3.1 Keine Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lohnveredelungsleistungen
Alle Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen, die in der Verfügung des Auftraggebers verbleiben, einschließlich der Begutachtung von Gegenständen, werden im EU-Binnenmarkt einheitlich als sonstige Leistung behandelt. Dies hat den Vorteil, dass jegliche Leistungen an Gegenständen, unabhängig vom Grad ihrer Einwirkung und Veränderung, umsatzsteuerrechtlich einheitlich beurteilt werden: Die Leistungen gelten grundsätzlich an dem Ort als ausgeführt, an dem
- der Leistungsempfänger ansässig ist, wenn er Unternehmer ist und die Leistung für sein Unternehmen bezieht bzw.
- sie tatsächlich erbracht werden, wenn der Auftraggeber weder ein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung ausgeführt wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine USt-IdNr. erteilt wurde
Innergemeinschaftliche Leistung
Eine in Stuttgart ansässige Privatperson versendet den in Frankreich gekauften PC zur Reparatur an eine Servicewerkstatt in Frankreich.
Die ausgeführte Reparaturleistung unterliegt dem französischen Umsatzsteuerrecht.
Im gewerblichen Bereich gilt demnach die Grundregel zur Leistungsortbestimmung. In allen Fällen, in denen der Auftraggeber die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) eines anderen EU-Mitgliedstaats verwendet oder ein im Drittlandsgebiet ansässiger Unternehmer ist, können die Leistungen ohne Umsatzsteuer abgerechnet werden. Sie unterliegen der Steuerschuld beim Auftraggeber. Dieses Grundprinzip gilt unabhängig davon, ob die Gegenstände das Inland wieder verlassen oder im Inland verbleiben. Für eine Steuerbefreiung von Lohnveredelungsleistungen an ausländische Unternehmer als Auftraggeber bleibt folglich kein Raum.
3.2 Leistungsortverlagerung und Übernahme der Steuerschuld durch den ausländischen Auftraggeber
3.2.1 Voraussetzung: Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Auftraggebers
Im Bereich der Ausführung von Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und deren Begutachtung an steuerpflichtige Abnehmer wird der Leistungsort in das Land der Ansässigkeit des Auftraggebers verlagert.
Leistungsort und Steuerschuldnerschaft
- Ein Möbelhersteller aus Dänemark lässt Schnittholz in einem in Deutschland ansässigen Sägewerk zu Brettern verarbeiten, die anschließend nach Dänemark versandt werden. Die vom deutschen Sägewerk in Deutschland ausgeführten Arbeiten unterliegen in Dänemark der Besteuerung, wenn der dänische Möbelhersteller die ihm erteilte dänische USt-IdNr. bei Auftragsvergabe verwendet.
- Der dänische Möbelhersteller bestellt die Bretter bei dem deutschen Lieferanten DE. DE erwirbt das Schnittholz, lässt es in das in Deutschland ansässige Sägewerk verbringen und beauftragt dieses mit dem Versand der Bretter nach Dänemark. Die Abrechnung zwischen den beteiligten deutschen Unternehmen muss mit gesondertem Ausweis deutscher Umsatzsteuer erfolgen. Eine Leistungsortverlagerung ist nicht möglich, weil DE kein im Ausland ansässiger Unternehmer ist.
- Lohnveredler DE1 aus Deutschland erhält von seinem französischen Auftraggeber FR den Auftrag, Oberflächenversiegelungen zum dauerhaften Schutz von Anlagenteilen durchzuführen. Die Anlagenteile sind zur Ausführung einer Werklieferung des FR an DE2 in Deutschland bestimmt. Die Leistung des DE1 unterliegt in Frankreich der Besteuerung, wenn FR bei Auftragsvergabe die französische USt-IdNr. verwendet. FR schuldet als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer (reverse charge) in Frankreich. Unerheblich ist, dass die Anlagenteile im Anschluss an ihre Bearbeitung nicht in das Ausland gelangen.
- Der in Belgien ansässige Unternehmer BE beauftragt den in Deutschland ansässigen Logistikdienstleister DE mit dem Verpacken einer Ware, die anschließend von DE an die Kunden des BE in Frankreich und Belgien versandt wird. Beide Unternehmen verwenden die USt-IdNr. ihrer Ansässigkeitsstaaten. Die Leistung von DE ist in Belgien steuerbar und daher ohne Ausweis von Umsatzsteuer abzurechnen. BE schuldet die belgische Umsatzsteuer (reverse charge).
Registrierungs- und Meldepflichten
Problematisch für den Auftraggeber von Bearbeitungsleistungen ist nach wie vor, dass bei einer unmittelbaren Beförderung oder Versendung der fertig gestellten Erzeugnisse an den Kunden des Auftraggebers eine steuerbare Lieferung im Land der Bearbeitung bewirkt wird, die bei Warenbewegungen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets die Notwendigkeit zur umsatzsteuerlichen Registrierung auslöst. Der mit dem Kunden vereinbarte Liefergegenstand liegt erst am Beginn der Versendung im Land des Lohnveredlers vor.
In dem oben dargestellten Sachverhalt tätigt Unternehmer BE eine Versendungslieferung, die in Deutschland beginnt, weil die von den Kunden bestellten Waren (verpackte Erzeugnisse) erst in Deutschland existent sind. BE muss sich in Deutschland umsatzsteuerlich registrieren lassen und kann bei Vorliegen der französischen und belgischen USt-IdNr. seiner Kunden die Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei abrechnen. Ihn treffen aber alle steuerlichen und statistischen Erklärungs- und Meldepflichten (Umsatzsteuer-Voranmeldung/-Jahreserkl...