Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Arbeitslosengelds. fiktive Bemessung. Zuordnung zur Qualifikationsgruppe. Prognoseentscheidung. Vermittlungsmöglichkeit. Unerheblichkeit des bislang erzielten Arbeitsentgelts. Bemessungsrahmen. Berufliche Qualifikation. Förmlicher Berufsabschluss. Einzelhandelskauffrau
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Einstufung in die Qualifikationsgruppen des § 132 Abs 2 SGB 3 ist zunächst zu prüfen, auf welche Beschäftigung die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken sind und sodann, welche Ausbildung üblicherweise hierfür erforderlich ist; die konkrete Ausbildung der Klägerin ist nur für den ersten Prüfungsschritt relevant.
2. Das bislang erzielte Arbeitsentgelt ist nach dem System der Qualifikationsgruppen nach § 132 Abs 2 SGB 3 aF unerheblich.
Normenkette
SGB III a.F. §§ 129, 130 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 131 Abs. 5, § 132; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, 4
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld.
Die 1973 geborene Klägerin absolvierte von September 1988 bis Juni 1991 eine Ausbildung als Kauffrau im Einzelhandel. Anschließend arbeitete sie bis Mai 1995 als Verkäuferin. Zuletzt war sie ab dem 15. Februar 1996 als Marktleiterin bei der Firma P. D. GmbH versicherungspflichtig im Umfang von 37 Stunden wöchentlich beschäftigt. Vom 19. Februar bis zum 31. Mai 2007 bezog sie im Zusammenhang mit der Geburt ihres Kindes am 5. April 2007 Mutterschaftsgeld. Die anschließende Elternzeit mit zweitweisem Bezug von Elterngeld dauerte bis zum 4. April 2010.
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 29. März 2010 zum 4. April 2010. Ergänzend schlossen die Klägerin und ihr ehemaliger Arbeitgeber am 31. März 2010 eine Abwicklungsvereinbarung, in der sie vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zum 4. April 2010 (Ende der Elternzeit) beendet werde, da die Klägerin wegen der Betreuung ihres Kindes ihrer vollzeitigen Arbeitspflicht nicht nachkommen könne. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt die Klägerin eine Sozialabfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 40.000,00 € brutto.
Mit Wirkung zum 5. April 2010 meldete sich die Klägerin am 31. März 2010 arbeitslos und beantragte zugleich die Gewährung von Arbeitslosengeld. Sie stellte sich in Teilzeit für 29 Stunden in der Woche der Arbeitsvermittlung zur Verfügung (Montag bis Donnerstag 08.00 Uhr bis 14.00 Uhr, Freitag 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr). Im Rahmen der persönlichen Vorsprache der Klägerin am 19. April 2010 erklärte die Klägerin u.a., sich dem Arbeitsmarkt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden zur Verfügung zu stellen.
Am 16. April und 26. Mai 2010 schlossen die Beteiligten Eingliederungsvereinbarungen, in denen als Eingliederungsziel die Arbeitsaufnahme als Sekretärin in K. und der angrenzenden Schweiz in Teilzeit angegeben wird. Im Verbis-Vermerk vom 19. April 2010 über den Kontakt am 16. April 2010 wird ausgeführt, die Klägerin stelle sich dem Arbeitsmarkt in Teilzeit für 30 Stunden in der Woche von 07.30 Uhr bis 14.00 Uhr (Montag bis Donnerstag) und 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr (Freitag) als Sekretärin zur Verfügung. Alternativ könne sie sich auch eine Tätigkeit als Personalsachbearbeiterin vorstellen.
Mit Bescheid vom 29. April 2010 stellte die Beklagte für die Zeit vom 5. April bis zum 28. Juli 2010 das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs aufgrund der Entlassungsentschädigung fest.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ausgehend vom Anspruchsbeginn am 5. April 2010 für die Dauer von 360 Kalendertagen ab dem 29. Juli 2010 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 24,22 €. Zur Bemessungsgrundlage erhalte sie ein gesondertes Schreiben. Die Leistung werde nach einem Arbeitsentgelt von 68,13 € berechnet. Die Klägerin könne nicht mehr die im Bemessungszeitraum angefallenen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsstunden leisten. Das Bemessungsentgelt vermindere sich daher entsprechend dem Verhältnis der der Klägerin aktuell möglichen wöchentlichen Arbeitsstunden (29 Stunden) zu den früher geleisteten (39 Stunden). Der konkreten Berechnung wurde ein Bemessungsentgelt von 50,66 € zugrunde gelegt, aus dem sich ein tägliches Leistungsentgelt in Höhe von 36,15 € und ein täglicher Leistungssatz in Höhe von 24,22 € errechnete.
Mit Schreiben vom selben Tag wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass sie in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe; bei der Bemessung des Arbeitsentgelts sei daher ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt worden. Das fiktive Arbeitsentgelt richte sich nach der Beschäftigung, für die sie in erster Linie geeignet sei und der dazugehörigen Qualifikationsstufe. Die Klägerin sei für eine Tätigkeit als Sekretärin geeignet. Hierfür sei eine Ausbildung erforderlich, sodass ...