Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittelversorgung. drohende Erblindung aufgrund eines postoperativen zystoiden Makulaödems (Irvine-Gass-Syndrom). wertungsmäßige Vergleichbarkeit mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung. kein Anspruch auf Versorgung mit Iluvien bei zusätzlichem Glaukom (erhöhter Augeninnendruck)
Leitsatz (amtlich)
1. Die drohende Erblindung durch die Folgen eines postoperativen zystoiden Makulaödems (Irvine-Gass-Syndrom) ist eine einer lebensbedrohlichen Erkrankung wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung.
2. Ein Anspruch auf die Versorgung mit dem Arzneimittel Iluvien besteht weder im Rahmen eines sog Off-Label-Use noch auf der Grundlage von § 2 Abs 1a SGB V, wenn der Versicherte zusätzlich an einem Glaukom (erhöhter Augeninnendruck) leidet.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.10.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Versorgung mit Iluvien zur Behandlung eines Makulaödems am rechten Auge bei funktioneller Einäugigkeit.
Der am … 1935 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er leidet an einem postoperativen zystoiden Makulaödem (Irvine-Gass-Syndrom) am rechten Auge. Es besteht eine Sehschärfe von 0,1. Auf dem linken Auge liegt nur noch eine Sehschärfe von Handbewegung vor.
Der Kläger wurde zunächst am rechten Auge mit Injektionen von Triamcinopolon (Volon A) behandelt. Seit Oktober 2016 erfolgt eine Behandlung mit Ozurdex, da dieses Medikament seltener implantiert werden muss. In dem der Bewilligung zugrundeliegenden Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 15.12.2016 wurde ausgeführt, dass bei dem Versicherten die Erblindung des funktionell einzigen rechten Auges und damit eine Erblindung im Sinne des Gesetzes drohe. Standardisierte Therapieschemata zur Behandlung des chronischen postoperativen Makulaödems lägen nicht vor. Im Off-Label-Use würden Hemmer der Carboanhydrase, intravitreal VEGF-Hemmer und Steroidimplantate gegeben. In der Literatur fänden sich Hinweise, dass eine intravitreale Ozurdexgabe zu einer Visusverbesserung bei postoperativen Makulaödem führen könne. Die einmalige Gabe sei medizinisch nachvollziehbar. Bei Fortführung der Therapie sollte eine Evaluation der augenärztlichen Befunde erfolgen.
Am 17.08.2017 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für das Medikament Iluvien. Beigefügt war ein Bericht der Augenklinik des Universitätsklinikums H. vom 14.08.2017. Darin wurde ausgeführt, durch Ozurdex sei eine Ödem-Reduktion zu erreichen. Die Wirkung des Ozurdex-Implantats sei nach 3-6 Monaten (Wirkdauer beim Kläger schwankend) aufgebraucht, sodass zur optimalen Kontrolle der Entzündung und des Makulaödems pro Auge mindestens zwei bis vier Ozurdex-Injektionen notwendig seien. Abgesehen von der Belastung für den Kläger sowie der Oculus ultimus-Situation bestehe bei jeder Injektion das Risiko einer postoperativen Endophtalmitis und/oder einer okulären Hypotonie. Außerdem könne es bei rezidivierendem Makulaödem zu permanenten Netzhautschäden mit einer damit verbundenen permanenten ausgeprägten Visusminderung kommen. Seit kurzem sei Iluvien, ein Steroiddepotpräparat, für das diabetische Makulaödem zugelassen. Dieses solle drei Jahre im Auge wirken. Es bestünde die Möglichkeit, dieses Medikament als Off-Label-Therapie zu injizieren, statt bis zu viermal jährlich Ozurdex in jedes Auge. Der Kläger würde von einer Injektion mit Iluvien profitieren.
Mit Schreiben vom 23.08.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, den MDK eingeschaltet zu haben. Sobald dessen Stellungnahme vorliege, werde sie den Kläger über das Ergebnis informieren.
Der MDK erstattete am 30.08.2017 ein sozialmedizinisches Gutachten. Iluvien sei am 20.07.2012 europaweit zugelassen worden; die Zulassung umfasse die Behandlung von Sehstörungen in Verbindung mit chronischem diabetischem Makulaödem, das auf herkömmliche Therapien nur unzureichend anspreche. Es sei nicht zur Behandlung des Makulaödems bei Venenastverschlüssen zugelassen. Randomisierte kontrollierte Studien, die eine Zulassung von Iluvien in dieser Indikation erwarten ließen, lägen nicht vor. Medizinisch könne eine weitere Therapie mit Ozurdex im Off-Label-Use aufgrund des chronischen Verlaufs, der funktionellen Einäugigkeit und der Ausschöpfung der vertragsärztlichen Therapiealternativen nachvollzogen werden.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.09.2017 die Übernahme der Kosten für das Medikament Iluvien unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK ab. Es lägen keine ausreichenden Nachweise vor, dass das Arzneimittel bei der Erkrankung des Klägers einen positiven Effekt habe.
Der Kläger erhob am 16.09.2017 Widerspruch. Er machte geltend, durch die Behandlung mit Ozurdex sei das Makulaödem zurückgegangen; der Augeninnendruck habe sich stabilisiert. Das wiederholte Setzen eines Implantats sei für das Auge sehr belastend.
Am 26.09.2017 erst...