Leitsatz
1. Eine Körperschaft verfolgt dann keine gemeinnützigen Zwecke, wenn sie Tätigkeiten nachgeht, die gegen die Rechtsordnung verstoßen. Dies kann eine der Körperschaft als tatsächliche Geschäftsführung zurechenbare Lohnsteuerverkürzung sein. Die Zurechenbarkeit eines eigenmächtigen Handelns einer für die Körperschaft tätigen Person ist bereits bei grober Vernachlässigung der dem Vertretungsorgan obliegenden Überwachungspflichten zu bejahen; insoweit kommt auch ein Organisationsverschulden in Betracht (Fortführung des BFH-Urteils vom 31. Juli 1963, I 319/60, HFR 1963, 407).
2. Eine Verletzung des Rechts auf Gehör liegt regelmäßig vor, wenn die Entscheidung auf einen Gesichtspunkt gestützt wird, zu dem sich der Verfahrensbeteiligte nicht äußern konnte (Überraschungsentscheidung).
Normenkette
§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO , § 63 Abs. 1 AO , § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG , § 96 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Ein Verein, der nach seiner Satzung die "körperliche und charakterliche Ertüchtigung seiner Mitglieder durch planmäßige Pflege und Förderung der Leibesübung, insbesondere des Fußballsports" bezweckte, nicht wirtschaftlich tätig war und ausdrücklich den Berufssport ablehnte, gab zwar selbst keine Zuwendungen an Mitglieder aus Vereinsmitteln. Das FA stellte fest, dass Fußballspieler, die dem Verein als Mitglieder angehörten, zwar vertraglich für ihre Leistungen (lediglich) eine monatliche Aufwandsentschädigung bezogen, von Sponsoren in den Streitjahren als Spieler aber erhebliche Zuwendungen erhalten hatten. Die zusätzlichen Gelder hatten die Sponsoren dem Manager und Obmann des Klägers zur Weiterleitung an die Spieler übergeben. Der Verein hatte geltend gemacht, dies sei ohne Wissen seines Vorstands geschehen.
Das FA beurteilte die Zahlungen als Arbeitslohn; der Verein sei wegen der Lohnsteuerverkürzung nicht gemeinnützig; es versagte deshalb die Umsatzsteuerermäßigung. Das FG meinte, solche Zahlungen seien bei Sportinteressierten allgemein bekannt und deshalb Arbeitslohn; außerdem hatte es eine Satzungsbestimmung, die im Wesentlichen § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO entsprach, als unklar beurteilt.
Entscheidung
Der BFH wies die Sache an das FG zurück, weil dieses eine Satzungsbestimmung als unklar beurteilt hatte, die im Wesentlichen § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO a.F. entsprach (dazu BFH-Urteil vom 3.12. 1996, I R 67/95, BStBl II 1997, 474). Darauf hätte das FG die Beteiligten zuvor hinweisen müssen, um ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme dazu zu geben. Das FG hatte möglicherweise übersehen, dass – im Gegensatz zum früheren Recht – nach § 60 Abs. 1 AO nur noch die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bezeichnet sein müssen, dass aufgrund der Satzung die an sie gestellten Voraussetzungen für die Steuervergünstigung geprüft werden können (BFH, Urteil vom 29.8.1984, I R 203/81, BStBl II 1984, 844, zu 1. c).
Kein Berufssport im Sinn der Satzung ist grundsätzlich anzunehmen, wenn den Sportlern lediglich Aufwendungen ersetzt werden. Der BFH ließ ausdrücklich offen, ob hierbei die im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 67a Abs. 3 Nr. 8 genannte monatliche Grenze von durchschnittlich 700 DM maßgeblich ist.
Hinweis
Die von einem Verein beanspruchte Umsatzsteuerermäßigung und Sponsorengelder für die Fußballspieler sind Hintergrund der Entscheidung des V. Senats. Dass ein Verein nicht gemeinnützig ist, wenn dessen Zweck oder tatsächliche Geschäftsführung sich nicht im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung halten, ist nicht neu. Die Gemeinnützigkeit scheitert schon an einer dem Verein zurechenbaren Lohnsteuerverkürzung. Zu beachten ist dabei, dass auch Zahlungen Dritter lohnsteuerpflichtig sein können (vergl. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG). Wenden Dritte dem Verein Geld zur Bezahlung von Sportlern (z.B. aus einem Pool) zu oder handelt es sich um übliche Lohnzahlungen Dritter, muss der Verein als Arbeitgeber die Lohnsteuer einbehalten und abführen (§ 41a Abs.1 Nrn. 1 und 2 EStG). Allein mit der Begründung, solche Zahlungen seien "bei Sportinteressierten allgemein bekannt", ist die "Üblichkeit" i.S.d. § 38 Abs.1 Satz 2 EStG aber nicht zu begründen.
Wichtig ist, dass dem Verein nicht nur das eigenmächtige Handeln eines nicht (einzel-)vertretungsberechtigten Geschäftsführers des Vereins, sondern auch das Handeln einer anderen in maßgeblicher Position für den Verein tätigen Person (nur) zugerechnet werden kann, wenn Überwachungspflichten grob vernachlässigt worden sind oder wenn – bei größeren Vereinen – ein Organisationsverschulden vorliegt.
Fehlende Kontrolle hat Folgen: Ein Vorstand kann nicht wesentliche Angelegenheiten delegieren und eine Verantwortung des Vereins dadurch vermeiden, dass er die delegierte Tätigkeit nicht (genügend) kontrolliert. Dabei ist im Rahmen der Prüfung der groben Vernachlässigung von Überwachungspflichten die Art und Dauer des Handelns der für den Verein tätigen Person zu berücksichtigen. In Betracht kommt eine Zurechnung des Handelns einer Person für einen Verein, wenn der Vorstand dieses kennt, aber gl...