-Analyse einerseits und der XYZ-Analyse andererseits.
- Die ABC-Analyse klassifiziert die Materialverbräuche wertmäßig. A-Materialien haben einen Anteil am Verbrauchswert von 70 – 80 %, je nach Festlegung. Typischerweise sind wenige Materialnummern für diesen wertmäßig hohen Anteil verantwortlich.
- Die XYZ-Analyse klassifiziert die Materialverbräuche nach der Gleichmäßigkeit im Verbrauch. X-Materialien haben einen gleichmäßigen Verbrauch bzw. Bedarf.
Die Kombination aus beiden Klassifizierungen ergibt die Matrix in Abb. 2.
Abb. 2: Beschaffungsstrategien
Konzentration auf die werthaltigen und regelmäßig verbrauchten Materialien
Die Beschaffung muss sich wesentlich auf die AX-/BX-/AY-Materialien konzentrieren. Hier müssen die Prozesse optimal laufen und die Bestellmengen so niedrig wie möglich gehalten werden. Es geht hier eher um ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Lieferanten als um die klassische Lieferanten-Kunden-Beziehung.
CX-/CY-Materialien sollten verbrauchgesteuert lagerverfügbar gehalten werden. Hier kann die Zahl der Lieferanten häufig drastisch reduziert werden.
AZ-Materialien sollen bed...