Leitsatz
1. Ohnehin geschuldeter Arbeitslohn i.S. der entsprechenden Vorschriften – wie beispielsweise § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 oder § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG – ist derjenige Lohn, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringt.
2. Zusätzlicher Arbeitslohn liegt vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 2, § 40 Abs. 2 Satz 2, § 11 Abs. 1 EStG, § 42 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Der Kläger vereinbarte 2011 mit einigen Arbeitnehmern, den bisherigen Bruttolohn herabzusetzen. Zum Ausgleich gewährte er Zuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie für die Internetnutzung. In den jeweiligen ergänzenden Vereinbarungen heißt es hierzu, diese zusätzlichen Leistungen fielen nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt.
Im Jahre 2014 schlossen der Kläger und diese Arbeitnehmer bezüglich der seit dem Jahr 2011 (zusätzlich) geleisteten Lohnbestandteile eine Freiwilligkeitsvereinbarung. Für die Zusatzleistungen pauschalierte der Kläger die Lohnsteuer. Von dem geminderten Bruttolohn behielt er die Regellohnsteuer ein.
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung erließ das FA einen Lohnsteuernachforderungsbescheid. Die Pauschalversteuerung der Zusatzleistungen sei nicht zulässig, da sich die Neugestaltung der Arbeitsverträge als steuerschädliche Gehaltsumwandlung darstelle.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab. Es war der Ansicht, für die Streitjahre 2011 bis 2013 fielen die Zuschüsse nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt i.S.d. Rechtsprechung des BFH. Außerdem liege – wie das FA zutreffend ausgeführt habe – eine schädliche Gehaltsumwandlung von verbindlich zu zahlenden Lohnbestandteilen in freiwillige zweckgebundene Leistungen vor (FG Düsseldorf, Urteil vom 24.5.2018, 11 K 3448/15 H (L), Haufe-Index 12288832, EFG 2018, 1487).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Hinweis
1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die maßgeblichen Aufwendungen den Arbeitnehmern, die monatliche Zuschüsse vom Kläger erhielten, tatsächlich entstanden sind und dass die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Zusatzleistungen bei den Arbeitnehmern betreffend die Internetpauschale (§ 40 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 EStG) und die Wegekosten (§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG) tatsächlich vorlagen. Sie streiten allein darüber, ob das den genannten Vorschriften gemeinsame Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" vorliegend erfüllt ist.
2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH werden Zuschüsse des Arbeitgebers "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" geleistet, wenn sie zu den Lohnzahlungen hinzukommen, die entweder durch Vereinbarung, eine dauernde Übung oder sonst arbeitsrechtlich geschuldet sind.
Danach ist der "ohnehin geschuldete Arbeitslohn" der lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteil, der arbeitsrechtlich geschuldet ist; das ist der Arbeitslohn, auf den zumindest im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht.
Der zusätzlich hierzu geleistete Lohn ist danach derjenige, auf den der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich keinen Anspruch hat, der folglich freiwillig vom Arbeitgeber erbracht wird (BFH, Urteil vom 19.9.2012, VI R 54/11, BFH/NV 2013, 124; BFH, Urteil vom 19.9.2012, VI R 55/11, BFH/NV 2013, 126 und BFH, Urteil vom 1.10.2009, VI R 41/07, BFH/NV 2010, 505, m.w.N.).
3. Hieran hält der erkennende Senat nach nochmaliger Prüfung nicht länger fest. Er geht vielmehr davon aus, dass der zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn i.S.d. entsprechenden Vorschriften – wie § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 oder § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG – der Arbeitslohn ist, den der Arbeitgeber nur verwendungs- bzw. zweckgebunden leistet. Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn i.S.d. entsprechenden Vorschriften ist mithin derjenige, den der Arbeitnehmer verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erhält. Auf die Frage, ob der Arbeitnehmer auf den fraglichen Lohnbestandteil arbeitsrechtlich einen Anspruch hat, kommt es nicht mehr an.
4. Das Zusätzlichkeitserfordernis ist auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung zu beziehen. Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel ist deshalb nicht begünstigungsschädlich. Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen. Diese treten nunmehr zum Zahlungszeitpunkt zum ohnehin – nur noch in geminderter Höhe – geschuldeten Lohn hinzu und werden somit "zusätzlich" zu diesem erbracht.
5. Der entgegenstehenden Auffassung der Finanzbehörden ...